Dr. Laurin Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
»Immerhin steht einiges auf dem Spiel«, fuhr sie rasch fort. »Ich meine die Firma. Wir brauchen da einige Vollmachten. Schließlich hängt das Wohl von ein paar tausend Angestellten davon ab«, erklärte sie hochtrabend.
»Sind Sie Teilhaberin?« fragte Dr. Sternberg sehr direkt.
Ihre Augen verengten sich. »Ich bin die Witwe eines Teilhabers. Schließlich muß ich meine Rechte wahren. Benedikt hat mich in unverantwortlicher Weise übergangen.«
»Bestehende Rechte kann Ihnen doch niemand streitig machen«, erklärte Dr. Sternberg kühl. »Es ist auch nicht meine Angelegenheit, mich um die Geschäfte meines Patienten zu kümmern. Mir obliegt es, seine Gesundheit wiederherzustellen.«
»Besteht denn dafür Aussicht?« fragte sie hintergründig.
»Berechtigte«, erwiderte er lakonisch.
Sie preßte die Lippen aufeinander. »Man bezeichnete seinen Zustand als aussichtslos«, sagte sie mit einem aggressiven Unterton.
»Das mag der Fall gewesen sein. Jedenfalls ist die Operation geglückt, und seine Aussichten sind ausgezeichnet.«
»Dann kann ich mit ihm sprechen?« fragte sie.
»Bedaure, das ist für die nächsten Tage nicht möglich.«
»Aber ich sagte Ihnen doch, daß es für die Firma wichtig ist. Benedikt muß Unterlagen bei sich gehabt haben, die wir unbedingt brauchen. Einen Aktenkoffer.«
»Davon weiß ich nichts.« Es war schon die zweite Lüge, die er gebrauchte, aber er verzieh sie sich selbst. Zwar wußte er nicht, worum es Irene Arnold-Mattis ging, aber Mirja mochte recht haben, wenn sie diese Frau als gefährlich bezeichnete.
»Vielleicht könnten wir uns in einer etwas gemütlicheren Atmosphäre etwas weniger sachlich unterhalten, Herr Dr. Sternberg«, sagte Irene nun. »Darf ich Sie zu einem Abendessen im kleinen Kreis einladen? Morgen vielleicht? Ich habe ein paar Gäste.«
Donner und Doria, die geht aber ran, dachte Eckart Sternberg und konnte sich kaum ein sarkastisches Lächeln verkneifen.
»Dazu ist meine Freizeit zu knapp bemessen«, erwiderte er. »Sie gehört meiner Familie.«
Das war eine kalte Dusche für Irene, die er damit noch verstärkte, daß er das Bild seiner Frau Corinna und seiner kleinen Tochter Christine in ihr Blickfeld rückte.
»Selbstverständlich wäre mir auch Ihre Frau willkommen«, sagte Irene rasch, um ihr Gesicht zu wahren.
»Ärzte sind so unzuverlässige Privatmenschen, daß wir immer um Nachsicht bitten müssen«, sagte er ruhig. »Sie entschuldigen mich bitte. Die Pflicht ruft.«
Der Zufall wollte es, daß Irene mit Dr. Laurin und Mirja zusammentraf, als sie grollend die Klinik verließ.
Mirja bemerkte sie zuerst gar nicht, denn Dr. Laurin war es, der ihre Aufmerksamkeit erregte. Noch so ein attraktiver Arzt! Der stellte sogar Dr. Sternberg in den Schatten.
Sie verharrte einen Augenblick und versuchte kokett, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber Dr. Laurin hätte keine Notiz von ihr genommen, wäre Mirja nicht zusammengezuckt und blaß geworden.
»Frau Arnold«, flüsterte sie.
Dr. Laurin, der keine Ahnung hatte, daß es auch eine Frau Arnold gab, denn mit ihm hatte Mirja darüber noch nicht gesprochen, war verblüfft, und unwillkürlich drehte er sich um.
Da bemerkte Irene auch Mirja. Mit einem gekünstelten Lächeln kam sie angerauscht.
»Nett, Sie zu sehen«, sagte sie. »Wie war doch gleich Ihr Name?«
»Rickmann«, sagte Mirja gepreßt.
»Ach ja, Frau Rickmann. Ich habe mich neulich wohl recht merkwürdig benommen, aber Sie müssen verstehen, daß es sehr überraschend für mich kam.«
Dr. Laurin wurde wieder mit einem herausfordernden Blick bedacht. »Behandeln Sie meinen Schwager auch?« fragte sie.
»Dafür ist Dr. Sternberg zuständig«, erwiderte er spöttisch.
»Sind Sie Dr. Kayser?«
»Nein, Dr. Laurin.«
»Würden Sie gestatten, daß ich mich mit Frau Rickmann unterhalte?« fragte Irene mit ihrem liebenswürdigsten Lächeln, das harmlose Seelen so täuschen konnte.
Dr. Laurin fing einen flehenden Blick von Mirja auf, den er auch glücklicherweise richtig deutete.
»Das ist augenblicklich leider nicht möglich, Frau Arnold. Frau Rickmann muß ein paar dringende Röntgenaufnahmen machen.«
Aber so schnell gab Irene nicht auf.
»Wann hätten Sie Zeit für mich, Frau Rickmann?« fragte sie. »Vielleicht morgen?«
»Nein, Sie können nicht mit mir rechnen«, erwiderte Mirja kühl.
*
»Wir sollten uns darüber unterhalten, Mirja«, sagte Dr. Laurin nachdenklich. »Wenn Blicke töten könnten, wären Sie jetzt umgefallen.«
Sie hatten gerade über Frau Kroll gesprochen. Noch bestand für Dr. Laurin kein Anlaß zum Optimismus, aber eine winzige Hoffnung verblieb ihm nach der Operation, sofern sich nicht schon Metastasen angesiedelt hatten, die man nur mit einer komplizierten Untersuchungsmethode feststellen konnte. Dazu aber mußte Frau Dr. Kroll erst wieder bei Kräften sein.
»Aber sie lebt«, hatte Mirja gesagt.
»Auch wir haben den Ehrgeiz, unsere Patientinnen nicht unter dem Messer sterben zu lassen«, bemerkte Dr. Laurin darauf mit einem Anflug von Bitterkeit.
»Sie haben jedenfalls alles gewagt.«
Dr. Laurin hatte jetzt keine Zeit, und auch sie mußte wieder an die Arbeit.
Mittags kam Schwester Sophie und fragte, ob Mirja mit ihr zum Essen gehen wolle.
»Ich habe Ihnen auch etwas mitgebracht«, sagte sie.
Es wurde Zeit, daß sie mal wieder eine richtige Mahlzeit zu sich nahm. Schwester Otti redete ihr zu, aber dessen bedurfte es gar nicht. Mirja war sehr gespannt auf weitere Informationen über die Familie Arnold.
»Diese Schlange war vorhin bei Dr. Sternberg«, erzählte Schwester Sophie auf dem Weg zur Kantine, die im Untergeschoß der Klinik lag. »Aber er muß ihr eine ganz schöne Abfuhr erteilt haben. Der würde ich meilenweit aus dem Weg gehen.«
Sie hatte einen ganzen Packen Zeitungsausschnitte mitgebracht.
»Damit Sie nicht erst lange herumsuchen müssen, Mirja«, sagte sie beinahe mütterlich. »Da haben Sie aber allerhand Lektüre, und wenn manches auch übertrieben sein mag, etwas kann man doch rauslesen. Mich lachen sie ja immer alle aus als Klatschtante vom Dienst, aber man sieht ja, daß es manchmal gut ist, wenn man sich solche Sachen merkt.«
»Ich bin Ihnen auch sehr dankbar dafür.«
Schwester Sophie lächelte, als Mirja ihr warm die Hand drückte.
*
Dr. Rasmus hatte sich die Frauenklinik von Professor Lorenzen genau angesehen. Es gab eigentlich nichts, was sie nicht auch in der Prof.-Kayser-Klinik hatten. Hier war nur alles viel größer und auch viel unpersönlicher.
Wieder einmal empfand es Peter Rasmus mit einem Glücksgefühl, daß er an der Prof.-Kayser-Klinik tätig sein durfte, in einem kleinen Team, mit einem Chef wie Dr. Laurin.
Auf dem Kongreß konnte er auch kaum neue Erkenntnisse gewinnen. Was interessant gewesen war, war schon am ersten Tag zur Sprache gekommen.
Als Dr. Rasmus mittags ins Hotel zurückkam, wurde er erwartet. Er war doch leicht erstaunt, als sich Mirja von Korten aus einem Sessel in der Halle erhob und auf ihn zutrat. Sie war allein gekommen.
»Ich habe mir gedacht, daß wir uns einmal allein unterhalten sollten, Herr