Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe


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Ich war in Mai­land von­we­ge ei­nes ös­ter­rei­chisch-jü­disch-ita­lie­ni­schen Hei­rats­kon­trak­tes, habe dann zur Er­ho­lung ein Tour­chen um die Seen ge­macht und kom­me au­gen­blick­lich von Bel­lin­zo­na. Das än­dert nichts; und dass ich e recht hab auf Ihre Wege zu pas­se, Sir Juh, dass ist Ihne aach be­kannt: also kurz, wes­halb sind Sie um­ge­kehrt mit Ih­rer An­gel­ru­te?«

      »Üil ouich mir uab uer­kuäl­tet, und ueil es uist serr ueiß in Flo­rence in die Söm­mer, und ueil ouich ouill swouit­ze– swit­ze – s’ – s – schwit­ze all the sum­mer – den gan­zen Söm­mer durch in Flo­renz. Yes, ouich ouab na Ka­tarrh in my hea­d, in mei­ne Kopf, und ich ouill switz in Oui­ta­li­en. Ya, einen Schnup­fen huab ouich in my Kopf und huab mir für den ge­moui­thet a lodg­ment in der ho­tel de l’Eu­ro­pe, uo es ist serr hu­eiß, da ouill ich schwouit­ze – o yes, dua ouill ich aus­schwouit­ze mei­ne Ka­tarrh!«

      »So? Das ist ja recht nied­lich«, brumm­te der Frank­fur­ter Rechts­ge­lehr­te. »Also Sie ho­len sich einen Schnup­fen auf dem Wege nach Lap­p­land, keh­ren um, kom­men ohne Zwei­fel durch Frank­furt am Main und ge­ben mir nicht die ge­rings­te No­tiz da­von. Sind Sie wie­der durch Frank­furt ge­kom­men?«

      »Ya!«

      »Ha­ben Sie mich da­von be­nach­rich­tigt und mir von neu­em Ge­le­gen­heit zu ei­ner Kon­fe­renz mit Ih­nen ge­ge­ben?«

      »No, Sir«, sag­te der Eng­län­der klein­laut.

      »Nun, dann müss­te ich Sie von Rechts we­gen jetzt ru­hig wei­ter lau­fen las­sen. Ja, ja, al­les in al­lem ge­nom­men, wird das auch wohl, was Ihren Ka­tarrh an­be­trifft, das bes­te sein. Also rei­sen Sie, Sir Juh; aber – das sage ich Ih­nen: zum ›Schwoui­ße‹ wer­den Se ganz ge­wiss im Ho­tel de l’Eu­ro­pe kom­me, Sie al­ter Tau­send­sa­sa! Wel­che Num­mer haw­we Se be­stellt, wenn ich fra­ge darf?«

      Der Eng­län­der has­pel­te müh­sam ein ele­gan­tes No­tiz­buch her­aus, blät­ter­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke dar­in und sag­te so­dann, erst lei­se zu sich sel­ber:

      »By Gad, whe­re have I lost my Mur­ray? Wenn ich zum Teu­fel nur wüss­te, wo mein Mur­ray ge­blie­ben ist!« Und dann lau­ter:

      »Nou­me­ro Üi­nound­sech­zig! Söm­mer­su­ei­te. Ouich habe da schon ein­mal geu­ohnt und geswouitzt.«

      »Rich­tig, rich­tig! Es trifft al­les! Es ist wun­der­bar, wie das al­les in­ein­an­der passt. Er­lau­ben Sie mir, Ih­nen bie­der und bri­tisch die Hand zu schüt­teln, Sir Juh, er­lau­ben Sie mir, Ih­nen herz­lich zu gra­tu­lie­ren. Ja, Sie wer­den hei­ße Tage in Flo­renz er­le­ben, lie­ber Freund; aber über ei­nes bit­te ich doch um Auf­klä­rung: wie kommt es, dass Sie mir neu­lich nichts von die­sem mit Miss Chri­sta­bel Ed­dish ge­trof­fe­nen Übe­rein­kom­men, – neu­lich, als Sie auf mei­nem Büro vor­spra­chen – ge­sagt ha­ben?«

      Es tat einen Ruck durch den gan­zen Ka­pi­tän ih­rer Ma­je­stät von Groß­bri­tan­ni­en und Ir­land. Er rief: »Hugh« wie ein In­dia­ner in ei­nem Coo­per­schen Ro­ma­ne, und wäh­rend er voll­kom­men ver­stei­ner­te, has­pel­te der Frank­fur­ter Ad­vo­kat gleich­falls sei­ne Brief­ta­sche her­vor.

      Die­sel­be war lan­ge nicht so ele­gant, wie die Sir Hughs, je­doch be­deu­tend um­fang­rei­cher und si­cher­lich eben­so in­halt­voll. Auch Schmol­ke blät­ter­te wäh­rend meh­re­rer Au­gen­bli­cke, fand end­lich das Blatt, wel­ches er such­te, reich­te es dem Ka­pi­tän und sag­te:

      »Hier… Flo­rence… Ho­tel de l’Eu­ro­pe… Zim­mer zwei­und­sechs­zig bis vierund­sechs­zig. Also höchst­wahr­schein­lich eben­falls die Som­mer­sei­te und je­den­falls Wand an Wand. Wen wir ein­mal in den Ak­ten ha­ben, den be­hal­ten wir dar­in, bis wir sel­ber ihn her­aus­strei­chen, Sir Juh! Wie ge­sagt, ich gra­tu­lie­re herz­lichst zu der Verab­re­dung.«

      Die Ver­stei­ne­rung Sir Hugh Slid­de­rys lös­te sich in ei­nem neu­en fast mehr als in­dia­ni­schen Aus­ruf – Er­stau­nens­schrei. Mit be­ben­der Hand griff er das ihm dar­ge­bo­te­ne Blätt­chen, sah es an, ließ es ent­setzt fal­len und fiel sel­ber zu­rück:

      »Douas ouist nicht mög­lich!«

      »Es scheint doch. Stüb­ner schreibt es, und auf Stüb­ner darf ich mich ver­las­sen.«

      »Mr. Smolk, duann ist duas das Ver­häng­nis!«

      Der Frank­fur­ter Ad­vo­kat zuck­te die Ach­seln, und wir kön­nen hier nicht an­ge­ben, ob er als ju­ris­ti­scher Ver­trau­ter und Bei­stand sei­ner Par­tei das, was der Ka­pi­tän als Ver­häng­nis hin­stell­te, auch aus an­de­ren als den ge­wöhn­li­chen Höf­lich­keits­grün­den als sol­ches gel­ten ließ.

      »In Mün­chen, yes, in Mu­nich uab ich auf sie uauf­ge­sto­ßen – ou­ie­de­r­ein­mal! In die Kuopf von das große Göt­tin with the lion, mit die Tier, die Lou­ö­wen­tier – mit­ten in die Kuopf! Und ich bin ge­fual­len der Trepp hin­un­ter, und ouich bin ge­lauf – ge­lau­fen a­cross the mea­dows, über die Wie­sen! O Mr. Smolk, es ist ku­ei­ne Mu­ög­lich­keit, dass uir in Flo­renz wuoh­nen zu­samm Uand an Uand, da uir sind fer­tig for all the li­fe, für das gan­ze Le­ben mit­ein­an­der.«

      »Dann wer­de Se noch ein­mal um­keh­re müs­se, mein lie­ber Herr; Miss Chri­sta­bel Ed­dish be­fin­det sich auf dem Wege nach Flo­renz, und wird, wie ich fest be­haup­ten darf, un­ter­wegs auf kein Hin­der­nis ge­sto­ßen sein, wenn – wenn nicht viel­leicht Sie sel­ber, Sir Juh, ihr in dem Kop­fe der Ba­va­ria Ihre Rei­se­rou­te mit­ge­teilt ha­ben.«

      »Oh no! Sie ist ge­fal­len in Ohn­macht, und ouich bin ge­fal­len hin­un­ter die Trepp, durch die Bäh­weh­riäh.«

      »Sir Juh«, sprach der Dok­tor Schmol­ke aus Frank­furt am Main mit pa­the­ti­schem Nach­druck, »Sir Juh, wenn ich un­ter den Tisch fal­len wür­de vor Ver­gnü­gen über Sie, so wä­ren Sie im­stan­de, das als eine Ver­let­zung jeg­li­chen ad­vo­ka­to­ri­schen An­stands­ge­fühls Ih­nen ge­gen­über an­zu­se­hen: ich un­ter­las­se es des­halb, blei­be sit­zen und rate Ih­nen noch­mals drin­gendst, zum zwei­ten Mal um­zu­keh­ren, Ihre Schwitz­kur in Schwa­ben ab­zu­ma­chen und nicht nach Flo­renz zu ge­hen. Was sa­gen Sie?«

      »Y–a!« sag­te – stöhn­te der Eng­län­der, und so kehr­te er mit dem Doc­tor iuris Schmol­ke in An­de­er wirk­lich um, und wir schlie­ßen den merk­wür­di­gen Ab­schnitt un­se­res Be­richts und er­zäh­len im fol­gen­den Ka­pi­tel, wie es kam, dass – nein, wie er, der Baro­net, in den Och­sen zu Ho­hen­stau­fen kam. Das nächs­te Ka­pi­tel aber ist das acht­zehn­te und wird un­be­dingt auch ein sehr net­tes und in­halt­vol­les wer­den.

      In der Via ma­la hat­ten sie – der Frank­fur­ter Rechts­ge­lehr­te und Sir Hugh Slid­de­ry – noch al­ler­lei An­sich­ten und Be­trach­tun­gen über den Lauf der mensch­li­chen Din­ge und die Hin­der­nis­se al­les Le­bens­be­ha­gens aus­ge­tauscht und am fol­gen­den Tage stumm – ein jeg­li­cher in sei­ner Ecke des Ei­sen­bahn­wa­gens, mit ei­nem merk­wür­di­gen Ekel und Über­druss am an­de­ren, leh­nend, den Bo­den­see er­reicht. Sie wa­ren noch zu­sam­men über den See nach Deutsch­land zu­rück­ge­fah­ren; aber in Fried­richs­ha­fen hat­ten sie sich ge­trennt. Schmol­ke mit ei­nem Se­gens­wunsch


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