Marken müssen bewusst Regeln brechen, um anders zu sein. Dominic Multerer
ich heute in global orientierten Märkten? Für viele Inhaber oder Führungskräfte ist die Zeit im Alltag zu knapp, um sich damit zu befassen. Letztlich wurde das Denken im Sinne einer nachhaltigen Markenführung auch nicht gelernt. Ein Maschinenbauer verkaufte halt nur Maschinen, heute muss er sich behaupten und seinen (potenziellen) Kunden ein positives Bauchgefühl gegenüber seiner Marke vermitteln, damit diese dann einkaufen. Das Produkt ist austauschbar – Hersteller und Kunde erkennen das. Der Gedanke an Marke, eine klare Positionierung oder den Bruch mit Konventionen und Branchenregeln taucht häufig erst dann auf, wenn man mit dem Rücken schon an der Wand steht. Was dann folgt, ist oft Aktionismus. Werbung wird mit Marketing verwechselt und Marketing mit Marke. Wobei diese Missverständnisse schon lange vorher bestehen. Aber erst wenn sie zum Tragen kommen, haben sie fatale bis tragische Folgen.
Die Bekanntheit einer Marke wird bisweilen mit ihrem Wert verwechselt
Ein trauriges Beispiel ist die Marke »Opel«, wie ich finde. Jedes Kind kennt die Marke Opel. So gesehen ist Opel sehr »populär«. Hier liegt aber ein Missverständnis vor. Es wird die Bekanntheit mit der Stärke einer Marke – also ihrem eigentlichen Wert – verwechselt. Viele denken, eine Marke sei schon allein aus der Bekanntheit heraus wertvoll. Das ist zu kurz gesprungen. Es müsste stattdessen gefragt werden: Wofür steht die Marke Opel eigentlich? Denn eine Marke ist mit bestimmten Stärken und Schwächen aufgeladen. Die Marke Opel ist vor allem mit Schwächen aufgeladen. Der Großteil der relevanten Kunden nimmt sie nicht ernst oder wahr. Genau da liegt das Problem. Es ist in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen, Modelle zu bauen, die die Leute wirklich haben wollen. Die Kunden verbinden den Namen Opel im Vergleich zu den Mitbewerbern vor allen Dingen mit Schwächen. Das hat nichts mit der Technik zu tun, sondern einfach mit dem Image der Autos. Die Ursachen dafür liegen im Management und in dem fehlenden roten Faden der Markenführung; ständig wechselnde Verantwortliche, die dann auch noch die begleitenden Agenturen wechselten, verwässerten die Marke. Fragen Sie mal jemanden nach dem neuen ADAM? Ein geiles Auto, finde ich. Zehn Leute finden das Auto genial, aber davon würden wahrscheinlich nur zwei sich überlegen, diesen Wagen zu kaufen. Warum? Opel hat kein Image. Und eine Überlegung ist noch lange kein Kauf! Wer ist schon Opel? Marketing wurde durchaus betrieben, aber ein kontinuierlicher Markenaufbau wurde ständig unterbrochen. Wenn der Markenkern erst mal schlecht aufgeladen ist, können Sie machen, was Sie wollen. Es bringt nichts. Sie können dann keine »Markenreform« machen. Ein Markenneuanfang ist der einzig mögliche Weg. Dann aber radikal.
Ich höre jetzt schon die Ersten sagen: Was will der uns denn erzählen? Doch da ich mich seit meinem sechzehnten Lebensjahr leidenschaftlich mit dem Thema beschäftige, durfte ich diesbezüglich schon einiges lernen, erfahren und erleben. Kurz: Ich habe Praxiswissen und bin der Meinung, dass das Leben die beste Schule ist, die man sich vorstellen kann. Um Ihnen das näher zu erklären, stelle ich mich einfach vor. Aber keine Sorge, es erwartet Sie nun keine komplette Biografie.
Die Schule hat mich nie sonderlich interessiert. Ich bin nach der neunten Klasse gegangen. Fragen, die mich interessierten, blieben meistens unbeantwortet. Schon früh merkte ich, dass ich irgendwie anders dachte als meine Mitschüler. Bewusst geworden ist mir das allerdings erst später. Mit einer einfachen Antwort gab ich mich nie zufrieden. Ich wollte wissen, warum diese Antwort und nicht eine andere. Die Neugierde trieb mich an. Was steckt hinter dem »Wie«? Wenn meine Mitschüler sagten: »Es reicht«, war für mich klar: Es geht irgendwie und irgendwo weiter. So langsam wuchs die Erkenntnis, eine Schule bringt mich nicht nach vorn. Ich wollte raus ins Leben! Ich wollte etwas erleben. Ich wollte die Dinge begreifen. Diese Motivation ist es, die mein Denken und Handeln maßgeblich beeinflusst.
Die Baustelle steht im Zeichen von Erfahrung
Einer von sicherlich vielen prägenden Faktoren im Umfeld ist mein Opa. Er war Fliesenleger und vierzig Jahre selbstständig. Jedenfalls muss »das Praktische« von ihm auf mich übergesprungen sein. Schon als kleiner Junge bin ich mit der Hilti auf der Baustelle rumgehüpft. Das hat Spaß gemacht und dort lernte ich sogar etwas fürs Leben: Auf einer Baustelle geht es zielgerichtet und lösungsorientiert zu. Zunächst wird kurz der Auftrag besprochen, dann wird alles besorgt, was man dafür benötigt, und schließlich geht es mit der Umsetzung los. Da werden keine stundenlangen Meetings einberufen oder Berge von Büchern gewälzt, um zu erfahren, was man machen könnte. Auf einer Baustelle gilt hauptsächlich die Erfahrung. Die gewinnt man erst durch »machen«. Man erarbeitet sich seine Erfahrung. Fehler gehören dazu und stehen auf der Tagesordnung. Hier gibt es das nicht, dass man aus Angst etwas gar nicht erst anfängt. Tu es! Schließlich hat man einen erfahrenen Menschen an seiner Seite. Dennoch findet sich auf jeder Baustelle einer, der das »Sagen« hat. Die Baustellenleitung hat den Plan und den Überblick. Sie gibt eine Anweisung und dann heißt es »Machen!«. Trotzdem darf man die Planung im Vorfeld nicht vergessen.
Die Tage auf den Baustellen waren prägend. Zwischen Lob und Tadel liegen manchmal nur Minuten. Um Missverständnisse zu vermeiden: Natürlich wird auch auf einer Baustelle besprochen, was man machen will oder wie ein unerwartetes Problem gelöst werden kann. Der Unterschied zu vielen anderen Berufen ist, dass daraus keine Dauermeetings im Wiederholungsmodus werden, wie das in vielen Unternehmen der Fall ist. Der tatsächlichen Aufgabenstellung sind solche ergebnisoffenen Diskussionsrunden oft nicht dienlich. Entscheidungsprozesse ziehen sich in die Länge.
Zu viel Wissen behindert einfach
klare Entscheidungen
Ja, ja, werden einige sagen, eine Baustelle kann man nicht mit komplizierten Entscheidungsprozessen in der Wirtschaft vergleichen. Dazu braucht es eben mehr. Ein Stück weit stimmt das. Dennoch kann man Parallelen ziehen. Und ich vertrete die Ansicht, dass zu viel theoretisches Wissen klare Entscheidungen häufig behindert, also kontraproduktiv ist. Zu viel Wissen hemmt das praktische Umsetzen. Dass dem so ist, können wir täglich in Tageszeitungen und Wirtschaftsblättern nachlesen.
Die bohrenden Fragen nach dem »Wie« und »Warum« veranlassten mich also, nur die nötigsten Jahre in der Schule zu verbringen. Ich machte sieben, acht oder sogar neun Praktika in den verschiedensten Berufen: Koch, Kfz-Mechatroniker, Designer, Tierarzt & Co. Genau weiß ich es nicht mehr. Fakt ist: Es waren sehr viele, sie waren alle freiwillig und fanden zum Teil auch in den Ferien statt. Schließlich bestand meine Familie darauf, dass ich eine ordentliche Lehre mache. Ich begann eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten. Sie lesen richtig. Das ist weit ab vom Thema Marketing und Marke. Ich habe mich tatsächlich mit Gesetzen, Zahlen und Tabellen befasst. Sagen wir: befassen müssen. Rückblickend war das sogar gut. Damals war es wie eine Zwangsjacke, die man mir anzog. Nach zwei Jahren habe ich erfolgreich abgebrochen. Mit meinem Entschluss, einen anderen Weg zu gehen, habe ich meinem Lehrherrn vermutlich einen großen Gefallen getan. Heute ist er übrigens mein Steuerberater. Dennoch habe ich in dieser Zeit den Umgang mit Zahlen und Tabellen gelernt. Ich habe auch die Denkweise dazu kennengelernt. Diese Erfahrungen helfen mir oft, zu verstehen, warum bestimmte Prozesse so laufen, wie sie laufen, und warum bei Entscheidungen gezögert wird. Die Arbeit im Steuerbüro war hilfreich, ist aber definitiv nicht meins.
Parallel zu der Ausbildung entwickelte sich etwas, was mich viel mehr interessierte. In meiner Freizeit beschäftigte ich mich mit Computerspielen. Dadurch bekam ich zufällig Kontakt zu einer dänischen Firma, die PC-Hardware herstellt. Die schlugen mir ein Praktikum in Kopenhagen vor. Es war meine erste Auslandserfahrung, wenn man so will. Dazu war es eine völlig verrückte Idee – mit einer Vier in Englisch ein Praktikum in Dänemark kurz vor dem Beginn der Steuerausbildung! Ich machte es trotzdem.
In der Praxis probieren, was geht
Nachdem ich wieder in Deutschland war und die Ausbildung begonnen hatte, schlugen mir die Dänen vor, Marketingleiter Deutschland für ihr neu gegründetes Unternehmen zu werden. Was hatte ich zu verlieren? Nix. Ich konnte nur gewinnen. Was für eine Aufgabe! Ich musste mich selbst organisieren, Maßnahmen planen und mich um Kunden kümmern. Das war ein völlig anderes Bewusstsein. Mit dem Handeln entwickelte ich ein anderes Denken. Es war aber auch der berühmte Sprung ins eiskalte Wasser. Einmal gesprungen, hatte ich keine andere Wahl, als irgendwie zu schwimmen – zu machen. Natürlich glückte nicht alles und manches lief auch völlig schief. Ich hatte nur keine Zeit, groß darüber nachzudenken, ich musste mir im Falle von Fehlern etwas