Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke. Rainer Maria Rilke

Gesammelte Gedichte von Rainer Maria Rilke - Rainer Maria  Rilke


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und kennen gar nicht ihres Hauses Herrn.

       Sie sagen mein und nennen das Besitz,

       wenn jedes Ding sich schließt, dem sie sich nahn,

       so wie ein abgeschmackter Charlatan

       vielleicht die Sonne sein nennt und den Blitz.

       So sagen sie: mein Leben, meine Frau,

       mein Hund, mein Kind, und wissen doch genau,

       daß alles: Leben, Frau und Hund und Kind

       fremde Gebilde sind, daran sie blind

       mit ihren ausgestreckten Händen stoßen.

       Gewißheit freilich ist das nur den Großen,

       die sich nach Augen sehnen. Denn die Andern

       wollens nicht hören, daß ihr armes Wandern

       mit keinem Dinge rings zusammenhängt,

       daß sie, von ihrer Habe fortgedrängt,

       nicht anerkannt von ihrem Eigentume,

       das Weib so wenig haben wie die Blume,

       die eines fremden Lebens ist für alle.

      Falle nicht, Gott, aus deinem Gleichgewicht.

       Auch der dich liebt und der dein Angesicht

       erkennt im Dunkel, wenn er wie ein Licht

       in deinem Atem schwankt, – besitzt dich nicht.

       Und wenn dich einer in der Nacht erfaßt,

       so daß du kommen mußt in sein Gebet:

       Du bist der Gast,

       der wieder weiter geht.

      Wer kann dich halten, Gott? Denn du bist dein,

       von keines Eigentümers Hand gestört,

       so wie der noch nicht ausgereifte Wein,

       der immer süßer wird, sich selbst gehört.

      In tiefen Nächten grab ich dich, du Schatz.

       Denn alle Überflüsse, die ich sah,

       sind Armut und armsäliger Ersatz

       für deine Schönheit, die noch nie geschah.

      Aber der Weg zu dir ist furchtbar weit

       und, weil ihn lange keiner ging, verweht.

       O du bist einsam. Du bist Einsamkeit,

       du Herz, das zu entfernten Talen geht.

      Und meine Hände, welche blutig sind

       vom Graben, heb ich offen in den Wind,

       so daß sie sich verzweigen wie ein Baum.

       Ich sauge dich mit ihnen aus dem Raum

       als hättest du dich einmal dort zerschellt

       in einer ungeduldigen Gebärde,

       und fielest jetzt, eine zerstäubte Welt,

       aus fernen Sternen wieder auf die Erde

       sanft wie ein Frühlingsregen fällt.

       Das Buch von der Armut und vom Tode

       Inhaltsverzeichnis

      (1903)

      Vielleicht, daß ich durch schwere Berge gehe

       in harten Adern, wie ein Erz allein;

       und bin so tief, daß ich kein Ende sehe

       und keine Ferne: alles wurde Nähe

       und alle Nähe wurde Stein.

      Ich bin ja noch kein Wissender im Wehe, –

       so macht mich dieses große Dunkel klein;

       bist Du es aber: mach dich schwer, brich ein:

       daß deine ganze Hand an mir geschehe

       und ich an dir mit meinem ganzen Schrein.

      Du Berg, der blieb da die Gebirge kamen, –

       Hang ohne Hütten, Gipfel ohne Namen,

       ewiger Schnee, in dem die Sterne lahmen,

       und Träger jener Tale der Cyclamen,

       aus denen aller Duft der Erde geht;

       du, aller Berge Mund und Minaret

       (von dem noch nie der Abendruf erschallte):

      Geh ich in dir jetzt? Bin ich im Basalte

       wie ein noch ungefundenes Metall?

       Ehrfürchtig füll ich deine Felsenfalte,

       und deine Härte fühl ich überall.

      Oder ist das die Angst, in der ich bin?

       die tiefe Angst der übergroßen Städte,

       in die du mich gestellt hast bis ans Kinn?

      O daß dir einer recht geredet hätte

       von ihres Wesens Wahn und Abersinn.

       Du stündest auf, du Sturm aus Anbeginn,

       und triebest sie wie Hülsen vor dir hin …

      Und willst du jetzt von mir: so rede recht, –

       so bin ich nichtmehr Herr in meinem Munde,

       der nichts als zugehn will wie eine Wunde;

       und meine Hände halten sich wie Hunde

       an meinen Seiten, jedem Ruf zu schlecht.

      Du zwingst mich, Herr, zu einer fremden Stunde.

      Mach mich zum Wächter deiner Weiten,

       mach mich zum Horchenden am Stein,

       gib mir die Augen auszubreiten

       auf deiner Meere Einsamsein;

       laß mich der Flüsse Gang begleiten

       aus dem Geschrei zu beiden Seiten

       weit in den Klang der Nacht hinein.

      Schick mich in deine leeren Länder,

       durch die die weiten Winde gehn,

       wo große Klöster wie Gewänder

       um ungelebte Leben stehn.

       Dort will ich mich zu Pilgern halten,

       von ihren Stimmen und Gestalten

       durch keinen Trug mehr abgetrennt,

       und hinter einem blinden Alten

       des Weges gehn, den keiner kennt.

      Denn, Herr, die großen Städte sind

       verlorene und aufgelöste;

       wie Flucht vor Flammen ist die größte, –

       und ist kein Trost, daß er sie tröste,

       und ihre kleine Zeit verrinnt.

      Da leben Menschen, leben schlecht und schwer,

       in tiefen Zimmern, bange von Gebärde,

       geängsteter denn eine Erstlingsherde;

       und draußen wacht und atmet deine Erde,

       sie aber sind und wissen es nicht mehr.

      Da wachsen Kinder auf an Fensterstufen,

       die immer in demselben Schatten sind,

       und wissen nicht, daß draußen Blumen rufen

       zu einem Tag voll Weite, Glück und Wind, –

       und müssen Kind sein und sind traurig Kind.

      Da blühen Jungfraun auf zum Unbekannten

       und sehnen


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