Butler Parker 154 – Kriminalroman. Günter Dönges
beschwören.«
»Und wo findet man diesen Steven Cromer?«
»Soho, in der Nähe vom Westend-Hospital. Er hat da ’nen Blumenladen.«
»Wie sinnig.« Mike Rander lächelte. »Übrigens, wenn Sie sich angegriffen fühlen sollten, kann ich die Polizei anrufen.«
»Zum Teufel mit den Bullen«, antwortete der Mann auffahrend, um dann allerdings wieder zu stöhnen.
»Wie viele Ratten haben Sie heute schon unters Volk gebracht?« stellte Mike Rander seine nächste Frage. Er sah zu dem zweiten Mann hinüber, der sich jetzt rührte und seinen Hals vorsichtig betastete. Seine Bewegungen wirkten noch ein wenig unkoordiniert.
»Von mir aus können Sie verschwinden«, sagte Rander zu dem Boxkünstler und nickte auch dem Schneidwarenfreund zu. »Richten Sie diesem Wigmore aus, daß schlechte Zeiten für ihn anbrechen!«
Sie gingen und waren sehr unsicher auf den Beinen. Der Faustkämpfer nahm den Hocker als Souvenir mit. Er getraute sich noch immer nicht, ihn von der Hand zu ziehen.
Mike Rander folgte ihnen, bis sie tief unten im Treppenhaus verschwunden wäre. Vom Fenster aus beobachtete er dann, wie sie in einen Ford stiegen. Er merkte sich selbstverständlich das Kennzeichen und wandte sich um, das Kathy Porter erschien.
»Netter Nachmittag«, sagte er zu ihr. »Ich glaube, es wird Zeit für den Tee, Kathy. Lady Simpson wartet bestimmt schon auf uns.«
*
Das Haus der Lady war in Fachwerkbauweise errichtet worden und stand auf den Gewölben einer ehemaligen Abtei. Es beherrschte einen kleinen U-förmigen Platz und wurde zu beiden Seiten von gleichfalls alten Fachwerkbauten eingeschlossen. Inmitten der hektischen Millionenstadt London war dies hier eine Oase der Ruhe und des Friedens.
Die angrenzenden Häuser gehörten ebenfalls der Lady. Auf raffinierte Art standen alle untereinander in Verbindung. Josuah Parker hatte sich einiges einfallen lassen.
Noch wohnte Mike Rander zwar in der nahen Curzon Street, wo sich auch seine Kanzlei befand, doch es war wirklich nur eine Frage der Zeit, bis der Anwalt seinen Widerstand aufgab und in eines der Häuser in Shepherd’s Market zog. Lady Simpson wartete ungeduldig darauf, daß Mike Rander in ihren Wohnbereich wechselte.
Butler Parker servierte den Tee in der Halle.
Er trug jetzt eine gelb-schwarz gestreifte Weste und weiße Handschuhe. Mit der Feierlichkeit eines traditionsbewußten Zeremonienmeisters goß er Tee in Porzellantassen und rückte für seine Herrin die Kristallkaraffe mit dem obligaten Kreislaufbeschleuniger zurecht. Dabei handelte es sich um alten französischen Kognak, den die Lady ungemein schätzte.
Nachdem Parker auf der Kante seines Stuhls Platz genommen hatte, faßte Anwalt Mike Rander noch mal zusammen, was sie sich mitgeteilt hatten.
»Dieser Will Wigmore hat einen Burschen namens Steven Cromer vorgeschickt«, schloß er, »der die Dreckarbeit vor Ort erledigt.«
»Kennen wir diesen Cromer, Mr. Parker?« fragte die ältere Dame und wandte sich an ihren Butler.
»Besagte Person trat bisher kaum in Erscheinung, Mylady«, antwortete der Butler, der über intime Kenntnisse innerhalb der Unterwelt von London verfügte. »Er gilt als sogenannte dritte Garnitur und beschäftigt sich unter dem Deckmantel eines Blumenladens mit kleinen Einbrüchen, Autodiebstahl und Trickbetrügereien.«
»Hat er bisher solo gearbeitet?« fragte Mike Rander.
»In der Tat, Sir«, antwortete Parker würdevoll.
»Dann hat sich das jetzt geändert«, redete der Anwalt weiter. »Die beiden Burschen, die diese Zusammenkunft bei Mrs. Brook störten, haben eindeutig in seinem Auftrag gearbeitet.«
»Mr. Cromer scheint eine gewisse Aufwertung erfahren zu haben, Sir.«
»Ich werde ihn bald wieder abwerten«, versprach die ältere Dame grimmig. »Scheußlich, was die beiden Lümmel im Wohnblock mit ihren Lautsprechern getan haben! Ich glaube, sie werden für eine gewisse Zeit keine Lust mehr haben, Lärm zu produzieren.«
»Arbeiten sie ebenfalls für diesen Steven Cromer?« wollte Kathy Porter wissen.
»Kindchen, mit solchen Kleinigkeiten befasse ich mich grundsätzlich nicht«, schickte die passionierte Detektivin voraus, »ich interessiere mich mehr für die große Linie eines Falls. Mr. Parker wird das herausfinden.«
»Wie Mylady wünschen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Wenn es erlaubt ist, könnte meine bescheidene Wenigkeit einige Angaben zur Person des Mr. Will Wigmore vortragen.«
»Warum nicht?« Lady Simpson knabberte bereits am dritten Törtchen und nickte ihrem Butler aufmunternd zu.
»Mr. Wigmore ist ein sogenannter Wohnungsspekulant«, begann Josuah Parker. »Er kauft alte Einzelhäuser oder ganze Wohnzeilen auf, nimmt einige oberflächliche Renovierungen vor und erhöht dann derart drastisch die Mieten, daß die bisherigen, meist nicht sonderlich begüterten Mieter sich gezwungen sehen, ihre Wohnungen aufzugeben. Danach verwandelt Mr. Wigmore die Häuser in Apartment-Hotels und vermietet die jeweiligen neuen Wohneinheiten zu Preisen, die man nur als horrend bezeichnen kann.«
»Und falls langfristige Mietverträge existieren, so setzt er die ursprünglichen Mieter einem raffinierten Psychoterror aus«, fügte Mike Rander hinzu.
»Lärm, Belästigungen und sogar Prügel«, sagte die ältere Dame grimmig. »Ab sofort werden diese Subjekte sehr vorsichtig werden.«
»Wenn es gestattet ist, möchte ich mir erlauben, noch eine Methodenvariante des Mr. Wigmore zu erwähnen«, sagte Josuah Parker. »Besagter Spekulant verschafft sich darüber hinaus sogenannte Sperrgrundstücke.«
»Was ist denn das schon wieder?« wollte Agatha Simpson wissen.
»Falls städtische Behörden oder private Bauherren zu bauen gedenken, Mylady, ist Mr. Wigmore bereits gut informiert und erwirbt ein Einzelhaus oder ein kleineres Grundstück, das diese Planungen und Ausführungen erschwert. Diese Objekte läßt er sich zu ebenfalls erklecklichen Beträgen dann abkaufen.«
»Und woher verschafft er sich die notwendigen Informationen?« warf Mike Rander ein. »Bezahlt er irgendwelche Leute in den Planungsbüros?«
»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir«, erwiderte der Butler. »Auch diesem Aspekt sollte man möglicherweise nachgehen.«
»Hat dieses Subjekt direkte Verbindungen zur Unterwelt?« Agatha Simpson war wieder mal ganz bei der Sache. Sie freute sich auf einen neuen Fall. Seit Jahren schon betätigte sie sich als Amateurdetektivin und hatte das Glück, von einem Fall in den anderen zu stolpern. Ohne Butler Parker hätte sie mit Sicherheit nie etwas ausgerichtet, doch darüber machte sie sich keine Gedanken. Mit dem Charme und der Energie eines Bulldozers ging sie jeden neuen Fall an und übertraf dabei den sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen. Butler Parker hatte dann stets alle Hände voll zu tun, seine Herrin vor Schaden zu bewahren.
»Im engeren Sinn steht Mr. Wigmore mit der üblichen Unterwelt in Verbindung«, beantwortete der Butler die Frage der älteren Dame. »Es bietet sich allerdings die Möglichkeit an, ob man Mr. Wigmore nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen sollte.«
»Genau das wollte ich gerade sagen«, gab Lady Agatha prompt zurück. »Warum hetzen wir diesem Subjekt nicht ein paar handfeste Gangster auf den Hals? Mr. Parker, kümmern Sie sich um die Details!«
*
Steven Cromer, fünfundvierzig, ein rundlicher Typ, dessen strahlendes Lächeln ansteckend wirkte. Als Butler Parker und Mike Rander den Blumenladen in der Nähe des Westend-Hospitals betraten, war er gerade dabei, einen Blumenstrauß zusammenzustecken.
»Hallo, die Herrschaften«, meinte er munter, doch sein Lächeln wirkte verkrampft. »Was kann ich für Sie tun? Ein hübsches Sträußchen für einen Krankenbesuch?«
Man sah ihm an, daß er eine genaue Beschreibung zumindest von Mike