Sophienlust Staffel 8 – Familienroman. Diverse Autoren
vorbei, daß Ingrid dessen aufdringliches Parfüm einatmete. »Hallo, Guido!« rief es fröhlich. »Wo steckst du nur?«
Ingrid hielt den Atem an, aus Angst, daß man sie entdeckte. Im Augenblick war sie einfach nicht fähig, ihren Mann zur Rede zu stellen.
Nun hörte sie Guidos Stimme. »Pia!« rief er aufgebracht. »Ich habe dich doch am Telefon ausdrücklich gebeten, auf meinen Anruf zu warten. Bist du niemandem begegnet?«
»Nein, Guido, keiner Menschenseele. Bekomme ich denn keinen Kuß?« fragte das Mädchen schmeichelnd.
Ingrids Herz schlug so laut, daß sie sicher war, die beiden müßten es hören, als sie sich küßten.
Dann vernahm Ingrid wieder die Stimme dieser Pia. »Ich habe mich so nach dir gesehnt«, sagte sie zärtlich.
»Ich auch, Pia. Fast wäre es schiefgegangen«, fügte Guido hinzu. »Meine Frau hat erst vor wenigen Minuten das Haus verlassen. Merkwürdig, daß du ihr nicht begegnet bist. Na ja, wir haben halt Glück gehabt.«
»Selbst wenn sie mich gesehen hätte, wäre es auch gleichgültig. Du willst dich doch sowieso von ihr scheiden lassen.«
»Darüber sprechen wir noch später«, wich er einer verbindlichen Antwort aus. »Komm ins Zimmer, Pia. Ich sehne mich nach dir.«
»Ich auch.« Sie lachte hellauf.
Ingrid hörte nun das Schließen der Tür. Sie war wie erstarrt. Sie stellte sich vor, wie Guido reagieren würde, wenn sie ihn und seine Geliebte in flagranti erwischen würde. Aber es widerstrebte ihr ganz einfach, als Rachegöttin aufzutreten. Viele Ehemänner hatten ein Techtelmechtel, wenn sie von ihrer Familie getrennt leben mußten. Guido war ihr Mann und der Vater ihrer Kinder! Nur das durfte ausschlaggebend für sie sein. Bevor sie etwas unternahm, mußte sie erst ruhiger werden.
Ingrid verließ ihr Versteck mit zitternden Knien. Lautlos öffnete sie die Haustür und jagte dann den Weg zum Gartentor entlang, als ob tausend Furien hinter ihr her wären. Sie hoffte sehr, daß man sie nicht gesehen hatte, winkte einem gerade vorbeifahrenden Taxi zu und sank schwer auf den hinteren Sitz. Ein Tränenstrom stieg in ihr hoch und ließ sich nicht mehr zurückdrängen. Unaufhörlich flossen ihr die Tränen übers Gesicht.
Später dann, als sie im Zug saß, der langsam aus der Bahnhofshalle rollte, war sie innerlich wie erstarrt. Alles, was sie tat, geschah wie unter Zwang. Ihre Bewegungen hatten etwas Hölzernes. Auch auf dem Frankfurter Bahnhof fiel diese Starre nicht von ihr ab.
In letzter Minute erreichte Ingrid noch den Lokalzug nach Maibach. Diesmal war sie allein im Abteil. Aufschluchzend warf sie die Hände vors Gesicht. Sie wußte, wenn Kuni und Mathias sie nicht noch brauchten, hätte sie nicht mehr die Kraft gefunden, weiterzuleben.
*
Pia Franke hatte rotblondes Haar und wasserblaue Augen. Ihre puppenhafte Schönheit hatte Guido sogleich bezaubert. Anfangs hatte er sie für anschmiegsam und nachgiebig gehalten aber darin hatte er sich sehr getäuscht.
Guido hatte Pia in einer Apotheke kennengelernt, als er sich Schmerztabletten gekauft hatte. Pia arbeitete dort als Apothekenhelferin. Ohne viel Ziererei hatte sie seine Einladung zum Abendessen angenommen und ihn danach in sein Haus begleitet.
Seit dieser Nacht war Guido dem Mädchen sklavisch ergeben. Geduldig ertrug er Pias Launen, ihr unberechenbares Temperament. Oft reizte sie ihn bis zur Weißglut, wenn sie durch ihr schamloses Benehmen anderen Männern gegenüber immer wieder seine Eifersucht herausforderte. Sie besuchte leidenschaftlich gern Bars, liebte auffallende Kleider und stellte unverschämte Ansprüche an ihren Liebhaber.
Guido gab seine Erbschaft für Pia mit vollen Händen aus, um sie noch fester an sich zu binden. Sie ließ sich mit Geschenken auch gern überhäufen. Aber sein Geld war nicht unerschöpflich.
Als Guido die Nachricht von seiner Bank erhielt, daß sein Konto weit überzogen sei, wollte er es zuerst nicht glauben. Leider war es aber so. So entschloß er sich, endlich wieder in seinem Beruf zu arbeiten, um die ererbte Anwaltskanzlei auf die Höhe zu bringen. Aber die Klienten ließen auf sich warten. Nun war es soweit, daß er sich ernsthafte Sorgen um seine Zukunft zu machen begann. Auch fürchtete er, daß Pia ihn verlassen würde, wenn er ihre Ansprüche nicht mehr erfüllen konnte. Immer wieder ließ sie durchblicken, daß sie nicht daran denke, sich einzuschränken. »Aber ich liebe dich«, erklärte sie gleichzeitig. »Es muß doch irgendeinen Weg geben schnell zu viel Geld zu kommen. Ich habe es!« rief sie.
Zuerst war Guido über ihren Vorschlag entsetzt. Als Anwalt kannte er die hohen Strafen, die auf Diebstahl von Rauschgift standen. Doch Pia überredete ihn.
Schon bald verlor Guido die letzten Skrupel und auch die Furcht vor der Entdeckung. Reibungslos verliefen nun seine »Transaktionen«. Nur um das Gesicht zu wahren, verbrachte er viele Stunden in seiner ererbten Anwaltspraxis. Offiziell galt Pia als seine Sekretärin.
An diesem Morgen lag Pia noch immer neben ihm in dem zerwühlten Bett. Zärtlich schmiegte sie sich in seine Arme. »Guido, ich habe mir überlegt, daß wir bald so viel Geld verdienen werden, daß wir mehrere Wochen im Jahr irgendwo an einem Luxusort verbringen können.«
Er zog sie an sich »Pia, hast du denn niemals Angst, daß man deine kleinen Diebstähle entdecken könnte?«
»Nein, Guido. Der Apotheker ist bereits senil und hat jede Kontrolle über den Bestand in seiner Apotheke verloren. Außerdem glaubt er, daß ich in ihn verliebt sei. Bei ihm kann ich nur sagen: je oller je toller. Doch das ist ein Glück für uns. Hauptsache ist, daß wir verschwiegene Abnehmer haben. Doch dafür bist du zuständig. Du bist ja bereits in diesen Kreisen bekannt. Je süchtiger einer ist, desto mehr zahlt er. Küß mich, Guido!« Sie schmiegte sich verlangend an seine Brust.
Guido schob alle Bedenken weit von sich fort und genoß nur noch die Gegenwart. Pia triumphierte innerlich. Sie liebte Guido, soweit sie überhaupt imstande war, jemanden mehr als sich selbst zu lieben. Für sie war er ein gefügiges Werkzeug, dessen sie sich jederzeit bedienen konnte. Das schloß aber nicht aus, daß sie ihre unersättliche Gier auch bei anderen Männern stillte. Würde ihr einmal ein Mann begegnen, der ihr ein sorgloses Leben bieten konnte, dann würde sie Guido ohne Zögern verlassen. Denn sie hatte manchmal entsetzliche Angst, daß ihre Diebstähle entdeckt werden könnten. Allein schon der Gedanke, einige Jahre im Gefängnis sitzen zu müssen, ließ sie erschauern und das Blut in ihren Adern zu Eis gefrieren. Lieber tot als auch nur einen Tag eingesperrt sein, dachte
sie.
Später fuhren Pia und Guido gemeinsam zu der Kanzlei. Guido empfing zwei Klienten mit unbedeutenden Fällen. Am liebsten hätte er sie wieder fortgeschickt, doch dann dachte er an den Verdienst. Wenn er auch gering war, so wollte er doch nicht darauf verzichten.
Pia nahm ihren Platz hinter der Schreibmaschine ein. »Du weißt doch, daß wir heute abend mit Alex Kröger verabredet sind. Er will uns mit einem Herrn Kunze bekannt machen, der sehr gute Beziehungen haben soll.«
»Es gefällt mir nicht, immer neue Menschen in diesem Zusammenhang kennenzulernen, Pia.«
»Was ist nur los mit dir? Ist der Besuch deiner Frau an deinen spießbürgerlichen Anwandlungen schuld? Liebst du sie vielleicht noch?« fragte Pia.
»Aber nein, Pia. Ich möchte nur nicht ins Gefängnis kommen. Bei derartigen Geschäften steht man mit einem Fuß immer im Knast. Das weißt du genauso gut wie ich.«
»Na ja du hast recht.« Pia kaute am Kugelschreiber. »Doch es wäre Blödsinn, immer daran zu denken. Man darf kein Angsthase sein.« Sie lachte ihn an. »Geh, mach’ kein so verdrießliches Gesicht.«
»Aus deinen Worten spricht jugendlicher Leichtsinn, Pia. Als ich einundzwanzig war, hatte ich auch weniger Skrupel. Aber vergiß nicht, daß ich fast fünfunddreißig bin.«
»Dieses Alter sieht man dir nicht an. Außerdem habe ich immer ein Faible für ältere Männer gehabt. Ich liebe dich, Guido.«
»Ich dich auch, Pia. Obwohl ich mir manchmal sage, daß du in gewisser Weise mein Untergang bist.«