Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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nur einen kleinen Schluck, nahm den Jüngsten auf den Arm und küßte ihm die Tränchen weg, die ihm über die Wangen kullerten. Es war wie jeden Morgen, ein Abschied, als würde er eine Weltreise antreten.

      »Meine Gedanken sind bei dir, Leon«, sagte Antonia leise, denn sie ahnte, wie es ihm zumute war. Er war mit dem Herzen und auch mit der Seele dabei, wenn er eine schwierige Operation ausführen mußte.

      »Er hat wohl wieder einen schweren Tag vor sich?« fragte Karin.

      Antonia nickte.

      »Man sieht es ihm an«, brummte Karin in sich hinein.

      *

      »Wie war die Nacht?« fragte Mirja Dr. Uhl.

      »Ein bißchen unruhig. Herr Arnold hat mehrmals nach Ihnen gerufen.«

      »Ich hätte dableiben sollen«, sagte sie.

      »Damit Sie auch noch zusammenklappen? Richtig da ist er doch noch nicht, aber er hat eine erstaunliche Konstitution.«

      »Sonst hätte er wohl auch kaum einen Flugzeugabsturz überstanden«, sagte Mirja gedankenvoll. »Ich weiß es erst sei heute nacht«, fuhr sie schnell fort, als er sie fragend anblickte. »Meine Informationen habe ich übrigens von Schwester Sophie.«

      Er lächelte flüchtig. »Die gute Sophie, sie weiß alles. Übrigens hat eben jemand im Auftrag von Frau Arnold-Mattis angerufen und sich erkundigt, wie es Herrn Arnold geht.«

      »Jemand?« fragte Mirja.

      »Ich habe diesem jemand gesagt, daß wir telefonisch keine Auskünfte geben. Er war sehr sauer.« Dr. Uhl lachte leise.

      Mirja war nicht zum Lachen zumute. Irene Arnold bemühte sich nicht selbst, aber sie wollte anscheinend doch wissen, wie es Benedikt ging.

      Sie ging zu Benedikt. Er lag ganz ruhig.

      Er wohnte nicht mehr in Geiselgasteig, dachte sie. Aber irgendwo mußte er doch wohnen, oder hatte er sich erst an diesem Tag entschlossen, dieses herrliche Haus zu verlassen?

      Hatte er darum bei ihr bleiben wollen? Nein – vorher hatte er doch gesagt, daß er sie am liebsten mitnehmen möchte.

      Ein leises Ächzen schreckte sie auf. Sie beugte sich zu ihm hinab. »Benedikt«, sagte sie, »ich bin da.«

      »Durst«, seufzte er.

      Sie tupfte mit einem Wattestäbchen, das sie in den Tee getaucht hatte, der neben seinem Bett stand, die Lippen ab. Sie waren trocken und rissig. Sie öffneten sich leicht, als sie ihn küßte.

      Ein tiefer Atemzug hob seine Brust. »Mirja«, flüsterte er. »Ich liebe dich.«

      »Ich liebe dich auch, Benedikt«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme, so sehr war sie erschüttert, daß er nur an sie dachte.

      Langsam hoben sich seine Lider. Sein Blick, noch abwesend, wurde lebendig.

      »Es war doch kein Traum«, sagte er. »Was haben sie mit mir gemacht?«

      »Deinem Herzen den Weg zu einem neuen Leben geöffnet«, erwiderte sie so, wie sie es fühlte.

      »Ein neues Leben! Ich dachte, es wäre zu Ende.«

      »Nein, es beginnt«, sagte sie innig.

      »Sehr gut fühle ich mich noch nicht«, murmelte er.

      »Das wäre auch ein bißchen zuviel verlangt. Du mußt viel schlafen und wenig denken.«

      »Ich denke nur an dich, nur an dich«, flüsterte er und schloß seine Augen wieder. Sein Gesicht war entspannt. Ein Lächeln lag um seinen Mund, und sie konnte mit dem Gefühl an die Arbeit gehen, daß er der Genesung entgegenschlief.

      *

      Schwester Otti flitzte von einem Krankenzimmer ins andere. »Warum ist die Visite heute so spät?« wurde sie gefragt.

      »Dr. Laurin operiert«, erwiderte sie.

      Mehrmals mußte sie diese Antwort geben.

      Frau Hanke wartete darauf, abgeholt zu werden. Schwester Otti konnte diesen Augenblick schon gar nicht mehr erwarten. Lilly Hanke benahm sich nach ihrer Fehlgeburt wie eine Diva.

      »Ich möchte Frau Rickmann noch einmal sprechen und mich von ihr verabschieden«, sagte Lilly Hanke nun.

      »Ich werde es ihr ausrichten.«

      Höflich mußte sie sein, wenn ihr auch fast der Kragen platzte.

      »Mitten aus der Arbeit kann ich sie nicht reißen«, erklärte Schwester Otti nun doch ungehalten, als Frau Hanke mürrisch dreinblickte.

      Sie sagte es Mirja dann aber doch, bevor sie es vergaß. »Was will sie denn jetzt noch?« entfuhr es Mirja.

      »Sich verabschieden. Ihre Eltern holen sie ab.«

      »Das war ja Gott sei Dank nur ein kurzes Gastspiel«, sagte Mirja.

      »Ja, Gott sei Dank«, seufzte Schwester Otti.

      So bemitleidenswert, wie Mirja immer geglaubt hatte, schien Lilly Hanke doch nicht zu sein. Man mußte alles immer von zwei Seiten sehen. Nun, verabschieden konnte sie sich ja von ihr.

      »Ich werde ja jetzt zu meinen Eltern ziehen«, sagte Lilly Hanke. »Meine Sachen lasse ich abholen. Vielleicht können Sie mal ein Auge darauf haben, wen mein Mann mitbringt, Frau Rickmann. Ich würde mich dafür erkenntlich zeigen.«

      Das war vielleicht eine Zumutung! Mirja schluckte schwer daran.

      »Sie wissen ja, wie selten ich zu Hause bin«, sagte sie kühl. »Und jetzt wird es Ihnen doch wohl egal sein, Frau Hanke.«

      Dann kamen ihre Eltern, und Mirja verschwand schnell. Kurze Zeit später verließ Lilly Hanke die Prof.-Kayser-Klinik.

      »Hoffentlich auf Nimmerwiedersehen«, sagte Schwester Otti grimmig.

      *

      Während Dr. Laurin operierte, machte Dr. Sternberg Visite, als Schwester Irma mit der Nachricht überraschte, daß Frau Arnold-Mattis ihn zu sprechen wünsche.

      »Soll warten«, sagte er. Er dachte gar nicht daran, wegen Frau Arnold-Mattis die Visite zu unterbrechen, für die er sich immer Zeit ließ, wenn es nur irgend möglich war, denn wie auch Dr. Laurin vertrat er den Standpunkt, daß die Patienten Worte des Zuspruchs oft nötiger brauchten als Medikamente.

      Als er dann sein Zimmer betrat, war er froh, daß Mirja ihn auf diese Frau vorbereitet hatte. Sie sah aus wie die leibhaftige Verführung, doch Eckart Sternberg war davon nicht zu beeindrucken.

      Um so mehr beeindruckt war Irene Arnold-Mattis von diesem interessanten Mann. Seine Persönlichkeit überraschte sie derart, daß ihr frivoles Lächeln erlosch und ihre Augen ganz weit wurden. Es waren die Augen einer Raubkatze, die einen Leckerbissen wittert. Sie wußte allerdings nicht, daß Dr. Sternberg eine Frau hatte, der sie nicht das Wasser reichen konnte, wenn sie auch all ihre Raffinesse zum Einsatz brachte. Irene Arnold-Mattis hielt sich für unwiderstehlich.

      Nur ein Mann hatte ihr bisher die kalte Schulter gezeigt, und um diesen ging es bei dem Besuch. Allerdings mußte sie es bald schmerzhaft spüren, daß Dr. Sternberg der zweite war.

      »Ich möchte mich über den Zustand meines Schwagers informieren«, begann sie. »Eine Angestellte dieser Klinik suchte mich auf und sagte mir, daß er hier eingeliefert worden wäre und operiert werden solle.«

      »Das ist gestern geschehen«, erwiderte Dr. Sternberg.

      »Sie halten mich jetzt wohl für herzlos?« fragte sie mit einem gekonnten Augenaufschlag, der Dr. Sternberg aber nicht verwirren konnte. »Sie werden anders über mich denken, wenn Sie mehr von meinem Verhältnis zu meinem Schwager wissen, wenn es sich so überhaupt bezeichnen läßt. Ich kann bei allem Bedauern für seine Situation keine Sympathie heucheln. Schließlich hat er den Tod meines Mannes verschuldet. Aber damit nicht genug, dachte er auch noch, daß er Jürgens Nachfolger bei mir werden könnte. Sie werden verstehen, daß solche Tatsachen


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