MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 2). Robert Mccammon

MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 2) - Robert Mccammon


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geworden war. Unter den anderen Gläsern spielte sich das Gleiche ab.

      »Wir werden das Blut noch eine Weile emporsteigen lassen.« Dr. Shields steckte die Handschuhe in seine Tasche. »Diese Prozedur entleert nämlich die stehenden Blutpfützen in seinem Körper.«

      Matthew sah nur noch groteske Schwellungen. Er mochte gar nicht daran denken, was dem Körper des siechenden Richters zugemutet wurde. Um nicht weiter über dieses beunruhigende Thema nachzudenken, fragte er: »Und plant Ihr, noch lange in Fount Royal zu bleiben?«

      »Nein, ich glaube nicht. Bidwell bezahlt mir ein Gehalt, und er hat auch eine wirklich schöne Krankenstube gebaut, die mir zur Verfügung steht, aber … ich vermisse meine Frau. Und Boston auch. Daher werde ich, sobald es mit Fount Royal wieder vorangeht und die Bevölkerung gesund ist und wächst, nach einem Nachfolger für mich Ausschau halten.«

      »Und was ist es, das Ihr so gern erreichen wollt, Sir?«

      Dr. Shields legte den Kopf schief. Der Hauch eines Lächelns umspielte seinen Mund, aber seine eulenhaften Augen waren wie aus Stein. »Ihr seid wie eine Ziege im Rosengarten, wisst Ihr das?«

      »Ich bin stolz auf meine Beharrlichkeit, wenn Ihr das meint.«

      »Nein, das meine ich nicht, aber ich werde diese ziemlich zudringliche Frage beantworten, obwohl es mir widerstrebt, noch Öl auf Eure Flammen zu gießen. Was ich gern erreichen möchte – was ich hoffe, zu erreichen – sind zweierlei Dinge. Erstens, dass ich beim Bau einer Siedlung geholfen habe, die zu einer großen Stadt wird. Und zweitens, dass das Krankenhaus von Fount Royal nach mir benannt wird. Ich habe vor, hierzubleiben, bis ich beides miterleben kann.« Er fasste das zuerst angesetzte Schröpfglas an, um sich zu vergewissern, dass es noch festsaß. »Rachel Howarths Einfluss«, sagte er, »hat das Voranstreben der Siedlung leider unterbrochen. Aber sobald ihre Asche begraben ist – oder verstreut, oder was auch immer Bidwell damit vorhat – wird unser Elend ein Ende haben. Und das schöne Wetter hat nun auch die Sumpfdünste verbannt. Bald wird die Einwohnerzahl wachsen, sowohl durch neu Hinzugezogene als auch durch mehr Geburten von gesunden Säuglingen. Ich denke, dass Fount Royal innerhalb eines Jahres wieder an dem Punkt angelangt sein wird, an dem es vor all diesen … Ereignissen war. Und ich werde mein Möglichstes tun, bei diesem Wachstum zu helfen, und der Nachwelt meine Spuren und meinen Namen hinterlassen, bevor ich nach Boston zu meiner Frau zurückkehre – an den Busen der Kultur und zu den Annehmlichkeiten der Stadt.«

      »Das sind bewundernswerte Ziele«, sagte Matthew. »Ich nehme an, dass es Euch in Boston weiterhelfen würde, wenn ein Krankenhaus nach Euch benannt ist.«

      »Das würde es. Ein Brief von Bidwell, in dem das neben seiner Dankbarkeit für meine Dienste erwähnt wird, könnte mir einen Platz als Teilhaber in einer Arztpraxis sichern, der mir sonst vielleicht verwehrt wäre.«

      Matthew wollte gerade fragen, ob Bidwell von der Motivation und den Plänen des Arztes wusste, als es an der Tür klopfte. »Wer ist da, bitte?«, fragte Shields.

      »Nicholas«, ertönte die Antwort. »Ich wollte schauen, wie es dem Richter geht.«

      Matthew fiel sofort auf, wie Dr. Shields Auftreten sich veränderte; nicht einschneidend, aber doch auffallend. Das Gesicht des Arztes schien sich zu verspannen, und sein gesamter Körper versteifte sich, als hätte ihn eine unsichtbare Hand am Hals gepackt. Als Shields antwortete, klang selbst seine Stimme schärfer. »Der Richter ist gerade unpässlich.«

      »Oh … nun gut. Ich komme später wieder.«

      »Wartet!« Woodward hatte sich die Sassafraswurzel aus dem Mund gezogen und flüsterte Matthew zu: »Bitte Mr. Paine herein.«

      Matthew ging zur Tür und konnte Paine noch aufhalten, bevor der die Treppe erreicht hatte. Als Paine das Zimmer betrat, beobachtete Matthew das Gesicht des Arztes und sah, dass Shields den Mann keines Blickes würdigte.

      »Wie geht es ihm?« Paine war an der Tür stehen geblieben.

      »Ich sagte bereits, dass er indisponiert ist«, gab Shields in auffällig kaltem Tonfall zurück. »Das seht Ihr doch.«

      Paine zuckte leicht zurück, als er die sechs Schröpfgläser mit der schwärzlichen Haut darunter sah, ging aber zu Matthew an die Seite des Betts, um dem Richter ins Gesicht sehen zu können. »Guten Abend«, sagte er und bemühte sich, ein Lächeln zustande zu bringen. »Wie ich sehe … kümmert Dr. Shields sich um Euch. Wie fühlt Ihr Euch?«

      »Mir ist es … schon mal wesentlich besser gegangen«, sagte Woodward.

      »Da bin ich mir sicher.« Paine verging das Lächeln. »Ich wollte Euch nur sagen … dass ich Euer Urteil von ganzem Herzen billige, Sir. Und dass Eure Anstrengungen – und auch die Eures Gerichtsdieners – äußerst löblich waren.«

      »Danke«, sagte Woodward, dem fast die Augen zufielen.

      »Kann ich Euch irgendetwas bringen?«

      »Ihr könnt wieder gehen«, sagte Shields. »Ihr mutet seinen Kräften zu viel zu.«

      »Oh. Verzeihung. Ich will ja keinen Schaden anrichten.«

      »Tut Ihr nicht.« Woodward rang keuchend nach Atem. Seine Nasenlöcher waren grün verkrustet. »Ich danke Euch … dass Ihr Euch die Zeit … und Mühe gemacht habt … nach mir zu schauen.«

      »Ich wollte Euch auch noch sagen, Sir, dass der Pfahl für die Hexenverbrennung zurechtgehackt ist. Soviel ich weiß, hat Mr. Bidwell noch nicht entschieden, wo die Verbrennung stattfinden soll, aber es wird wohl auf eins der unbestellten Felder an der Fleißstraße hinauslaufen.«

      »Ja.« Woodward schluckte mühsam. »Das sollte gehen.«

      Shields griff nach dem ersten Schröpfglas und zog es von Woodwards Rücken. Der Richter schnitt eine Grimasse und biss sich auf die Lippe. »Ich denke, Ihr solltet jetzt gehen«, sagte der Arzt zu Paine. »Oder möchtet Ihr bei dieser Prozedur assistieren?«

      »Ähm … ja, ich gehe dann wohl.« Paine schien Matthew trotz seiner reichen Lebenserfahrung doch etwas grün im Gesicht zu werden. »Herr Richter, ich schaue später noch einmal nach Euch.« Er warf Matthew einen mitleidigen Blick zu und wandte sich zur Tür.

      »Mr. Paine?«, flüsterte Woodward. »Bitte … darf ich Euch etwas fragen?«

      »Aber ja, natürlich.« Paine kehrte ans Bett zurück und beugte sich über den Richter, um ihn besser hören zu können.

      Shields entfernte das zweite Schröpfglas. Wieder zuckte Woodward zusammen, und diesmal wurden seine Augen feucht. »Wir … haben eine Gemeinsamkeit«, sagte er.

      »Haben wir das, Sir?«

      »Eure Frau. Ich habe gehört, dass sie Anfälle hatte, an denen sie schließlich gestorben ist. Ich wollte Euch sagen … dass mein Sohn … an Anfällen gestorben ist … die durch die Pest verursacht wurden. Hatte Eure Frau … auch die Pest?«

      Dr. Shields Hand lag auf dem dritten Schröpfglas, aber er nahm es Woodward noch nicht vom Rücken.

      Nicholas Paine starrte den Richter an. Matthew sah, wie eine Ader an Paines Schläfe zuckte. »Ich befürchte, Ihr irrt Euch, Sir«, sagte Paine mit seltsam hohl klingender Stimme. »Ich bin nie verheiratet gewesen.«

      »Dr. Shields hat es mir gesagt«, fuhr Woodward mühsam fort. »Ich weiß … es ist nicht leicht, über so etwas zu sprechen. Glaubt mir, ich weiß es wirklich.«

      »Dr. Shields«, wiederholte Paine, »hat es Euch gesagt?«

      »Ja. Dass sie unter Anfällen litt, bis sie gestorben ist. Und dass … es möglicherweise die Pest gewesen war.«

      Shields entfernte das dritte Schröpfglas und steckte es fast geräuschlos in seine Tasche.

      Paine leckte sich über die Unterlippe. »Es tut mir leid«, sagte er. »Aber ich fürchte, dass Dr. Shields sich genauso irrt wie …« In diesem Moment sah er den Arzt an, und Matthew fiel auf, was daraufhin passierte.

      Irgendetwas spielte sich zwischen Paine und Shields


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