Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke
Unsre Mütter sind schon müd;
Unsre Mütter sind schon müd;
und wenn wir sie ängstlich drängen,
lassen sie die Hände hängen,
und sie glauben fernen Klängen:
Oh, wir haben auch geblüht!
Und sie nähen an den weißen
Kleidern, die wir schnell zerreißen,
in dem staubigen Stubenlicht.
Wie sie sich so treu befleißen,
und da sehn sie unsre heißen
Hände nicht...
Und wir müssen sie dir zeigen,
wenn die Mutter nicht mehr wacht;
und sie werden in der Nacht
wie zwei weiße Flammen steigen.
Ich war einmal so kinderkühl
Ich war einmal so kinderkühl:
da traf mich alles wie ein Bangen.
Jetzt ist mir jede Angst vergangen,
nur diese wärmt mir noch die Wangen:
ich fürchte mich vor dem Gefühl.
Es ist nicht mehr das Tal, darin ein Lied
wie schützend seine lichten Schwingen breitet, -
es ist ein Turm, der vor den Fluren flieht,
bis meine Sehnsucht hoch vom Saume sieht
und zitternd mit der fremden Stärke streitet,
die sie so selig von den Zinnen zieht.
Maria, du weinst
Maria,
du weinst, - ich weiß.
Und da möcht ich weinen
zu deinem Preis.
Mit der Stirne auf Steinen
weinen...
Deine Hände sind heiß;
könnt ich dir Tasten darunterschieben,
dann wäre dir doch ein Lied geblieben.
Aber die Stunde stirbt ohne Vermächtnis...
Gestern hab ich im Traum gesehn
Gestern hab ich im Traum gesehn
einen Stern in der Stille stehn.
Und ich fühlte: Madonna sprach:
Diesem Stern in der Nacht blüh nach.
Und ich nahm alle Kraft zu Rat.
Grad und schlank aus des Hemdes Schnee
streckte ich mich. - Und das Blühen tat
mir auf einmal weh...
Wie kam, wie kam aus deinem Schoß
Wie kam, wie kam aus deinem Schoß,
Maria, so viel Lichte los
und so viel Gram?
Wer war dein Bräutigam?
Du rufst, du rufst, - und du vergisst,
dass du nicht mehr dieselbe bist,
die mir in Kühle kam.
Ich bin ja noch so blumenjung.
Wie soll ich auf den Zehn
vom Kindsein zur Verkündigung
durch alle deine Dämmerung
in deinen Garten gehn?
Deiner ernsten Engel einen
Deiner ernsten Engel einen
stell am Rand der Sehnsucht hin
und befiehl ihm, dass er meinen
Schwestern sagt: ihr werdet weinen -
Denn es sind die Rosenreinen
allen Prüfungen und Peinen
wie ein Spiel von Anbeginn.
Weil sie überwunden wähnen,
was die Kindheit kindisch litt,
gehn sie lächelnd zwischen Zähnen, -
und sie tragen keine Tränen
in die neuen Leiden mit...
Oh, dass wir so endlos werden mussten
Oh, dass wir so endlos werden mussten!
Immer noch Entfalten um Entfalten,
und wir haben unsrer Kälte Krusten
lange, lange für den Grund gehalten.
Und ob wir uns aneinander binden
und in Furcht uns immer fester fassen
und uns langsam, wie von Brunnenwinde,
weiter in uns selber gleiten lassen:
keine kann mit ihren blassen, blinden
Händen tastend unsre Tiefen finden.
Mir wird mein helles Haar zur Last
Mir wird mein helles Haar zur Last,
als wäre darin verwühlt
ein dunkler Limonenast,
der schon in seinem Blühn verblasst
und schwerer wird, weil er schon fast
erfüllt den Frühling fühlt.
Nimm du von mir
die bange Zier!
Du bist noch kühl und grün,
weil unter deinen Dornen dir
die Mädchenmyrten blühn.
Und in allen Jahren war ich feierlich und froh
Und