Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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Auch ist wahr­schein­lich viel Mot­ten­pul­ver in dem Schrank …«

      Jetzt wa­ren die ro­ten Fle­cke aus ih­rem Ge­sicht ver­schwun­den, weiß wie ein La­ken starr­te sie ihn an.

      Er schüt­tel­te den Kopf. »Kin­der! Kin­der!«, sag­te er mit spöt­ti­scher Miss­bil­li­gung. »Wie leicht ihr es uns doch macht! Und ihr wollt Ver­schwö­rer sein? Ihr wollt was ge­gen die­sen Staat aus­rich­ten mit eu­ren kin­di­schen Mätz­chen? Ihr scha­det al­lein euch!«

      Sie starr­te ihn noch im­mer an. Ihr Mund war fest ge­schlos­sen, die Au­gen glänz­ten fie­be­risch, die Hand lag noch im­mer auf der Klin­ke.

      »Nun, Sie ha­ben Glück, Fräu­lein Schön­lein«, fuhr der Kom­missar im­mer in dem Ton leich­ter, ver­ächt­li­cher Über­le­gen­heit fort, »in­so­fern, als Sie mir heu­te ganz un­in­ter­essant sind. Ich in­ter­es­sie­re mich heu­te nur für die­sen Herrn in Ihrem Klei­der­schrank. Es kann sein, wenn ich mir auf mei­nem Büro Ihren Fall ge­nau­er über­le­ge, dass ich mich dann ver­pflich­tet füh­le, der zu­stän­di­gen Stel­le über Sie eine Mel­dung zu ma­chen. Es kann sein, sage ich, ich weiß es noch nicht. Vi­el­leicht scheint mir dann Ihr Fall zu un­be­trächt­lich – be­son­ders im Hin­blick auf Ihr Lun­gen­lei­den …«

      Plötz­lich brach es aus ihr her­vor: »Ich will kei­ne Gna­de von euch! Ich has­se euer Mit­leid! Mein Fall ist nicht un­be­trächt­lich! Ja­wohl, ich habe re­gel­mä­ßig po­li­tisch Ver­folg­ten Un­ter­kunft ge­währt! Ich habe aus­län­di­sche Sen­der ab­ge­hört! So, nun wis­sen Sie es! Nun kön­nen Sie mich nicht mehr scho­nen – trotz mei­ner Lun­ge!«

      »Mäd­chen!«, sag­te er spöt­tisch und sah die selt­sam alt­jüng­fer­li­che Ge­stalt in der Trai­nings­ho­se und dem gel­ben, rot­knöp­fi­gen Pull­over fast mit­lei­dig an, »bei Ih­nen ist es ja nicht nur die Lun­ge, bei Ih­nen sind es auch die Ner­ven! Eine hal­be Stun­de Ver­hör bei uns, und Sie wür­den stau­nen, was für ein schrei­en­der, jam­mer­vol­ler Dreck­hau­fen Ihr Leib ist! Es ist sehr un­an­ge­nehm, wenn man das an sich ent­deckt, die­se Krän­kung des Selbst­ge­fühls ver­win­den man­che nie, bam­meln sich hin­ter­her auf.«

      Er sah sie noch ein­mal an, nick­te nach­denk­lich mit dem Kopf. Er sag­te ver­ächt­lich: »Und so was nennt sich Ver­schwö­rer!«

      Sie zuck­te zu­sam­men, wie von ei­ner Peit­sche ge­trof­fen, aber sie ant­wor­te­te mit kei­nem Wort.

      »Doch wir ver­ges­sen über un­se­rer net­ten Un­ter­hal­tung ganz Ihren Be­su­cher im Klei­der­schrank«, fuhr er dann fort. »Kom­men Sie, Fräu­lein Schön­lein! Wenn wir ihn nicht bald er­lö­sen, ist er hin­über.«

      Er war wirk­lich nahe am Er­sti­cken, der Enno Klu­ge, als ihn Esche­rich aus dem Schrank zog. Der Kom­missar leg­te das Männ­lein auf eine Chai­se­longue und be­weg­te ein paar­mal sei­ne Arme auf und ab, um bes­se­re Luft in sei­ne Lun­gen zu brin­gen.

      »Und nun«, sag­te er und sah zu der Frau hin, die wort­los im Zim­mer stand, »und nun, Fräu­lein Schön­lein, las­sen Sie mich am bes­ten eine Vier­tel­stun­de mit dem Herrn Klu­ge al­lein. Sie set­zen sich wohl in die Kü­che, die ist zum Lau­schen am un­ge­eig­nets­ten.«

      »Ich lau­sche nie!«

      »Nein, wie Sie nie Zi­ga­ret­ten rau­chen und nur Nef­fen und Nich­ten mit Schall­plat­ten­mu­sik er­freu­en! Nein, bes­ser, Sie set­zen sich in die Kü­che. Ich wer­de Sie ru­fen, wenn ich Sie brau­che!«

      Er nick­te ihr noch ein­mal zu und über­zeug­te sich dann da­von, dass sie wirk­lich in die Kü­che ge­gan­gen war. Dann wen­de­te er sich zu Herrn Klu­ge, der jetzt auf dem Sofa saß und mit sei­nen farb­lo­sen Au­gen angst­voll auf den Kom­missar starr­te. Schon fin­gen die Trä­nen an, über sein Ge­sicht zu rol­len.

      »Nu, nu, Herr Klu­ge«, sag­te der Kom­missar be­ru­hi­gend. »So sehr freu­en Sie sich über das Wie­der­se­hen mit dem ol­len Kom­missar Esche­rich? Sie ha­ben sich also nach mir ge­sehnt? Die Wahr­heit zu sa­gen, ich habe mich auch nach Ih­nen ge­sehnt und bin glück­lich, Sie wie­der­ge­fun­den zu ha­ben. Nun soll uns so bald nichts wie­der tren­nen, lie­ber Herr Klu­ge!«

      Die Trä­nen En­nos ran­nen strom­weis. Er schluchz­te has­tig: »Ach, Herr Kom­missar, Sie ha­ben mir doch fest ver­spro­chen, mich frei­zu­las­sen!«

      »Habe ich Sie denn nicht frei­ge­las­sen?«, frag­te der Kom­missar er­staunt. »Aber das schließt doch nicht aus, dass ich Sie im­mer mal wie­der fest­neh­me, wenn ich mich nach Ih­nen seh­ne. Vi­el­leicht habe ich ein neu­es Pro­to­koll zu un­ter­schrei­ben, was, Herr Klu­ge? Sie als mein gu­ter Freund wer­den mir doch so einen klei­nen Ge­fal­len nicht ab­schla­gen, was?«

      Enno er­zit­ter­te un­ter dem Blick die­ser mit­leids­los auf ihn ge­rich­te­ten, höh­ni­schen Au­gen. Er wuss­te, die­se Au­gen wür­den al­les aus ihm her­aus­zie­hen, al­les wür­de er gleich aus­quat­schen, und dann war er ver­lo­ren, für im­mer und ewig, so oder so …

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      33. Escherich und Kluge gehen spazieren

      Es war schon ganz dun­kel, als Kom­missar Esche­rich mit Enno Klu­ge das Gar­ten­haus in der Ans­ba­cher Stra­ße ver­ließ. Nein, trotz der Lun­ge hat­te sich der Kom­missar nicht ent­schlie­ßen kön­nen, den Fall von Fräu­lein Anna Schön­lein als un­be­trächt­lich an­zu­se­hen. Die­se alte Jung­fer schi­en ja ganz wahl­los je­den Ver­bre­cher bei sich auf­zu­neh­men, ohne auch nur sei­ne Ge­schich­te zu ken­nen. Den Enno Klu­ge zum Bei­spiel hat­te sie nicht ein­mal nach sei­nem Na­men ge­fragt, sie hat­te ihn ver­steckt, bloß weil eine Freun­din ihn an­ge­schleppt hat­te.

      Auch die­se Frau Hä­ber­le wür­de man sich nä­her an­se­hen. Es war ein Jam­mer mit die­sem Volk! Jetzt, wo der größ­te Krieg für sei­ne glück­li­che Zu­kunft ge­führt wur­de, selbst jetzt noch war es wi­der­spens­tig. Über­all, wo man hin­roch, stank es. Kom­missar Esche­rich war fest da­von über­zeugt, dass er in bei­nah je­dem deut­schen Haus solch einen Wust von Heim­lich­kei­ten und Lüge fin­den wür­de. Fast kei­ner, der ein rei­nes Ge­wis­sen hat­te – von den Par­t­ei­ge­nos­sen na­tür­lich ab­ge­se­hen. Üb­ri­gens wür­de er sich schön hü­ten, bei Par­t­ei­ge­nos­sen sol­che Un­ter­su­chung wie eben die bei der Schön­lein durch­zu­füh­ren.

      Nun, er hat­te je­den­falls den Por­tier als Wa­che in die Woh­nung ge­setzt. Der schi­en ein ganz ver­läss­li­cher Bur­sche zu sein, üb­ri­gens auch Par­tei­mit­glied; man muss­te mal se­hen, dass er ir­gend­ei­nen klei­nen gut­be­zahl­ten Pos­ten be­kam. Das mach­te sol­che Leu­te mun­ter und schärf­te ih­nen Blick und Ge­hör. Be­loh­nen und be­stra­fen, das war die bes­te Art zu re­gie­ren.

      Der Kom­missar mit sei­nem Enno Klu­ge am Arm geht auf die Säu­le zu, hin­ter der Bark­hau­sen steckt. Bark­hau­sen will sei­nen ehe­ma­li­gen Kum­pel jetzt gar nicht so gern se­hen; er geht, sei­nem An­blick zu ent­ge­hen, rund um die Säu­le. Aber der Kom­missar, der kehrt­ge­macht hat, er­wi­scht ihn doch, und Emil und Enno ste­hen ein­an­der ge­gen­über.

      »’n Abend, Enno!«, sagt Bark­hau­sen und streckt die


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