Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох


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Erntekranz zu Füßen. Jauchzten, sangen, tanzten; sie nahm ein Glas Branntwein: »Bleibt gesund!« und trank es aus.

      Die Füße, sag’ ich Ihnen, küßten sie ihr nur.

      Da ritt sie auch mit mir. Ich hielt ihr die Hand hin, sie trat nur hinein und war auch im Sattel. Zu Pferde hatte sie eine Kosakenmütze, die goldene Quaste tanzte auf ihrem Nacken, und das Pferd wieherte und blies die Nüstern auf, wenn sie es auf den Hals klopfte.

      Dann lernte ich sie auch mit der Flinte umgehen. Ich hatte so eine kleine. Hatte Sperlinge damit geschossen, wie ich klein war. Sie warf sie über die Schulter, ging mit mir durch die Wiese und schoß Wachteln. Prächtig! sag’ ich ihnen, prächtig! – Da fliegt ein Geier aus dem Walde her, nimmt mir meine Hühner, nimmt meiner Nikolaja gerade die schwarze Henne mit dem weißen Schopf. Ich passe ihm auf. Kannst warten!

      Da komm’ ich vom Erdäpfelgraben zurück, so eine Gerte in der Hand. Da ist er.

      Schreit noch und kreist um den Hof Ich fluche nur. – Da fällt ein Schuß. Er schlägt nur einmal in der Luft und gleich zu Boden.

      Wer hat geschossen?

      Mein Weib. »Der nimmt mir keine Henne mehr,« sagt sie, und nagelt ihn an das Scheunenthor. Kommt der Faktor, packt mit großem Geschrei alle seine Ballen aus. Alles ächt, Alles neu, Alles billig. – Weiß die zu handeln!

      Der Jude seufzt nur immer. »Eine gestrenge Frau,« sagt er, aber küßt ihr den Ellenbogen.

      Fahre ihnen in die Stadt.

      Geht die Frau Starostin, hat ein blaues Kleid mit weißen Fliegen. Muß Mode sein. Kaufe ein blaues Kleid mit weißen Fliegen. Meine Nikolaja wird roth.

      Fahre einmal nach Brody, bringe Sammet von allen Farben, Seidenstoffe, Pelze, was für Pelze! Alles geschwärzt! Das Herz schlägt ihr, sag’ ich Ihnen.

      Die war ihnen angezogen. Hinzuknieen!

      Da hatte sie eine Kazabaika, saftgrün, ausgezeichnet saftgrün, und sibirische graue Eichhörnchen – die Kaiserin von Rußland hat keine besseren – Eichhörnchen daran, so handbreit gleich. Und ganz gefüttert mit dem silbergrauen Pelz, so weich, sag’ ich Ihnen.

      Da lag sie so an den langen Abenden auf dem Diwan, die Arme unter dem Kopf gekreuzt, und ich lese ihr vor.

      Das Feuer knistert, der Samowar singt, das Heimchen zirpt, der Holzwurm klopft, das Mäuschen nagt, denn die weiße Katze liegt auf dem Vorsprung und spinnt.

      Lese ihr alle Romane. In der Kreisstadt, wissen Sie, war ja schon die Leihbibliothek und dann die Nachbaren – hat Der ein Buch und Jener.

      Sie liegt mit geschlossenen Augen und ich im Lehnstuhl und wir verschlingen die Bücher nur so. Schlafen oft lange nicht ein. Sprechen so, ob der die bekommen wird oder nicht. Wenn etwa so eine Edelmuthsgeschichte vorkommt, da kann meine Nikolaja bis in die kleinen Ohrläppchen dunkelroth werden vor Zorn. Da richtet sie sich etwas auf, stützt sich mit der Hand und sagt zu mir, als hätte ich das geschrieben: »Sie soll das nicht thun, hörst du?« – und weint beinahe.

      Die Frauen, wissen Sie, die sind in den Romanen besonders edelmüthig. Da, wenn der Geliebte in Gefahr ist, sind sie gleich dabei, sich zu – opfern, denken Sie. Der Teufel könnt’ einen holen. Einmal da kommt auch so eine Szene vor, wo eine Frau den Mann hingibt, um ihr Kind zu retten. Eine dumme Geschichte, sag’ ich Ihnen; »die Macht der Mutterliebe,« glaub’ ich, heißt das Buch. Eine dumme Geschichte, aber meine Nikolaja fiebert und will viele Wochen kein Buch sehen.

      Oft springt sie auf, schlägt mir das Buch ins Gesicht und zeigt mir die Zunge. Hetzen dann wie Kinder. Ich verstecke mich hinter den Thüren und schrecke sie.

      Oder sie führt mit mir ganze Märchen auf.

      Geht in ihr Zimmer. »Wenn ich wieder komme, bist du mein Sklave.« Dann zieht sie sich als Sultanin an, schlingt einen Shawl um die Lenden, einen anderen um den Kopf wie einen Turban. Meinen Tscherkessendolch im Gürtel, ganz in einen weißen Schleier gehüllt, so kommt sie heraus. Ein Weib! – eine Gottheit von einem Weibe!

      Wenn sie schlief, konnte ich Stunden lang sie nur ansehen, wie sie athmete, und wenn sie einmal seufzte, wurde es mir so weh um das Herz, als hätte ich ihr das schwerste Unrecht zugefügt, und eine Angst kam über mich, sie sei nicht mein, sie sei gestorben. Und rief ich sie beim Namen, dann setzte sie sich auf, sah mich groß an und lachte.

      Aber die Sultanin konnte sie am besten machen. Sie verzog keine Miene. Wenn ich sagte: »Aber Nikolaja,« und spaßte, sie zog nur die Brauen in die Höhe und bohrte ihre Augen in mich, daß ich mich beinahe schon am Pfahle fühlte. »Bist du bei Sinnen, Sklave?« – Wirklich, da war nichts zu machen. Ich war ihr Sklave und sie gebot wie eine Sultanin.

      So lebten wir denn wie ein paar Schwalben, saßen zusammen und zwitscherten.

      Eine süße Hoffnung erhöhte unsere Freuden. Und doch, wie bange war mir um das Weib. Ich streichelte ihr oft nur so die Haare aus der Stirne und die Thränen traten mir in die Augen. Sie verstand mich, nahm mich um den Hals und weinte.

      Aber es kam unerwartet wie das Glück. Ich fuhr nach Kolomea um den Arzt und wie ich hereintrete, hält sie mir das Kind entgegen.

      Die Eltern floßen förmlich vor Freude, die Dienstleute – das schrie und lachte, und Alles besoffen, und auf der Scheune stand der Storch und hielt nachdenklich ein Bein in die Höhe.

      Da gab es zu denken, zu sorgen, und jede schwere Stunde band uns nur noch fester zusammen.

      Aber so blieb es nicht.«

      Seine Stimme war unendlich sanft und leise geworden, sie zitterte nur so in der Luft, leise, wie der dünne Dampf seiner Pfeife.

      »Es konnte nicht so bleiben – ich bitte Sie – und dann – so und so – verstehen Sie mich. Es ist so eine Regel. – Ich meine, es ist so die Natur. Ich habe oft darüber nachgedacht, was meinen Sie?

      Ich habe einen Freund gehabt – Leon Bodoschkan. Er hat zu viel gelesen und ist darüber krank geworden. Der hat mir oft gesagt –

      Aber wozu das? Ich kann Ihnen ja –«

      Er zog einige vergilbte Streifen Papier aus der Brust.

      »Viel geschrieben hat er auch. War so unbekannt, aber er kannte Alles, so – er sah so hinein wie in ein Gebirgswasser. Die Menschen machte er auf wie Uhren und sah hinein, ob Alles in Ordnung sei. Sagte gleich, wo es fehle. Er verstand Ihnen, wenn die Katzen z. B. zusammen sprachen, lachte und sagte gleich, was sie wollen. Da nahm er Ihnen eine Blume, schnitt sie auf und zeigte Ihnen, wie sie lebt, wie sie sich ernährt. Er sprach gerne von den Frauen.

      Die Frauen und die Philosophie, wissen Sie, haben ihn ruinirt.

      Da schrieb er oft was nieder und wenn er im Walde ging, warf er Alles von sich. Das Papier ängstigte ihn.

      Aber das vergesse ich sonst.

      Er sagte, wer seine Liebe auf einem Papier niederschreiben kann, liebt nicht.

      Er konnte dicke Bücher lesen in Schweinsleder, den ganzen Nestor – aber vor einem Liebesbriefe lief er davon.

      Also z. B.«

      Damit legte er die schmutzigen Papierstreifen auf den Tisch.

      »Nein! Das ist eine Rechnung.« Er steckte sie wieder ein. »Da ist es.« Er hustete und las dann:

      »Was ist unser Leben? – Leiden, Zweifel, Angst, Verzweiflung.

      Weißt du, woher du kommst? Wer du bist? Wohin du gehst?

      Und keine Gewalt zu haben über die Natur, und keine Antwort zu bekommen auf diese arme verzweifelte Frage. Unsere ganze Weisheit ist zuletzt der Selbstmord.

      Aber die Natur hat uns ein Leiden gegeben, noch entsetzlicher als das Leben – die Liebe.

      Die Menschen nennen sie Freude, Wollust« –

      Mein Freund pflegte bei diesen Worten immer bitterlich zu lachen. – »Sieh’ den Wolf an,« sagte er


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