Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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war nur gering, denn alles, was sie erlauschte und verstand, drehte sich unablässig um drei Dinge: »Dolores – zum zweitenmal gerettet – wer hätte gedacht, daß sie schreien würde. –« – – –

      Daraus konnte sie sich keinen Vers machen.

      ***

      Der Haushalt in Monrepos wurde einige Tage nach dem Unfall am Hexenloch aufgelöst, und die herzogliche Familie nahm herzlichen und warmen Abschied von Dolores, welche das Versprechen geben mußte, den Hochzeiten in Nordland beizuwohnen – ersterer als Verwandte des Bräutigams, letzterer als Freundin und Palastdame der künftigen Großherzogin Alexandra, welche ihr versprach, das Patent rechtzeitig von ihrem hohen Verlobten zu erbitten. Dolores war tief bewegt von soviel Güte und wahrhaft tiefe Herzensbildung verratendem Entgegenkommen, doch Prinzeß Alexandra, welche ihr etwas altjüngferliches Wesen mit einem Schlage abgeworfen zu haben schien, wollte davon nichts einräumen, sondern schob alles auf die glänzenden äußeren und inneren Eigenschaften der einst so angezweifelten Herrin vom Falkenhof, welche das Vorurteil so rasch besiegt und gründlich ausgerottet hatte, das man gegen sie gehegt. Und als dann Dolores versicherte, dieser Sieg sei der schönste ihres Lebens, und sie fühle sich so hoch erhoben und beglückt durch die Freundschaft der hohen Frau, daß es wahrlich nicht noch jenes vielbeneideten und heißersehnten Titels einer Palastdame bedürfe, um ihr das kostbare Gut dieser Freundschaft gewissermaßen auf dem Wege eines Gnadenaktes verbrieft und versiegelt zuzusichern, da sagte Prinzeß Alexandra mit jenem feinen Takt und jener seltenen Gabe, welche ein Geschenk wert macht durch die Absicht:

      »Nein, liebe Dolores, Ihre Ernennung soll auch kein Gnadenakt sein, keine sogenannte Rehabilitierung als Lehnsherrin vom Falkenhof nach Ihrer Bühnenlaufbahn, am allerwenigsten aber ein leerer Schall – aber ich will's Ihnen bekennen, was ich dabei im Auge habe. Sie würden in Ihrer Bescheidenheit von selbst ja doch nicht kommen, mich aufzusuchen, Sie würden sogar eine Einladung ablehnen aus demselben Motiv – aber Sie müssen kommen, wenn Ihr Amt Sie ruft, bei besonderen Gelegenheiten Dienst zu thun bei mir. Sie sehen also, daß Ihr Patent nur mein Anrecht an Sie verbriefen und den schnödesten selbstsüchtigsten Motiven dienen soll.«

      Was konnte Dolores thun dieser herzgewinnenden Art, zu geben, gegenüber? Sie konnte nur geben, was so geboten wurde, und daß es ein warmes Gefühl im eigenen Herzen verursachte, war eine ganz natürliche Folge.

      Doch ehe es leer wurde und still in Monrepos, waren es drei Dinge, die ihr Schmerzen verursachten und Pein. Das erste war Falkners Abschied. Er war am Morgen nach dem Unfall abgereist, ohne sie gesehen zu haben, ohne Wort, ohne Botschaft. Sie mußte ihn dafür um so höher achten, er stieg darum in ihrer Bewunderung, und sie sagte sich auch, daß er als Ehrenmann nur so handeln durfte – aber es schmerzte sie darum doch, und sie war noch nicht so gestählt im Entsagen, daß es sie nicht mit Bitterkeit gegen ihr Schicksal und tiefstem Schmerz erfüllt hätte. Und dabei bäumte ihr Stolz sich in heftigen Selbstvorwürfen auf, daß es ihm gelungen war, ihr das Geständnis ihrer Liebe zu entreißen, gegen ihren festen Willen, der so stark gewesen, und ihr reines, thörichtes Herz so schwach. – – – – –

      Und Pein machte ihr dann der Erbprinz, dessen Augen mit stummen Fragen auf sie gerichtet waren, dem sie jetzt nicht um alles in der Welt hätte sagen können, daß sie seine Werbung nicht annehmen könnte, weil eine hoffnungslose Liebe es ihr so bald schon unmöglich mache, einen Bund fürs Leben zu schließen. Und aus diesem Grunde mied sie es, mit ihm allein zu sein, und als er an einem der letzten Tage dennoch Gelegenheit fand, sie ohne Zeugen zu sprechen, das heißt ihr einfach zu sagen:

      »Scheide ich mit oder ohne Hoffnung? Sagen Sie mir nur soviel!« – da rang sie stumm die Hände und erwiderte dann schmerzlich:

      »Sie müssen mir Zeit lassen, Prinz! Ich bin ja noch nicht fertig mit mir selbst. Soll ein entscheidendes Wort aber heute noch fallen, so ist es ein ›Nein.‹«

      »Ich werde warten,« hatte er einfach geantwortet.

      Der dritte aber, der ihr Pein verursachte, war Keppler, welcher auch bis zum letzten Moment bleiben mußte, an seinen Porträts beider Prinzessinnen zu malen, um dieselben für die letzten Lasuren und Retouchen in seinem Atelier fertig zu stellen. Er kam, um von ihr Abschied zu nehmen, mit finsteren Zügen, wie ein Fremder zurückhaltend, so daß sie verwundert den Kopf schüttelte.

      »Was habe ich Ihnen gethan?« fragte sie sanft und vorwurfsvoll.

      »Mir? Nichts und alles,« erwiderte er, »aber Sie haben sich selbst am meisten getroffen.«

      »Können Sie mir's immer noch nicht vergeben, daß ich zur Bühne nicht zurückkehren will?« sagte sie mit mattem Lächeln, aber freundlich.

      »Das wäre der eine Punkt,« gab er nach einer Pause zu. »Ich hoffe aber, Sie haben Ihr Ultimatum darin noch nicht gesprochen.«

      »Doch, lieber Freund, es ist entschieden.«

      »Es ist eine himmelschreiende Sünde an der Kunst. Sie hätten berühmt werden können wie die Catalani und die Malibran und der erbleichende Glanz des Sternes einer Patti fing an, auf Sie überzugehen!« rief Keppler, aufrichtige Überzeugung im Tone.

      »Man soll nach den Sternen nicht begehren,« erwiderte Dolores, mit einem Versuche zu scherzen.

      »Sie thaten es einst – warum jetzt nicht mehr?« fragte er erregt.

      Sie errötete tief und sah zur Seite.

      »Ich kann nicht – diese Sterne haben ihren Reiz für mich verloren, ich begehre sie nicht mehr.«

      Da seufzte er tief, fast ungeduldig.

      »Was würden Sie von mir sagen, würfe ich eines Tages Pinsel und Palette ins Feuer und sagte: Ich kann nicht mehr malen.«

      »Ich habe ja aber nur Schminke und Puderquasten und falschen Hermelin ins Feuer geworfen,« entgegnete Dolores. »Mir bleibt meine Musik für alle Zeit, und ich hoffe noch manches Lied zu ersinnen, das ›den Komponisten der Satanella‹ dem Herzen näher bringt – Sie wissen, solch' ein Lied, von dem Geibel sagt:

      Es singen's bald zu Nacht am Born

       Die Mägde mit den Krügen;

       Der Jäger summt es vor sich her,

       Spürt er im Buchenhage,

       Der Fischer wirft das Netz ins Meer

       Und singt's beim Ruderschlage.

      Hat dieser Ehrgeiz Grenzen, welche Ihnen weit genug dünken für mich? Muß ich denn durchaus dabei noch heut' den armen Lohengrin fragen, woher er kommt, morgen dem Troubadour versichern, daß ich unter Thränen lächle und übermorgen als Traviata an der Schwindsucht sterben?«

      Keppler mußte unwillkürlich lächeln.

      »Mit Frauen läßt sich nicht logisch streiten,« sagte er, »aber ich will ja auch nicht weiter forschen, denn Sie würden mir ja doch nicht sagen, was diese Wandlung in Ihnen bewirkt hat. Nur eine Frage muß ich thun: Haben Sie hier schon komponiert?«

      »Im Anfang schrieb ich ein paar Lieder,« erwiderte sie zögernd.

      »Und seitdem nichts mehr?«

      »Nichts.«

      »O, was hat dieser Falkenhof aus Ihnen gemacht!« rief er schmerzlich.

      »Es hat doch jeder Mensch einmal im Jahre Ferien,« meinte Dolores, mit einem Versuche gleichgültig zu bleiben.

      »Als ob Ihnen das Schaffen, das Denken in Tönen eine Arbeit wäre, die der Erholung bedürfte,« entgegnete Keppler finster. »Ihre Schwingen sind Ihnen eben salonfähig gestutzt worden, und man hat dabei leider auch die ganze Schwungkraft derselben gelähmt. Ist's nicht so?«

      »Vielleicht,« nickte sie etwas kühl.

      »Soweit wäre es nie gekommen, wenn Sie meine Frau hätten werden wollen,« rief er heftig.

      »Vielleicht,« wiederholte sie, blaß werdend, aber eben so ruhig.

      Da sprang er auf und trat dicht vor sie hin.

      »Dolores,«


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