Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох
wie um das Leben, das Blut rinnt ihr vom Nacken.
Mein Gott! möchte der Mann sich nicht auch auf das Weib werfen wie auf den Feind? Fühlt er sich nicht endlich wie unterworfen einem unbarmherzigen Feind?
Legt er dem Weibe nicht den stolzen Kopf vor die Füße und fleht: »Trete mich, trete mich mit deinem Fuße, ich will dein Sklave sein, dein Knecht, aber komm, erlöse mich!«
Ja, die Liebe ist ein Leiden, der Genuß – Erlösung! Aber es ist dann eine Gewalt, die Eines über das Andere übt, es ist ein Wettstreit, sich dem Andern zu unterwerfen. Liebe ist Sklaverei und man wird Sklave, wenn man liebt. Man fühlt sich vom Weibe mißhandelt, man schwelgt nur in der Wollust ihrer Despotie und Grausamkeit. Man küßt den Fuß, der uns tritt.
Ein Weib, das ich liebe, macht mir Angst. Ich zittere, wenn sie plötzlich durch das Zimmer geht und ihre Kleider rauschen; eine Bewegung, die mich überrascht, erschreckt mich.
Man möchte sich vermählen für die Ewigkeit, für diese und eine andere Welt, man möchte nur ineinander fließen. Man taucht seine Seele in die fremde Seele, man steigt hinab in die fremde, feindliche Natur und empfängt ihre Taufe. Es ist lächerlich, ganz lächerlich, daß man nicht immer zusammen war. Man zittert jeden Augenblick, sich zu verlieren. Man erschrickt, wenn der Andere das Auge schließt, wenn er seine Stimme verändert. Man möchte ganz nur Ein Wesen werden, alle Eigenschaften, Ideen, Heiligthümer eines Lebens möchte man aus seinem Wesen reißen, um ganz nur mit dem andern sich zu verschmelzen. Man gibt sich hin – wie eine Sache – wie einen Stoff. Mache aus mir, was du bist!
Wie zum Selbstmorde wirft man sich in die andere Natur, bis sich die eigene empört.
Da kommt der Schauer, ganz sich zu verlieren. Man fühlt wie einen Haß gegen die Gewalt des Andern. Man glaubt sich todt. Man will sich auflehnen gegen die Tyrannei des fremden Lebens, sich wiederfinden in sich selbst.
Das ist die Auferstehung der Natur.«
Er suchte einen zweiten Papierfetzen hervor.
»Der Mann hat seine Arbeit, seine Absichten, seine Unternehmung, seine Ideen!
Sie schweben um ihn mit Taubenflügeln, sie heben ihn mit Adlersfittichen. Sie lassen ihn nicht versinken.
Aber das Weib?
Das schreit nach Hülfe. Ihr Ich will nicht sterben, es will nicht! und keine Hülfe!
Da trägt sie noch sein Ebenbild unter dem Herzen, fühlt, wie es wächst und sich bewegt – lebt! – Da – da hält sie’s endlich in den Armen. Sie hebt es auf –
Wie ist ihr nun?
Träumt sie? Da spricht das Kind zu ihr: »Ich bin du, und du lebst in mir. Sieh mich nur an, ich rette dich.«
Sie hält das Kind an ihre Brust und ist gerettet.
Nun pflegt sie sich, ihr Selbst, das sie verachtet und verstoßen in dem Kinde, und sieht es groß werden auf ihrem Schooß und gibt sich hin und hängt sich ganz daran.«
Damit legte er die Gedankenfetzen seines Freundes zusammen und verbarg sie an seiner Brust. Dann fühlte er noch einmal mit der flachen Hand darnach und knöpfte seinen Rock zu.
»So war es bei mir auch,« sagte er, »ganz so. Freilich versteh’ ich das nicht so zu erklären, wie Leon Bodoschkan, wissen Sie, aber ich will es Ihnen doch erzählen. Was meinen Sie?«
»Natürlich, Bruder.«
»So war es also auch bei mir. Ganz so; ganz so. Glauben Sie mir, ganz so –«
Ich wollte meinen neuen Freund anregen und sagte kaltblütig: »Gewöhnlich nennt man das Kind ein Pfand der Liebe.«
Mein Landedelmann hielt einen Augenblick inne und sah ganz so aus, als hätte ich ihn tödtlich beleidigt. »Ein Pfand der Liebe!« rief er, »ja wohl, ein Pfand der Liebe!
Also ich komme nach Hause. In so einer Wirthschaft, was es da Arbeit gibt! Komme müde wie ein Jagdhund. Nimm mein Weib in die Arme, küsse sie, ihre Hand streicht mir so die Sorgen von der Stirne. Ich streiche mich an ihr wie ein Kater, sie lacht – da schreit daneben das Pfand der Liebe – aus ist die Geschichte. Können bei der Vorrede anfangen, wenn Sie wollen. Aus, sag’ ich Ihnen.
Den ganzen Vormittag wüthet man herum mit dem Mandatar, mit dem Oekonom, mit dem Förster. Setzt sich zum Mittagessen, richtig – kaum hat man die Serviette umgebunden – ich binde sie nämlich, Alles nach altem Style – da weint auch mein Pfand der Liebe, weil es nicht von dem Mädchen nehmen will. Mein Weibchen steht auf, füttert das Kind. Aber das Kind verlangt nach dem Fleisch und schreit – fort ins Nebenzimmer und ich kann allein speisen und mir dazu ein Lied pfeifen, wenn ich will, z. B.:
»Sitzt der Kater
Auf dem Zaun
Und thut mau’n.
Gelt, mein Gesang
Ist gar nicht lang?«
Da geht man allenfalls – auf die Entenjagd.
Den ganzen Tag bis an die Kniee im Wasser. Man freut sich auf ein gutes Bett.
Was nennen Sie z. B. ein gutes Bett?
Eine gute Matratze, nicht wahr? gute Polster, warme Decken und ein hübsches Weib?«
Er wurde roth, stotterte etwas.
»Nun gut. Man küßt seinem Weibchen rothe Flecke auf Wangen, Nacken, Busen. Man läßt seine Hände die vollen Hüften hinabgleiten – da schreit das Pfand der Liebe.
Das Weib springt aus dem Bette, schlüpft in die Pantoffel und geht auf und ab, das Kind in den Armen wiegend. La! La! La! hört man’s die halbe Nacht und schläft – allein. La! La! La! –
Da kommt so ein Jahr.
Es ist allen so seltsam. Es hängt was in der Luft. Jeder weiß es und Keiner kann es nennen.
Man sieht fremde Gesichter. Die polnischen Gutsbesitzer fahren hin und her. Der kauft ein Pferd, jener Pulver. Nachts sieht man einen Feuerstreif am Himmel. Die Bauern stehen zusammen vor der Schenke und sagen: das ist Krieg, oder die Cholera, oder Revolution.
Es kommt über einen wie Kummer. Man spürt auf einmal, daß man ein Vaterland hat, das seine Grenzpfähle tief hineingesenkt in slavische, deutsche und andere Erde. Was wollen die Polaken? denkt man und sorgt um den Adler vor dem Kreisamte und sorgt um seine Scheune. Man geht Nachts um sein Haus, ob sie einem kein Feuer angelegt haben.
Man will sich aussprechen.
Mit wem? Mit seinem Weibe. Ha! Ha! Ha! heult richtig das Pfand der Liebe, weil ihm eine Fliege auf der Nase sitzt.
Ich trete vor das Haus.
Am Horizont ist eine Feuerröthe. Ein Bauer reitet vorbei, schreit: Revolution! in den Hof und treibt sein mageres Pferd an.
Im Dorfe läuten sie Sturm.
Ein Bauer nagelt seine Sense gerade, zwei kommen, die Dreschflegel auf der Schulter.
Andere treten in den Hof.
»Herr! sehen wir uns vor – die Polen kommen.« Ich lade meine Pistolen, laß den Säbel schleifen.
»Mein Weib, gib mir ein Band auf die Mütze, einen Fetzen meinetwegen, – wenn’s nur schwarzgelb ist –« – Ha! Ha! Ha! Glauben Sie? – »Mach’ fort;« heißt es, »mir weint, mir stirbt mein Kind, reit’ ins Dorf, verbiet’ mir gleich das Läuten. Mach’ fort.« – »Oho! jetzt ist das anders, ich lasse Sturm läuten in allen Dörfern; der Balg soll heulen, weißt du – das Land ist in Gefahr!« –
Ach ich sage Ihnen. Nun gut.
Endlich ist sie einmal bei mir. Wir sitzen so auf dem Diwan, ich den Arm um sie. Da horcht sie, ob sich das Kind nicht regt. »Was hast du gesagt?« fragt sie nach einer Weile. »Nichts,« sag’ ich. »Nichts,« aber mein Herz thut mir weh, ich versichere. –
»Wo ist deine Kazabaika, Nikolaja?« – Ach! bedenke doch, im Haus