Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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machte er die Bekanntschaft Falkners.«

      »Des Erben vom Falkenhofe,« wiederholte Dolores leise wie für sich.

      »Ein Mann von Geist und Wissen,« fügte Keppler ebenfalls leise hinzu, »aber mitunter absprechend und kalt bis zur Rücksichtslosigkeit. Balthasar ist so ziemlich der einzige Künstler, dessen Salon er besucht –«

      »Also exklusiv und hochmütig ist er demnach,« fiel Dolores dem Maler ins Wort.

      »Man ist versucht, es manchmal so zu nennen,« sagte dieser achselzuckend, »Falkner liebt wohl die Kunst und erkennt das Genie rückhaltlos an, aber er mag nichts oder wenig von den Künstlern wissen.«

      »Also doch Hochmut,« warf Dolores ein.

      »Vielleicht, Señora. Aber er geht den Künstlern wenigstens nicht aus dem Wege, während er eine ausgesprochene Abneigung gegen –«

      Keppler stockte.

      »Nun?« fragte die Sängerin ruhig, »warum vollenden Sie nicht: während er eine ausgesprochene Abneigung gegen die Künstlerinnen hat.«

      »Señora –« sagte der Maler halb lachend, halb verlegen.

      »Warum nicht aussprechen, was der Betreffende so zur Schau trägt?« sagte sie achselzuckend, leicht, indem sie die Skizze fortlegte. Aber dabei entstieg ein tiefer Atemzug fast wie ein Seufzer ihrer Brust.

      Sie erhob sich und nahm ihre Handschuhe.

      »Wie, Sie wollen schon gehen, Señora?« rief der Professor und eilte auf sie zu.

      »Es ist spät, und ich bin müde,« erwiderte sie freundlich. »Die Partie der heutigen Oper war anstrengend. Es ist gar nicht so leicht, eine ›Teufelin‹ zu spielen,« setzte sie lächelnd, fast schalkhaft hinzu.

      »O Señora, singen Sie uns noch ein Lied, ein kleines Lied nur,« bat Frau Balthasar und geleitete Dolores zu dem offenen Flügel.

      Donna Dolores zögerte einen Augenblick, dann setzte sie sich an das Instrument und ließ die Hände präludierend über die Tasten gleiten. Und sie sang ein einfaches kleines Lied, kurz wie ein Intermezzo.

      Es hat die Rose sich beklagt,

       Daß gar zu schnell ihr Duft verwehe,

       Den ihr der Lenz gegeben habe.

      Da hab' ich ihr zum Trost gesagt,

       Daß er durch meine Lieder wehe

       Und dort ein ew'ges Leben habe.

      Und wie sang sie es! War diese süße, zauberische weiche Stimme dieselbe, die vordem das Teufelinnenlied von der Bühne herabgejauchzt? Wie eine Verheißung zog Wort und Ton durch das lautlose Gemach.

      Und atemlos lauschte der kleine Kreis, als Dolores geendet hatte und leise das Nachspiel erklingen ließ. Dabei schweifte ihr Blick dahin, wo die Skizze des Falkenhofes auf der Mappe lag, und es schimmerte feucht in ihren Augen. In weichen Mollaccorden löste sie die Melodie des Liedes des Mirza Schaffy auf und ging in eine andere über –

      Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit

       Klingt ein Lied mir immerdar –

      sang sie leise wie im Traum. Herzerschütternd schwollen die Töne des schlichten Volksliedes an, und durch die einfachen Worte klang es wie ein Schluchzen –

      O du Heimatflur, o du Heimatflur,

       Laß zu deinem heil'gen Raum

       Mich noch einmal nur, mich noch einmal nur

       Entfliehn im Traum.

      Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt

       Dir zurück, wonach du weinst;

       Und die Schwalbe singt, und die Schwalbe singt

       Im Dorf wie einst.

      Die süße Stimme verklang, und die Sängerin ließ die Hände herabsinken von den Tasten. Ihr gegenüber stand Alfred von Falkner, das Auge wie gebannt auf die Fremde gerichtet, die er vorhin so hart verurteilt hatte. Und das Lied –? Es stieg vor seinem geistigen Auge empor wie eine Erinnerung in verschwommenen Umrissen, als das Lied ertönte. War dieses Lied nicht einst in den Kreuzgängen des Falkenhofes erklungen von einer frischen, hellen Kinderstimme –? Er strich mit der Hand über die hohe Stirn und sann und sann – und es war ihm fast, als müsse er in den frohen Tagen seiner Jugendzeit, in den engen Grenzen der Knabenjahre die Gestalt eines Spielgefährten suchen – ja, da war's ihm, als höre er ein kurzes, helles, spöttisches Lachen –

      Und die Schwalbe singt, und die Schwalbe singt

       Im Dorf wie einst –

      sang Donna Dolores dort am Flügel die Schlußworte ihres Liedes – und versunken waren mit einem Male die abgeblaßten, vergessenen Gestalten – zerronnen in ein Nichts, aus dem sie entstanden.

      »Das nenne ich Musik,« rief Balthasar nach einer Pause und trat auf die Sängerin zu, »das bebte durch die geheimsten Fibern der Seele, denn es war mit dem Herzen gesungen!«

      Donna Dolores fuhr empor und richtete sich aufatmend hochauf. Dann lachte sie kurz, hell und spöttisch, daß Falkner zusammenzuckte, denn ihm kam dieses Lachen so bekannt vor – und ein dunkler Blitz aus ihren wunderschönen Augen huschte auf ihr Gegenüber.

      »Mit dem Herzen?« wiederholte sie laut und deutlich, »Sie irren, Professor Ich spielte heut' in der ›Satanella‹ mein eigenstes Selbst – nicht einen warmen Herzenston vermag ich anzuschlagen, eben weil ich kein Herz habe – –«

      Falkner zog die Stirn in Falten, als ihm die Sängerin seine eigenen Worte wie eine Spottdrossel wiederholte – dann zuckte er mit den Schultern, verächtlich, hochmütig.

      Da sprühten ihm die schwarzen Augen einen wahren Teufelinnenblick zu – es schien fast, als ginge ein rotes Feuer aus diesem Blick hervor – wieder lachte der feine, blaßrote Mund jenes seltsame, sinnverwirrende Lachen.

      »Sie sind ein guter Psycholog und Physiolog, Herr von Falkner,« rief ihm Donna Dolores zu – es waren die ersten Worte, die sie an ihn richtete, »Ihr feines Gefühl hat Sie nicht betrogen – ich selbst habe die ›Satanella‹ komponiert!«

      Ein allgemeines »Ah« der Überraschung erscholl, und Falkner biß sich auf die Lippen – er ärgerte sich mit einem Male über sein Urteil, er ärgerte sich, daß er recht hatte. Donna Dolores aber ließ ihre Hände wieder über die Tasten des Flügels gleiten, wild, wirbelnd erschollen die rauschenden Accorde, mit denen das Volk in der ›Satanella‹ den Holzstoß entzündet, um die Hexe zu verbrennen, die sich nun mit einem Male in das nimmer zu vertilgende, ewig lebende böse Prinzip, in den Fluch verwandelt, der auf der Welt seit ihrem Beginne ruht. Mächtig schwollen die Accorde an, und mächtig setzte die Stimme der Sängerin ein:

      Lebt wohl, so lang der Sonne Leuchten

       Verklärt des Weibes ew'ge Macht,

       So lang noch Leidenschaften glühen,

       So lang noch Schönheit lockend lacht,

       So lang noch Männerherzen brechen

       Betrogen durch ein falsches Weib,

       So lang, so oftmals kehr' ich wieder,

       In eurer Mitte stets ich bleib'!

       Entfacht der Flamme rote Gluten,

       Ihr schafft mich nicht aus dieser Welt,

       Denn wo sich Männerhochmut brüstet,

       Mein Scepter reiche Ernte hält.

       Ich wohn' in jedes Weibes Herzen,

       Ich beuge jedes Mannes Macht,

       Ich bin die Schlang' des Paradieses,

       Ich stifte Unheil – drum habt acht!

      Sie schloß mit einem rauschenden Accorde, durch den es wie das Knistern von Flammen klang, und sprang dann empor.

      »'s ist Zeit zur Ruhe


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