Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke
ihrem Traum entgegentun...
Alle Straßen führen jetzt grade hinein
Alle Straßen führen
jetzt grade hinein ins Gold:
die Töchter vor den Türen
haben das so gewollt.
Sie sagen nicht Abschied den Alten,
und ist doch: sie wandern weit;
wie sie so leicht und befreit
anders einander halten,
und in anderen Falten
um die lichten Gestalten
gleitet das Kleid.
Noch ahnst du nichts vom Herbst des Haines
Noch ahnst du nichts vom Herbst des Haines,
drin lichte Mädchen lachend gehn;
nur manchmal küsst wie fernes, feines
Erinnern dich der Duft des Weines, -
sie lauschen, und es singt wohl eines
ein wehes Lied vom Wiedersehn.
In leiser Luft die Ranken schwanken,
wie wenn wer Abschied winkt. - Am Pfad
stehn alle Rosen in Gedanken;
sie sehen ihren Sommer kranken,
und seine hellen Hände sanken
leise von seiner reifen Tat.
Die Zeit, von der die Mütter sprachen
Mädchen singen: Die Zeit, von der die Mütter sprachen, fand nicht zu unsern Schlafgemachen, und drin blieb alles glatt und klar. Sie sagen uns, dass sie zerbrachen in einem sturmgejagten Jahr. Wir wissen nicht: Was ist das Sturm? Wir wohnen immer tief im Turm und hören manchmal nur von fern sie Wälder draußen wehn; und einmal blieb ein fremder Stern bei uns stehn. Und wenn wir dann im Garten sind, so zittern wir, dass es beginnt, und warten Tag um Tag - Aber nirgends ist ein Wind, der uns biegen mag.
Wir haben lange im Licht gelacht
Mädchen singen: Wir haben lange im Licht gelacht, und jede hat einer jeden Nelken und Reseden festlich wie einer Braut gebracht - und war ein Rätseln und Reden. Dann hat sich mit dem Namen der Nacht langsam die Stille besternt. Da waren wir wie aus allen erwacht und weit voneienander entfernt: haben die Sehnsucht, die traurig macht, wie ein Lied gelernt...
Die Mädchen am Gartenhange
Die Mädchen am Gartenhange
haben lange gelacht
und mit ihrem Gesange
wie mit weitem Gange
sich müd gemacht.
Die Mädchen bei den Zypressen
zittern: Die Stunde beginnt,
da sie nicht wissen, wessen
alle Dinge sind.
Ich war in ferner Fremde Kind
Eine singt: Ich war in ferner Fremde Kind, bis ich mich: arm und zart und blind - aus meinem Schämen schlich; ich warte hinter Wald und Wind gewiss schon lang auf mich. Ich bin allein und weit vom Haus und sinne still: wie seh ich aus? - - - - - - - - - - - - - - - - - - Fragt jemand, wer ich sei? ... Gott, ich bin jung und ich bin blond und habe ein Gebet gekonnt und geh gewiss umsonst umsonnt und fremd an mir vorbei...
Es müsste mich einer führen
Und singt: Es müsste mich einer führen, aber nicht der Wind; weil der Orte und Türen so viele sind. Wen soll ich um alles fragen; soll ich immer nur gehn und es wie im Traum ertragen, dass die Berge und Burgen ragen an dem Saum der fremden Seen?...
Wir sind uns alle schwesterlich
Und singt: Wir sind uns alle schwesterlich. Aber Abende sind, da wir frieren und einander langsam verlieren, und eine jede möchte ihren Freundinnen flüstern: Jetzt fürchtest du dich.. Die Mütter sagen uns nicht, wo wir sind, und lassen uns ganz allein, - wo die Ängste enden und Gott beginnt mögen wir vielleicht sein...
Gebete der Mädchen zu Maria
Mach, dass etwas uns geschieht
Du wolltest wie andern sein, die sich scheu in Kühle kleiden
Von so vielem blieb uns der Sinn
Dein Garten wollt ich sein zuerst
Gestern hab ich im Traum gesehn
Wie kam, wie kam aus deinem Schoß