Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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Ich bin jetzt mit den Arrangements fertig, was soll ich anfangen?«

      »Wir wollen zusammen lesen, zusammen studieren,« schlug Falkner vor, der schon manche Lücke im Wissen seiner kleinen Frau entdeckt hatte. Sie aber streckte abwehrend beide Hände aus und machte die Augen vor Entsetzen weit auf.

      »Um Gottes willen!« rief sie. »Lesen? Studieren? Ich danke bestens. Ich bin kaum der ewigen, unausstehlichen Schulstube entronnen, und soll jetzt wieder damit anfangen? Dazu habe ich doch nicht geheiratet?«

      »Aber Lolochen, man soll doch niemals aufhören zu lernen und sich zu bilden,« erwiderte Falkner freundlich und ohne hofmeisternden Ton.

      »Das ist purer Unsinn,« meinte Lolo mit souveräner Verachtung. »Ich habe aufgehört zu lernen, und wer mir schon solch' langweiliges Geschichtsbuch von weitem zeigt, der macht mich ganz wild. Ich bitte dich um alles in der Welt, es ist doch so egal, ob Kolumbus das Pulver erfunden und Berthold Schwarz Amerika entdeckt hat –«

      »Umgekehrt, Lolo,« sagte Falkner mehr amüsiert, als entsetzt.

      »Da hast du's,« entgegnete Lolo überlegen, »das Pulver ist da und Amerika ist da, was braucht man damit geplagt zu werden, wie die Leute hießen, die es entdeckt haben? Und die römischen und deutschen Kaiser vollends, die sind mir riesig egal, ob sie Nero hießen oder Ferdinand, und wenn du mich auf die Litteratur bringst, da wirst du auch kein Glück haben mit mir, denn dann erklärte ich dir im voraus, daß Goethe der langweiligste Mensch von der Welt war und Schiller mich nervös macht, trotzdem, oder vielmehr, weil ich habe den ›Grafen von Habsburg‹ auswendig lernen müssen.«

      »Vielleicht eben deshalb, Lolo,« erwiderte Falkner amüsiert. »Aber ich hoffe, daß es mir gelingen wird, dir eine bessere Meinung über diese Plagegeister beizubringen. Und es giebt doch auch gewisse Dinge in Litteratur und Geschichte, welche man wissen muß, wenn man auf der Straße allgemeiner Bildung fortkommen will.«

      »Na, dann danke ich schön, dann mag ich gar nicht gebildet sein,« gestand sie mit verblüffender Offenheit. »Und das war deine Idee, mich lernen und studieren zu lassen? Da möchten ja die Hühner darüber lachen! Als ob ich dazu geheiratet hätte!«

      »Bitte, und wozu hast du sonst geheiratet?« fragte Falkner, diese Offenherzigkeiten immer noch nicht ernst nehmend.

      »Wozu? Das ist doch sonnenklar: um mit dir zusammen zu sein, und um mich zu amüsieren.«

      »Aha!« machte er mit einem lächelnden Kompliment. »Ich fühle mich sehr geschmeichelt, daß du mich als erste Ursache nahmst. Was nun die zweite anbelangt, so wirst du dich schon noch etwas gedulden müssen, denn der Herzog wünscht einmal, daß wir bis zum Herbst hier bleiben, und hat dir außerdem Monrepos so wunderhübsch ausgestattet, daß es ihn kränken würde, wenn du seiner Gabe so bald schon müde würdest.«

      »Das ist doch aber wieder eine schändliche Tyrannei, uns hier festzuhalten,« rief sie heftig und verzog das Mündchen wie zum Weinen.

      »Ich habe diese Bestimmung, welche überdies die taktvolle Form eines Vorschlages hatte, als liebevolle Fürsorge und Zuvorkommenheit aufgefaßt,« erwiderte Falkner ernst werdend und etwas scharf.

      »Tyrannei ist es, nichts weiter,« widersprach Lolo noch heftiger. »Aber ich werde ihnen zeigen, daß ich mich davon frei zu machen weiß,« setzte sie trotzig hinzu.

      Falkner sah sie einen Moment fest und prüfend an.

      »Also willst du abreisen?« fragte er ruhig.

      »Ja, ja, reisen wir ab,« rief sie lustig, sprang auf und schlang ihre Arme um seinen Hals. »Ich hab's ja immer gesagt, daß du ein kolossal vernünftiges altes Haus bist,« jubelte sie.

      »Aber du hast mich mißverstanden, Lolo, es ist mir nicht im Traume eingefallen, die in wahrhaft väterlicher Güte für uns entworfenen Pläne des Herzogs wie ein undankbarer Rüpel über den Haufen zu werfen, trotzdem ich eine geregelte, bestimmte Arbeit sehr vermisse.«

      Sie ließ langsam die Arme sinken.

      »Also damit wär's nichts,« seufzte sie resigniert.

      »Nein,« erwiderte er ruhig, und als sie sich darauf wieder setzte, fragte er herzlich: »Hast du's denn schon satt, Lolo, bei mir zu sein? Bist du meiner ausschließlichen Gesellschaft schon überdrüssig?«

      »Nun, es könnte schon ein bißchen mehr los sein,« erwiderte sie mit so drolliger Ehrlichkeit, daß es nicht gut übel zu nehmen war. Falkner mußte auch darüber lächeln.

      »Aber Kind, wir können Monrepos jetzt nicht verlassen,« meinte er.

      »Ach nein,« sagte sie, »das habe ich mir gleich gedacht. Aber weißt du, Alfred, wir könnten es in Monrepos selbst lustiger machen – durch Gäste.«

      Er sah sie einen Moment ernst an, dann mußte er wieder lächeln.

      »Also doch schon meiner überdrüssig, Lolo?«

      Sie errötete tief und ward sichtlich verlegen.

      »Unsinn,« rief sie verwirrt, »siehst du denn nicht ein, daß man sich zu zweien einmal ausspricht, daß man sich lächerlich macht, wenn man so lange, abgeschieden von der Welt, wie ein paar Turteltauben in einem nid d'amour sitzt?«

      »Lolo,« sagte Falkner ernst, fast traurig.

      »Jawohl, lächerlich!« rief sie rechthaberisch und eigensinnig. »Es hat schon genug Aufsehen gemacht, daß ich dich geheiratet habe, aber die Welt muß sich ja begraben vor Lachen, wenn sie sieht, daß wir nichts thun wollen als zu zweien zu kosen!«

      Falkner antwortete nicht. Sein Blick wanderte von ihren erregten Zügen hinaus ins Grüne und nach der Richtung des Falkenhofes – – –

      »Sie ist noch ein halbes Kind,« dachte er mit einer gewaltsamen Anstrengung, gerecht zu sein. Und sich selbst überwindend, wandte er sich wieder zu ihr und streckte ihr die Hand über den Frühstückstisch entgegen.

      »Lolo, nicht wahr, du hast das alles nicht im Ernst gesagt und gemeint?« fragte er freundlich.

      »Doch nicht etwa im Spaß?« fragte sie zurück, ohne seine Hand zu sehen. Aber er überwand sich nochmals.

      »Das wär' aber doch die einzig mögliche Auslegung,« meinte er etwas ernster und mit Betonung. Da sah sie ihn betroffen an.

      »Das seh' ich nicht ein!«

      »O, wenn du nur willst, Lolo –«

      »Nun gut, dann will ich nicht,« entgegnete sie heftig.

      Jetzt zog Falkner seine Hand zurück.

      »Eleonore!«

      Sie erblaßte ein wenig, als er ihren vollen Namen aussprach, ernst, verweisend, schmerzlich fast. Aber ihr Trotz bäumte sich um so höher auf.

      »Eleonore Luise Wilhelmine Friederike ist mein voller Taufname,« sagte sie schnippisch, und als er jetzt Miene machte, sich zu erheben, fügte sie hinzu: »Nein, nein, Alfred, ich gebe nicht nach, wenn du auch à la Jupiter donnerst. Sei doch nicht so garstig.«

      »Wir können Monrepos jetzt nicht verlassen,« erwiderte er beherrscht und sehr kühl.

      »Aber ich sagte dir doch, wenn wir Gäste hätten, könnten wir meinetwegen ja bleiben,« entgegnete sie nachlässig.

      »Wirklich?« fragte er, aber es klang mehr traurig als ironisch. »Dein Wunsch ist übrigens schon halb erfüllt, denn Keppler schrieb mir, er bedürfe noch ungefähr einer Woche zur Vollendung deines Porträts. Ich werde ihm also schreiben, daß er kommen mag!«

      »Aber der langweilige Farbenkleckser!« rief die junge Frau enttäuscht. »Ein geborner Bauernjunge!« setzte sie vorwurfsvoll hinzu.

      »Seine Bildung ist doch aber wohl für uns entscheidend, nicht wahr?« sagte Falkner. »Wenigstens mir imponiert ein wohlerzogener und gebildeter Bauernjunge mehr als eine ungezogene Prinzessin!«

      Wenn er mit dieser Bemerkung eine ernste


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