Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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nur auf­ge­sucht, um ihm sein Geld zu ge­ben und ihn nach Haus zu schi­cken. Aber jetzt lässt er das Geld­päck­chen in sei­ner Ta­sche wie­der los und hört er­hei­tert, wie Bark­hau­sen grob ant­wor­tet: »Und habe ich dich nicht lau­fen­las­sen, Enno? Wenn du Och­se dich gleich wie­der fan­gen lässt, da­für kann ich nichts. Ich habe mein Ver­spre­chen ge­hal­ten.«

      Der Kom­missar sagt: »Na, dar­über un­ter­hal­ten wir uns noch mal, Bark­hau­sen. Jetzt ma­chen Sie, dass Sie nach Haus kom­men.«

      »Aber vor­her will ich mein Geld, Herr Kom­missar«, ver­langt Bark­hau­sen. »Sie ha­ben mir fest fünf­hun­dert Eier ver­spro­chen, wenn ich Ih­nen Enno lie­fe­re. Da ha­ben Sie ihn am Arm, und nun spu­cken Sie auch aus!«

      »Zwei­mal wer­den Sie in der glei­chen Sa­che nicht be­zahlt, Bark­hau­sen!«, weist der Kom­missar ihn ab. »Wenn Sie schon zwei­tau­send­fünf­hun­dert be­kom­men ha­ben!«

      »Aber ich habe das Geld doch noch gar nicht!«, pro­tes­tiert der jetzt wie­der ent­täusch­te Bark­hau­sen fast schrei­end. »Sie hat’s doch post­la­gernd nach Mün­chen ge­schickt, da­mit ich Ih­nen hier aus dem Wege bin!«

      »Klu­ge Frau!«, lobt der Kom­missar. »Oder war das Ihr Ein­fall, Herr Klu­ge?«

      »Er lügt ja schon wie­der!«, schreit Enno er­bit­tert. »Nur zwei­tau­send sind nach Mün­chen ge­sandt. Fünf­hun­dert, und mehr als fünf­hun­dert, hat er bar ge­kriegt. Se­hen Sie nur in sei­nen Ta­schen nach, Herr Kom­missar!«

      »Die sind mir doch ge­klaut wor­den! Eine Rot­te Halb­star­ker hat mich über­fal­len und hat mir das gan­ze Geld ge­klaut! Sie kön­nen mich von oben bis un­ten nach­se­hen, Herr Kom­missar, ich habe nur noch ein paar Mark bei mir, die ich zu­fäl­lig in der Wes­te hat­te!«

      »Ih­nen kann man kein Geld an­ver­trau­en, Bark­hau­sen«, sagt der Kom­missar kopf­schüt­telnd. »Sie kön­nen nicht mit Geld um­ge­hen. Sich von Halb­star­ken be­klau­en las­sen, ein großer Mann!«

      Bark­hau­sen fängt wie­der an zu bet­teln, zu ver­lan­gen, zu über­re­den, aber der Kom­missar be­fiehlt – sie sind jetzt schon am Vik­to­ria-Lui­se-Platz: »Sie ma­chen jetzt, dass Sie nach Hau­se kom­men, Bark­hau­sen!«

      »Herr Kom­missar, Sie ha­ben mir fest ver­spro­chen …«

      »Und wenn Sie jetzt nicht so­fort in der U-Bahn ver­schwin­den, über­ge­be ich Sie da dem Schu­po! Der kann Sie gleich mal we­gen Er­pres­sung fest­neh­men.«

      Da­mit geht der Kom­missar auf den Schu­po zu, und Bark­hau­sen, der zor­ni­ge Bark­hau­sen, die­ser Möch­te­gern-Ver­bre­cher, dem im­mer di­rekt vor dem Sieg der Ge­winn ent­ris­sen wird, macht, dass er vom Vik­to­ria-Lui­se-Platz ver­schwin­det. (War­te nur, Kuno-Die­ter, wenn ich nach Haus kom­me!)

      Der Kom­missar spricht wirk­lich den Schu­po an, er weist sich aus und gibt ihm den Auf­trag, das Fräu­lein Anna Schön­lein fest­zu­neh­men und erst mal auf der Wa­che fest­zu­hal­ten, we­gen: »Na, sa­gen wir erst ein­mal, we­gen Ab­hö­rens feind­li­cher Sen­der. Kei­ne Ver­neh­mun­gen, bit­te ich mir aus. Es kommt mor­gen ei­ner von uns und holt sich das Frau­en­zim­mer. ’n Abend, Herr Wacht­meis­ter!«

      »Heil Hit­ler, Herr Kom­missar!«

      »Ja«, sagt der Kom­missar, auf der Motz­stra­ße in der Rich­tung zum Nol­len­dorf­platz wei­ter­ge­hend. »Was ma­chen wir nun? Ich habe Hun­ger, es ist mei­ne Es­sens­zeit. Wis­sen Sie was, ich lade Sie zum Abendes­sen ein. Sie wer­den es ja nicht so furcht­bar ei­lig ha­ben, zu uns auf die Ge­sta­po zu kom­men. Ich fürch­te, das Es­sen lässt bei uns zu wün­schen üb­rig, und die Leu­te sind so ver­ge­ss­lich, manch­mal brin­gen sie zwei, drei Tage gar nichts. Nicht mal Was­ser. Schlecht or­ga­ni­siert. Tja, was mei­nen Sie, Herr Klu­ge?«

      Mit sol­chem und ähn­li­chem Ge­schwätz hat der Kom­missar den völ­lig ver­wirr­ten Klu­ge in eine klei­ne Wein­stu­be ge­zo­gen, wo er be­kannt zu sein scheint. Der Kom­missar isst üp­pig, es gibt nicht nur aus­ge­zeich­ne­tes reich­li­ches Es­sen mit Wein und Schnäps­chen, es gibt auch Boh­nen­kaf­fee, Ku­chen und Zi­ga­ret­ten. Da­bei er­klärt Esche­rich ganz scham­los: »Den­ken Sie bloß nicht, dass ich das be­zah­le, Klu­ge! Das geht al­les auf Bark­hau­sen’­sche Rech­nung. Das be­zah­le ich näm­lich von dem Geld, das der ei­gent­lich hät­te krie­gen sol­len. Ist doch hübsch, dass Sie sich den Wanst von der Be­loh­nung voll­schla­gen, die für Ihre Er­grei­fung aus­ge­setzt ist. Aus­glei­chen­de Ge­rech­tig­keit …«

      Der Kom­missar re­det und re­det, aber viel­leicht ist er nicht ganz so über­le­gen, wie er tut. Er hat we­nig ge­ges­sen, da­für rasch und viel ge­trun­ken. Vi­el­leicht sitzt eine Un­ru­he in ihm, der gan­ze Mann ist von ei­ner bei ihm un­ge­wohn­ten Ner­vo­si­tät. Mal spielt er mit Brot­ku­geln, und dann fasst er ganz plötz­lich rasch nach der Ge­säß­ta­sche, in der die leich­te Pis­to­le sitzt, wo­bei er einen ra­schen Blick auf Klu­ge wirft.

      Der Enno sitzt ziem­lich teil­nahms­los da­bei. Er hat tüch­tig ge­ges­sen, aber kaum ge­trun­ken. Er ist im­mer noch völ­lig ver­wirrt, er weiß nicht, was er aus dem Kom­missar ma­chen soll. Ist er nun ver­haf­tet, oder ist er es nicht? Enno ka­piert nichts.

      Das er­klärt ihm gra­de der Esche­rich. »Da sit­zen Sie, Herr Klu­ge«, sagt er, »und wun­dern sich über mich. Ich habe na­tür­lich ge­schwin­delt, mein Hun­ger war gar nicht so groß, ich will nur die Zeit tot­schla­gen bis nach zehn Uhr. Wir müs­sen näm­lich erst ein­mal einen klei­nen Spa­zier­gang ma­chen, und da wird sich ja zei­gen, was ich mit Ih­nen an­fan­gen soll. Ja – das – wird – sich – da – zei­gen …«

      Der Kom­missar hat im­mer lei­ser, nach­denk­li­cher und lang­sa­mer ge­spro­chen, und Enno Klu­ge wirft einen arg­wöh­ni­schen Blick auf ihn. Ir­gend­ei­ne neue Teu­fe­lei steckt si­cher hin­ter dem klei­nen Spa­zier­gang um zehn Uhr nachts. Aber wel­che? Und wie kann er ihr ent­ge­hen? Der Esche­rich passt auf wie der Teu­fel, nicht ein­mal auf die Toi­let­te darf Klu­ge al­lein ge­hen.

      Der Kom­missar fährt fort: »Die Sa­che ist die, dass ich mei­nen Mann erst nach zehn Uhr er­rei­che. Er wohnt drau­ßen in Schlach­ten­see, ver­ste­hen Sie, Herr Klu­ge? Das ist das, was ich einen klei­nen Spa­zier­gang nen­ne.«

      »Und was habe ich da­mit zu tun? Ken­ne ich den Mann? Ich ken­ne doch kei­nen Men­schen in Schlach­ten­see! Ich habe im­mer um den Fried­richs­hain rum ge­wohnt …«

      »Ich den­ke, dass Sie ihn viel­leicht doch ken­nen. Ich möch­te, dass Sie ihn sich ein­mal an­se­hen.«

      »Und wenn ich ihn an­ge­se­hen habe, und es hat sich her­aus­ge­stellt, dass ich ihn nicht ken­ne, was dann? Was wird dann mit mir?«

      Der Kom­missar macht eine gleich­gül­ti­ge Be­we­gung: »Das wird sich dann schon zei­gen. Ich den­ke mir, Sie wer­den den Mann ken­nen.«

      Bei­de schwei­gen. Dann fragt Enno Klu­ge: »Hat das wie­der mit die­ser ver­damm­ten Post­kar­ten­ge­schich­te zu tun? Ich woll­te, ich hät­te die­ses Pro­to­koll nie un­ter­schrie­ben. Ich hät­te Ih­nen den Ge­fal­len nicht tun sol­len, Herr Kom­missar.«

      »Wirk­lich? Ich glau­be bei­nah, Sie ha­ben recht, für Sie wie für mich wäre es bes­ser ge­we­sen, Sie hät­ten nicht un­ter­schrie­ben, Herr Klu­ge!« Er starrt sein Ge­gen­über so düs­ter an, dass Enno Klu­ge einen neu­en Schreck be­kommt. Der Kom­missar be­merkt es. »Nunu«, sagt er be­ru­hi­gend, »wir wer­den ja se­hen. Ich den­ke, wir trin­ken


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