Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke
eine farblose Flamme
flatters sein Bart.
Und dann wissens die Kinder schon,
suchen der Mutter Mienen.
Wie von wilden Bienen
ist in der Luft ein Ton.
Im flachen Land war ein Erwarten
Im flachen Land war ein Erwarten
nach einem Gast, der niemals kam;
noch einmal fragt der bange Garten,
dann wird sein Lächeln langsam lahm.
Und in den müßigen Morästen
verarmt im Abend die Allee,
die Äpfel ängsten an den Ästen,
und jeder Wind tut ihnen weh.
Wer einst das einsame Haus erbaut
Wer einst das einsame Haus erbaut,
ich konnte es nirgends erlauschen.
Auch die Wipfel wagen nicht, laut
um sein Ragen zu rauschen.
Im Parke: Tot ist jeder Ton -
und alle Farbe sind entflohn,
nur rotrote Blüten baten..
als müsste alten Mord der Mohn
immer wieder von Sohn zu Sohn
verraten.
Das ist dort, wo die letzten Hütten sind
Das ist dort, wo die letzten Hütten sind
und neue Häuser, die mit engen Brüsten
sich drängen aus den bangen Baugerüsten
und wissen wollen, wo das Feld beginnt.
Dort bleibt der Fühling immer halb und blass,
der Sommer fiebert hinter dessen Planken;
die Kirschbäume und die Kinder kranken,
und nur der Herbst hat dorten irgendwas
Versöhnliches und Fernes; manchesmal
sind seine Abende von sanftem Schmelze:
die Schlafe schlummern, und der Hirt im Pelze
lehnt dunkel an dem letzten Lampenpfahl.
Manchmal geschieht es in tiefer Nacht
Manchmal geschieht es in tiefer Nacht,
dass der Wind wie ein Kind erwacht,
und er kommt die Alleen allein
leise, leise ins Dorf herein.
Und er tastet bis an den Teich,
und dann horcht er herum:
Und die Häuser sind alle bleich,
und die Eichen sind stumm...
Wir wollen, wenn es wieder Mondnacht wird
Wir wollen, wenn es wieder Mondnacht wird,
die Traurigkeit zu großer Stadt vergessen
und hingehn und uns an das Gitter pressen,
das von dem versagten Garten trennt.
Wer kennt ihn jetzt, der ihn am Tage traf:
mit Kindern, lichten Kleidern, Sommerhüten, -
wer kennt ihn so: allein mit seinen Blüten,
die Teiche offen, liegend ohne Schlaf.
Figuren, welche stumm im Dunkel stehn,
scheinen sich leise aufzurichten,
und steinerner und stiller sind die lichten
Gestalten an dem Eingang der Alleen.
Die Wege liegen gleich entwirrten Strähnen
nebeneinander, ruhig, eines Zieles.
Der Mond ist zu den Wiesen unterwegs;
den Blumen fließt der Duft herab wie Tränen.
Über den heimgefallenen Fontänen
stehn noch die kühlen Spuren ihres Spieles
in nächtiger Luft.
Gebet
Ernster Engel aus Ebenholz:
Du riesige Ruh.
Dein Schweigen schmolz
noch nie in den Bränden
von Büßerhänden.
Flammenumflehter!
Deine Beter
sind stolz:
wie du.
Der du versteinst,
du über den Blicken beginnender
König, erkiese
dir ein Geschlecht,
dem du gerecht
erscheinst,
saumsinnender
Riese.
Du, aller Matten
Furchteinflößer,
Einer ist größer
als du: dein Schatten.
Mädchen-Gestalten
Als du mich einst gefunden hast
Viele Fähren sind auf den Flüssen
Ich war ein Kind und träumte viel
Als du mich einst gefunden hast
Als du mich einst gefunden hast,
da war ich klein, so klein,
und blühte wie ein Lindenast