Der Bergpfarrer Staffel 8 – Heimatroman. Toni Waidacher
schüttelte er die Hand der Frau.
»Sie haben übrigens einen prachtvollen Burschen«, sagte er zum Abschied. »Er will bestimmt mal Fußballspieler werden, was?«
»Und ob«, lachte Max’ Mutter. »Am liebsten bei Bayern München.«
»Dann wünsch’ ich ihm viel Erfolg, und kommen S’ doch mal nach St. Johann. Es ist eine sehr schöne Gegend dort.«
Annette Brechtler zuckte die Schultern.
»Wenn die Angela den Hof übernommen hat und dort Bäuerin ist – wer weiß…?«
Der Geistliche fuhr nach unten. Die Buben spielten immer noch, und er winkte ihnen zu. Dann setzte er sich in den Wagen und fuhr nachdenklich zur Villa zurück.
Aus den schönen Tagen, auf die Maria und Richard gehofft hatten, würde wohl nichts werden. Er würde nach Nürnberg fahren müssen. Aber immerhin wollte er noch den Abend bei den Freunden verbringen.
*
Das große Kaufhaus in der Nürnberger Innenstadt hatte vier Etagen. Unten wurden Dinge des täglichen Bedarfs verkauft, im ersten und zweiten Stockwerk gab es Mode für Damen und Herren, in der dritten Spielwaren, während das Restaurant in der obersten Etage untergebracht war.
Sebastian Trenker fuhr mit der Rolltreppe in die Herrenmodeabteilung und schaute sich um. Mehrere Kunden suchten an den Ständen nach passenden Kleidungsstücken und nahmen dankbar die Ratschläge der adretten Verkäuferin an. Wahrscheinlich, weil es Mittag war, und die meisten Leute jetzt ihre Pause nutzten, um einzukaufen, herrschte reger Betrieb. Der Geistliche schlenderte durch die Abteilung und stellte dabei fest, daß er sich schon lange keine Kleidung mehr gekauft hatte. Allerdings brauchte er recht wenig. Was er am meisten anzog, waren seine Soutanen oder die Wanderkleidung, wenn er in den Bergen unterwegs war. Ein paar der Sachen gefielen ihm schon, aber eigentlich war es Max, der ihm zum Geburtstag oder zum Christfest einen neuen Pullover oder Schal schenkte.
Aber um einzukaufen war Sebastian auch nicht hergekommen. Nach einem ausgiebigen Frühstück hatte Richard Anzinger ihn zur Bahn gebracht. Nachdem der Bergpfarrer seine Reisetasche in einem Schließfach deponiert hatte, war er zu der Adresse gefahren, die Annette Brechtler ihm aufgeschrieben hatte. Er rechnete zwar nicht damit, daß Angela Hofmeister heute ihren freien Tag haben könnte, aber einen Versuch war es immerhin wert. Gleichzeitig konnte er sich so auch ein Bild von ihren Lebensumständen machen.
Das Haus stand in einer kleinen Nebenstraße. Es hatte einen kleinen Vorgarten und sah recht hübsch aus. An der Tür waren zwei Klingeln angebracht, auf der einen stand der Name der jungen Frau.
Als auf sein Klingeln niemand öffnete, drückte Sebastian den anderen Knopf. Nach kurzer Zeit machte eine ältere Dame auf, die den Seelsorger fragend anschaute.
»Grüß Gott, mein Name ist Pfarrer Trenker«, stellte der Geistliche sich vor. »Ich wollt’ zu der Frau Hofmeister, aber wie’s ausschaut, ist sie net daheim.«
Die alte Dame schüttelte den Kopf.
»Nein, die ist zur Arbeit«, erwiderte sie.
»Das hab’ ich mir fast gedacht«, lächelte Sebastian. »Können S’ mir vielleicht sagen, wo Frau Hofmeister arbeitet? Wissen S’, ich komm’ extra aus St. Johann und müßt’ sie in einer Familienangelegenheit sprechen.«
»Ach, kommen S’ doch herein, Hochwürden«, sagte Elvira Wirtmeyer. »Das müssen wir ja net zwischen Tür und Angel besprechen.«
Der Bergpfarrer wäre nicht verwundert gewesen, wenn die alte Dame ihm die Tür gewiesen hätte. Schließlich kam es immer wieder vor, daß sich Trickbetrüger, in der Maske eines Gottesmannes, zu den Wohnungen alter Leute Zutritt verschafften und sie um ihre Ersparnisse brachten, wenn nicht gar Schlimmeres.
Angela Hofmeisters Hauswirtin indes hegte keinen Argwohn gegen den Fremden. Zwar sah der Besucher keineswegs so aus, wie man sich landläufig einen Pfarrer vorstellte, aber die alte Dame verfügte über eine gewisse Menschenkenntnis und war überzeugt, daß dieser Geistliche kein Betrüger war.
»Darf ich Ihnen was zu Trinken anbieten?« fragte sie, nachdem sie sich in das gemütlich eingerichtete Wohnzimmer gesetzt hatten. »Ich könnt’ uns doch einen Kaffee kochen.«
»Machen S’ sich bitte keine Umstände«, wehrte Sebastian ab. »Ich will Sie auch gar net lang’ aufhalten.«
»Ach, Hochwürden, wissen S’, ich komm’ net mehr so oft unter die Leute«, erwiderte Elvira Wirtmeyer. »Da freu’ ich mich über jeden Besucher.«
Sie ließ sich nicht davon abhalten, Kaffee zu kochen und servierte dazu einen Teller mit selbstgebackenen Keksen.
»Greifen S’ mir zu«, forderte sie Sebastian auf. »Die hat die Angela gebacken.«
»Sie ist Ihre Mieterin?«
»Ja, als mein Mann und ich das Haus vor dreißig Jahren bauten, da hatten wir noch die Hoffnung, Kinder zu bekommen und haben gleich entsprechend groß geplant.«
Sie setzte sich dem Besucher gegenüber.
»Na ja, leider ist nix draus geworden, und nachdem mein Mann vor ein paar Jahren verstarb, da hab’ ich die oberen Räume vermietet, damit ich net ganz so einsam bin.«
Die alte Dame trank einen Schluck Kaffee. Dann beugte sie sich über den Tisch und lächelte.
»Wissen S’, mit der Angela hab’ ich einen rechten Glücksgriff getan«, fuhr sie fort, zu erzählen. »Wir haben uns gleich von Anfang an verstanden. Es ist nur schad’, daß das Madl immer noch keinen Mann gefunden hat, der zu ihm paßt. Dabei ist die Angela eine wunderhübsche Frau und zusammen wohnen könnten s’ hier auch. Platz ist genug.«
Sebastian nahm diese Mitteilung mit einer gewissen Erleichterung auf. Daran, daß Angela Hofmeister möglicherweise gebunden sein könnte, hatte er auch schon gedacht. Unter solchen Umständen wäre sie vielleicht gar nicht bereit gewesen, in die Heimat ihrer Mutter zurückzukehren.
»Sie sagten, es geht um eine Familienangelegenheit?« erkundigte sich Elvira Wirtmeyer. »Ich will ja net neugierig sein – aber soweit ich weiß, hat die Angela gar keine Verwandten mehr…«
»Das mag vielleicht inzwischen stimmen«, erwiderte der Seelsorger. »Wenn sie keine Verwandten väterlicherseits mehr hat. Aber bis vor ein paar Wochen lebte der Vater ihrer Mutter noch. Deshalb such’ ich sie ja.«
Die alte Dame war nicht weniger verwundert, als Annette Brechtler, als sie das hörte.
»Also, davon weiß die Angela bestimmt nichts«, sagte sie kopfschüttelnd.
»Das will ich Ihnen gern’ glauben«, sagte Sebastian. »Aber es ist so. Angelas Mutter ist vor über zwanzig Jahren von daheim fortgelaufen und hat den Kontakt zu ihrem Vater abgebrochen. Über die Gründe kann ich Ihnen nichts sagen, die bleiben mir selbst verborgen. Und ich vermute, daß Katharina Hofmeister nie mit ihrer Tochter darüber gesprochen hat. Das Madl kann also gar net wissen, daß der Großvater bis vor kurzem noch lebte.«
»Dann hat die Angela wohl geerbt…?«
»Ja, sie ist die einzige noch lebende Nachfahrin des alten Urban Ahringer und hat damit Anspruch auf das Erbe, den Ahringerhof im Wachnertal.«
»Ach, du liebe Güte! Dann wird sie wohl dort hinziehen?«
Der Geistliche zuckte die Schultern.
»Ich hoff’ es jedenfalls. Es ist ein sehr schöner Hof, den zu erhalten sich lohnt, und eine Bäuerin wird dort dringend gebraucht.«
»Aber die Angela versteht doch gar nix von der Landwirtschaft.«
»Das läßt sich lernen«, meinte Sebastian zuversichtlich. »Außerdem ist da noch ein tüchtiger Knecht.«
»Hm«, meinte Angelas Vermieterin, »dann muß ich mich wohl mit dem Gedanken vertraut machen, daß ich früher oder später nach einem neuen Mieter Ausschau halten muß.«
»Wahrscheinlich