Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох


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erröthete etwas und senkte den Blick.

      »Also Kohle war der Freund der Pana Nikolaja. Wie sie noch ein kleines Eichen war, im warmen Sande lag, da kam Kohle – selbst ein Kind – zu ihr und leckte sie, so mit der Zunge gleich über das ganze Gesicht, und das Kindchen legte ihm die Fingerchen zwischen die großen Zähne und lachte und mein Hund lachte auch.

      Dann wuchsen sie beide auf. Kohle wurde groß und stark wie ein Bär; Nikolaja konnte nicht so schnell nachkommen; aber lieb hatten sie sich immerfort. Und als Kohle zu den Schafen kam – nicht daß man ihn hingab. Lassen Sie sich das sagen. Er war so großmüthig von Natur, er mußte immer etwas zu beschützen haben. Auf Meilen war kein Thier wie er.

      Wenn er einen Hund zerriß, so war es, weil er einen andern gebissen hatte. Ihm wich der Wolf aus und der Bär blieb aus, wenn er Wache hielt.

      So fiel es meinem Kohle ein, die Schafe zu beschützen. Das waren so recht arme, ängstliche Thiere, so recht für meinen Kohle. Er kam also zu ihnen und machte fortan nur noch Besuche im Herrenhause; und wenn er zurückkam, da drängten sich die Lämmer um ihn und grüßten ihn und er leckte nur so nach links und rechts mit seiner rothen Zunge, als wollte er sagen: »Ist schon gut! ich weiß schon.« – Nikolaja machte also jetzt auch ihre Besuche in der Hürde und sie nahmen es beide genau. Wenn das Kind einmal ausblieb, schmollte der Hund und lief einmal statt in den Hof in den Wald, wo er sich den Spaß machte, dem Wolfe sein Weib zu verführen.

      Es war ein majestätisches Thier. Wenn Nikolaja kam, trieb er ihr die kleinen Lämmchen zu. Sie setzte sich auf seinen Rücken und er trug sie so leicht, was leicht? – stolz! er wußte was er trug.

      Wie ich Kohle kennen lernte, war er alt, hatte schlechte Zähne, ein lahmes Bein, schlief oft und es geschah, daß da und dort ein Lamm verloren ging.

      Um diese Zeit sprach man in unserer Gegend viel von einem Bären, einem ungeheuren Bären, sag’ ich Ihnen, der sich auch bei den Senkows sehen ließ.

      Ich dachte gleich an meinen Bären in der Schlucht und schämte mich etwas.

      Einmal reite ich wieder zu den Senkows; da laufen mir Bauern über den Weg, rennen gegen die Hürde – ein Tumult – ich sporne mein Pferd, von weitem höre ich – »der Bär! der Bär!« – Die Angst kommt mir, ich jage nur hin, springe vom Pferd, da steht ein Haufe Volk – Nikolaja liegt am Boden, den Wolfshund in den Armen und schluchzt. Die Leute stehen herum und flüstern nur.

      Der Bär war da, der große Bär und holt ein Lamm. Die Hirten, die Hunde, rühren sich nicht, heulen nur aus Leibeskräften, das Fräulein schreit auf, Kohle schämt sich und springt mit seinem lahmen Bein über den Zaun, gerade hin auf den Bären.

      Seine Zähne sind stumpf. Er packt den Bären, der Bär ihn – die Hirten rennen heraus mit der Flinte, der Bär flieht, das Lamm ist gerettet, Kohle aber schleppt sich nur einige Schritte und fällt, wie ein Held sag’ ich Ihnen –. Nikolaja wirft sich über ihn, schließt den Wolfshund an ihre Brust. Ihre Thränen fließen bis auf seinen Kopf, er sieht hinauf zu ihr, zieht noch einmal Luft – es ist zu Ende.

      Ich habe ein Gefühl wie wenn ich einen Mord begangen hätte. »Lassen Sie ihn Pana Nikolaja,« sag’ ich. Sie aber hebt die Augen voll Thränen zu mir und sagt: »Sie sind ein harter Mensch, Demetrius,« – so heiße ich nämlich. »Ich ein harter Mensch! denken Sie!«

      Ich gebe mein Pferd den Hirten, nehme mir ein langes Messer, schleife es noch, nehme die alte Flinte, ziehe die Ladung heraus, lade sie wieder selbst; noch eine Handvoll Pulver und gehacktes Blei in den Sack, und fort – in das Gebirge.

      Ich wußte, daß er durch die Schlucht kommen werde.«

      »Der Bär?«

      »So ist es. Ihn erwartete ich ja. Ich stellte mich in die Schlucht, dort war an ein Ausweichen nicht zu denken. Die Wände fielen nur so gleich ab, steil, steinhart. Oben standen die Bäume, aber keiner ließ seine Wurzel so weit herab, daß man sie mit der Hand erreichen und sich hinaufschwingen konnte.

      Er kann nicht ausweichen – und er kehrt auch nicht um – und ich auch nicht.

      So stehe ich denn und erwarte ihn.

      Waren Sie je einsam? – Wissen Sie, was das heißt, Jemand erwarten? – Eines peinlich genug, einen Menschen zu zerfleischen. Hier aber stand ich im einsamen Urwald und ein Bär war es, den ich erwartete.

      Komische Vorsicht, kopflose Klugheit der Aufregung! Da stieß ich noch einmal meinen Ladstock in den Lauf, damit die Kugel festsitze.

      Ich weiß nicht wie lange ich gewartet.

      Es war einsam, unendlich einsam.

      Da raschelt das Laub hoch oben in der Schlucht, Schritt für Schritt, wie die schweren Stiefel eines Bauers.

      Jetzt brummt er so vor sich hin.

      Da ist er.

      Er sieht mich und hält stille.

      Ich trete noch einen Schritt vor und spanne – was spanne? – will den Hahn spannen. Greif herum, finde nicht – kein Hahn an der Flinte! Ich mache nur das Kreuz, werfe den Rock ab, wickle ihn um den linken Arm – der Bär kommt auch schon.

      »Hopp Bruder!« rufe ich. Aber er hört gar nicht auf mich, sieht mich auch nicht an.

      Halt Bruder, ich will dich russisch lernen!

      Drehe meine Flinte um und haue mit aller Kraft über seine Schnauze. Der brüllt, steht auf, ich den linken Arm in seine Zähne, das Messer in sein Herz, er die Tatzen um mich –

      Das Blut stürzt über mich wie eine Welle – die Welt geht unter.

      Er saß eine Weile, stützte den Kopf, schwieg.

      Dann schlug er mit der flachen Hand leicht auf den Tisch und sprach lächelnd: »Da hab’ ich Ihnen richtig so eine Anekdote erzählt. Aber Sie sollen seine Tatzen sehen. Erlauben Sie, daß ich mein Hemd aufmache –« Er zog es auseinander und zeigte an jeder Seite seiner Brust eine Narbe wie die eingedrückte, weiße Hand eines riesigen Menschen.

      »Er hat mich gut gefaßt.«

      Die Gläser waren leer. Ich winkte Moschku, eine neue Flasche zu bringen.

      »So fanden mich also die Bauern,« fuhr mein Bojar fort, »aber lassen wir das. Ich lag also lange im Hause bei den Senkows, im Fieber. Wenn ich bei Tage zu mir kam, saßen sie um mich, auch meine Leute, wie um einen Sterbenden, aber Vater Senkow sagte: »Nun es geht ja gut!« und Nikolaja lachte. Einmal erwache ich Nachts und sehe um mich. Da brennt nur eine einsame Lampe. Nikolaja liegt auf den Knien und betet.

      Genug davon. Es ist vorbei, nur manchmal kommt es noch im Traum. Genug. Sie sehen, ich bin nicht gestorben.

      Jetzt kam Vater Senkow oft zu uns auf seiner Britschka und mein Vater wieder hinüber. Die Frauen nicht selten mit. Die alten Leute flüsterten und kam ich dazu, so lächelte Senkow, zwinkerte mit den Augen und bot mir eine Prise.

      Nikolaja – liebte mich. So herzlich! glauben Sie mir. Ich glaubte es wenigstens und auch – die alten Leute glaubten es.

      So wurde sie denn mein Weib.

      Mein Vater übergab mir die Wirthschaft. Senkow gab seiner Tochter ein ganzes Dorf.

      Die Hochzeit war in Czernelica. Alles besoffen, sag’ ich Ihnen, mein Vater tanzte mit Madame Senkow den Kosak.

      Am nächsten Abend – sie suchten noch alle, wie die Todten am jüngsten Tage, ihre Glieder zusammen und fanden sie nicht – spannte ich selbst sechs Pferde, alle weiß wie Tauben, vor meinen Wagen. Das glänzende langhaarige Fell meines todten Bären lag über den Sitz gebreitet, die Tatzen mit vergoldeten Nägeln bis auf den Wagentritt herab von jeder Seite, der große Kopf mit funkelnden Augen wie lebendig zu den Füßen. Meine Leute, Bauern, Kosaken zu Pferde Fackeln, Brände in den Händen; ich mein Weib im rothen Hermelinpelz auf die Schulter und trage sie in den Wagen. Meine Leute jauchzen, sie sitzt wie eine Fürstin in dem Pelz des Bären, die kleinen Füße auf seinem großen Kopfe.

      Mein


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