Sophienlust Staffel 8 – Familienroman. Diverse Autoren

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Kind, Ing-

      rid.«

      »Du kennst Frau von Schoenecker nicht.« Ingrids Wangen glühten wie im Fieber. »Sie gehört zu den wenigen gütigen Menschen, die das, was sie versprechen, auch halten«, rief sie aufgebracht.

      »Das glaube ich nicht. Die gesalzene Rechnung wird dir noch zugeschickt werden. Verlaß dich darauf.«

      »Diesmal irrst du dich.« Ingrids Erregung steigerte sich. Jäh fiel ihr ein, daß Guido sie nicht einmal geküßt hatte. Er saß ihr gegenüber wie ein Fremder. Seine dunklen Augen waren kalt auf sie gerichtet. »Guido, was ist nur los mit dir?« fragte sie verzweifelt. »Du bist so verändert. Liebst du mich denn nicht mehr?«

      »Unsinn. Das alles hat doch nichts mit unserer Liebe zu tun.«

      »Wirklich nicht?« Ingrid klammerte sich an die beiden kleinen Worte – unsere Liebe – wie an einen Rettungsanker. Sicher hatte Guido Sorgen. Vielleicht war das Haus verschuldet und er wußte nicht, wie er damit fertig werden sollte. »Guido, nicht wahr, die Erbschaft deines Onkels macht dir nur Kummer?« fragte sie leise.

      Er fuhr sich mit beiden Händen durch das dichte dunkle Haar. Ingrid hatte ihm einen Ball zugespielt, den er geschickt auffing. »Ja, Ingrid, du hast recht. Ich hatte mir mehr erwartet. Die Erbschaftssteuern verschlingen fast alles.«

      »Und das Haus? Ist es schuldenfrei?«

      »Nein, leider nicht. Es ist mit Hypotheken über und über belastet. Vermutlich muß ich es aufgeben, um überhaupt etwas Geld in den Händen zu haben. Auch die Kanzlei ist alt und verstaubt und muß aufgemöbelt werden. Das bedeutet viel Arbeit und Konzentration. Deshalb wäre es für mich nur belastend, euch drei um mich zu haben.«

      »Also, das ist es«, sagte sie erleichtert. »Trotzdem könnte ich doch bei dir bleiben. Glaub’ mir, Kuni und Mathias sind wirklich gut in diesem Sophienlust untergebracht.« Sie erzählte ihm nun mit wenigen Worten von der Stiftung der alten Sophie von Wellentin, die mittellosen Kindern zugute kam.

      »Na ja, das klingt einleuchtend«, gab er widerwillig zu. »Aber es widerstrebt mir, so eine wohltätige Stiftung anzunehmen.«

      »Ich lasse die Kinder auf alle Fälle dort.« Ingrid erwiderte seinen Blick fest. »Oder glaubst du, es ist gut, wenn man zwei so kleine Kinder den ganzen Tag allein läßt?«

      »Frau Geitner paßt doch auf sie auf.«

      »Was man so aufpassen nennt, mein Lieber. Frau Geitner ist dem Alkohol verfallen. Ich habe gehört, sie trinkt bereits am Vormittag Wein. Aber sei’s, wie es sei. Die Kinder bleiben in Sophienlust.«

      »Du mußt wissen, was du tust!« rief er wütend. »Aber sollte man schließlich doch noch Geld verlangen, mußt du dafür aufkommen. Du läßt Kuni und Mathias gegen meinen Willen dort.«

      »Guido, bitte, wir wollen doch nicht streiten«, lenkte sie ein. »Ich bekomme doch bestimmt auch hier in München eine Stellung als Krankenschwester.«

      »Vielleicht, Ingrid. Trotzdem muß ich darauf bestehen, daß du wieder nach Maibach zurückkehrst. Schließlich hast du ja dort auch die Wohnung.«

      »Die ich ohne weiteres aufgeben könnte, Guido.«

      »Willst du mich denn nicht verstehen, Ingrid? Ich kann dich momentan hier nicht gebrauchen. Deine Nähe lenkt mich nur von meiner Arbeit ab.«

      Ingrid gab es auf, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, was Guido veranlaßte, sie wieder nach Maibach zurückzuschicken. Es sei denn… Hatte er sich vielleicht doch in eine andere Frau verliebt? Doch sofort verwarf sie diesen Gedanken wieder, weil sie ihn widersinnig fand.

      »Wann fährst du zurück?« fragte Guido im Laufe des Tages.

      »Ich bleibe bis morgen nachmittag. Ich werde den Zug am Spätnachmittag nehmen. Dann bin ich um Mitternacht in Frankfurt. Von dort habe ich dann noch Anschluß nach Maibach. Es ist dir doch recht, daß ich bleibe?«

      »Aber ja.« Doch seine Stimme klang dabei alles andere als erfreut. Doch Ingrid ignorierte das.

      Obwohl Guido behauptet hatte, er habe kaum eine freie Minute, weil er bis zu dem Prozeß am Montagvormittag noch den Akt durcharbeiten müsse, hatte er am ersten Abend und auch am nächsten Tag massenhaft Zeit für Ingrid.

      Am Samstagabend führte er sie in ein hübsches Lokal, so daß die junge Frau wieder neue Hoffnung schöpfte. Er gab sich sogar ausgesprochen liebenswürdig. In bester Laune kehrte Ingrid zusammen mit ihrem Mann gegen Mitternacht in das Haus zurück. Doch als er ihr sagte, sie solle im Fremdenzimmer schlafen, sank ihre Stimmung wieder auf den Nullpunkt zurück. Die halbe Nacht lag sie wach und wartete auf ihn. Einmal hörte sie ihn sein Zimmer verlassen. Sie hielt vor Aufregung den Atem an, denn sie sehnte sich mit jeder Fiber ihres Herzens nach ihm. Aber er ging an ihrem Zimmer vorbei, stieg die Treppe hinunter und schloß dann irgendeine Tür hinter sich.

      Ingrid erhob sich, öffnete die Tür und lauschte. Sie hörte seine Stimme. Also telefonierte er. Aber mit wem? Diese Frage war allerdings nicht schwer zu beantworten. Einen Klienten rief er gewiß nicht mitten in der Nacht an. Also konnte es sich nur um eine Frau handeln. Somit bestätigte sich die Vermutung, die sie nicht hatte wahrhaben wollen.

      Ingrid legte sich wieder nieder. Aber sie konnte jetzt nicht warm werden. Kälteschauer rannen ihr über den Rücken, und ihre Füße waren eiskalt. War das nun das Ende ihrer Ehe, ihrer großen Liebe? Wie erstarrt lag sie im Dunkeln da und grübelte. Doch dann sah sie einen Lichtblick am Horizont auftauchen. Aber ja, Guido hatte bestimmt mit dem Klienten telefoniert, den er am Montag in dem Strafprozeß verteidigte. Jetzt saß er wahrscheinlich über den Akten, um sich für den Prozeß vorzubereiten. Anders konnte es gar nicht sein, redete sie sich ein und streckte sich entspannt aus. Kurz darauf war sie eingeschlafen.

      Beim Frühstück erwähnte Ingrid das nächtliche Telefongespräch mit keinem Wort. Guido durfte auf keinen Fall den Eindruck gewinnen, daß sie ihm nachspionierte.

      Aber die Harmonie, die am Abend zuvor zwischen ihnen geherrscht hatte, stellte sich nicht wieder ein. Guido war auffallend nervös und so leicht reizbar, daß Ingrid alles tat, um ihn nicht noch mehr in Harnisch zu bringen.

      »Begleitest du mich zum Bahnhof?« fragte sie nach dem Mittagessen, das sie aus den vorhandenen Konservendosen zubereitet hatte.

      »Wie stellst du dir das eigentlich vor!« fuhr er sie unbeherrscht an. »Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf vor Arbeit steht, und du verlangst von mir, daß ich dich zum Bahnhof bringe!«

      »Ist ja schon gut.« Zornig blitzte sie ihn an. Dabei schossen ihr heiße Tränen in die Augen. »Ich nehme mir ein Taxi!«

      »Tu das. Aber du kannst auch mit der Straßenbahn direkt bis zum Hauptbahnhof fahren«, erklärte er.

      »Also gut, dann nehme ich die Straßenbahn«, erwiderte sie leise.

      »Ich muß mich jetzt an die Arbeit setzen«, erklärte er ungeduldig.

      »Ich gehe am besten gleich.« Ingrid wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln fort. Sie wußte, daß Guido weinende Frauen nicht ausstehen konnte. Später, wenn sie allein war, würde sie genügend Zeit haben, sich ihrem Kummer zu überlassen, dachte sie bitter.

      Doch es sollte noch schlimmer für sie kommen.

      Ingrid zog den Mantel an und verabschiedete sich von ihrem Mann, der sich daraufhin sogleich in das Arbeitszimmer zurückzog. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, sie zur Haustür zu bringen.

      Schon wollte Ingrid die Tür hinter sich ins Schloß ziehen, da fiel ihr plötzlich ein, daß sie ihren Wecker vergessen hatte.

      Guido noch einmal zu stören, das wagte sie nicht. So leise wie möglich lief sie die Treppe zum ersten Stock hinauf. Wenige Minuten später war sie wieder unten. Gerade wollte sie das Haus verlassen, da sah sie durch die Glasscheibe der Haustür ein Mädchen auf sich zukommen.

      Also doch, schoß es Ingrid durch den Kopf. Schnell versteckte sie sich hinter der Portiere, als sie hörte, daß die Tür von außen aufgeschlossen


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