Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох
mich aufputze, erkennt mich mein Kind nicht. Du wirst doch einsehen?« – »Freilich, ich sehe Alles ein, Alles.« – Aber wenn Gäste da sind, wissen Sie, da kann das Kind schreien. Da läuft sie einen Augenblick hinein, schenkt dann den Thee ein, lacht und plaudert, denn was thut man nicht bei uns für Gäste?
Oho! Da ist auch wieder einmal die saftgrüne Jacke mit sibirischen Eichhörnchen ausgeschlagen. »Ich muß mich doch anziehen für die Gäste.« Sehen Sie! – Da gehe ich einmal nach langer Zeit auf die Bärenjagd. Mein Weib wiegt das Kind und wenn ich sie küsse, sagt sie: »Geh fort, Du weckst das Kind.« Was mache ich? Ich gehe also.
Mein Heger hat den Bären gesehen – aber da hätt’ ich Ihnen beinahe wieder so eine Anekdote erzählt. Also gut. Wir waren in Gefahr, der Heger und ich. Ein Bauer lief voraus.
Ein Tumult im Hause, sag’ ich Ihnen; wir kommen an – mein Weib hängt mir an meinem Hals. Sie bringt mir mein Kind.
Das Blut, wissen Sie, rinnt mir vom Kopfe – das Kind schreit. – »Geh fort!« –
Er zuckte verächtlich die Achsel.
»Es war nicht der Rede werth das Bischen Blut und die Thränen des armen kleinen Kindes, aber – auch war ja die Gefahr für mich vorüber – die Frauen sind sehr praktisch. Gut, ich wasche mir das Blut herab. Der Heger, ein alter Soldat, verbindet mich. Aber was glauben Sie, das Pfand der Liebe schreit wieder über mein weißes Tuch. »Geh fort, fort! Das Kind bekommt die Freisen. Fort!« – Freilich, was ist da zu machen? Man wirft sich auf sein Bett und liegt da allein, wie vordem, eh’ man ein Weib gekannt.
Der Teufel hol’ das Pfand der Liebe! Gott, verzeih’ mir die Sünde.«
Er machte das Kreuz, spuckte trotzig aus und fuhr fort:
»Das Bärenfell breite ich meiner Frau vor das Bett. Was glauben Sie? sie schreit auf. »Geh’ mir mit dem Fell, es erinnert mich an die Angst meines Kindes.« Bedenken Sie, nicht an mein Blut, an die Gefahr! Oh! die Frauen sind praktisch! verflucht praktisch!
»Erlauben Sie,« sprach ich, »haben Sie Ihrer Frau gesagt –«
»Verzeihen Sie –«, unterbrach er mich beinahe heftig. Seine Nasenflügel flogen auf und ab.
»Ich sagte ihr – O! – wissen Sie, was sie zur Antwort gab? – – »Gut, wozu dann die Kinder?« – Denken Sie, sie wäre im Stande gewesen – man ist der Sklave so eines Weibes. Will man ihr gleich untreu werden? Nein? – Oder ein Mönch? Auch nicht. Was bleibt, als sich treten lassen. O, es gab eine Zeit, wo ich mein Kind – verstehen Sie mich – z. B. so eine Scene.
Ich rauche früh meine Pfeife, eine lange türkische, wie die da, mit einem durchbrochenen Drahtdeckel. Das schreit natürlich gleich nach dem Feuer. Ich laß es schreien. Meine Frau fiebert schon. »So gib ihm doch« – sie meint den Bernstein. – Ich aber halte ihm die rothe glühende Pfeife hin. Das greift hin und schreit und weint.
»Jesus Maria, das arme Kind!« Ich aber wünsche meiner Frau eine gute Unterhaltung, geh’ mit der Büchse auf das Feld und kann mich zu Tode lachen, daß die zurückbleibt bei dem weinenden Kind mit den verbrannten Fingern.
Damals war mein Gemüth nicht mehr so. – Ah! was! es geht bereits so. Man thut, was man kann. Aber – belieben Sie selbst nachzudenken. – z. B. Ist Ihnen eine Uhr plötzlich stehen geblieben? Eine Wanduhr? Na gewiß. Aber sind Sie ungeduldig?«
»Manchmal.«
»Gut. Sie sind also ungeduldig. Die Uhr soll gehen. Im Moment. Geben so einen Stoß, allenfalls dem Pendel. Richtig, sie geht. Ja, wie lange! – Da steht sie wieder. – Noch einmal. – Noch einmal. Steht wieder. Na, wird man ungeduldig. Stoßt nur so in sie. – Gut – jetzt bleibt sie ganz stehen.
So geht es einem, wenn man sein Herz in Ordnung bringen will, gerade so.
Nun, man liebt seine Frau, man will doch auch mehr als sein Bett.
Sehen Sie, es ist wie ein Schmerz, wenn man nach dem Weibe verlangt. Aber dann ist es aus.
Man sieht, du bist erlöst, weiter nichts.
Man sieht, daß das eigentlich nichts ist, daß es etwas anderes gibt, mehr; daß Mann und Weib mehr sind, als Wolf und Wölfin. Aber das war Alles umsonst.
Nehmen Sie an, meine Frau ist ein Buch allenfalls. Also möchte ich es gerne ganz lesen. Ich aber muß immer von vorne anfangen. Endlich schlag’ ich es zu. Mag es zu Ende lesen, wer da will. –
Anfangs, verstehen Sie, Bruder, wollte ich mich nur zerstreuen.
Da herum lagen die Husaren.
Machte ich also Bekanntschaft mit den Officieren. Waren Ihnen das Leute! Der Banay z. B., kennen Sie ihn nicht?«
»Nein.«
»Oder den Baron Pál. Auch nicht? Aber den Nemethy mit dem spitzen Schnurrbart haben Sie gewiß gekannt?
Einmal fuhren wir zu dem, dann zu jenem.
Bei mir aber waren sie beinahe täglich. Da rauchten wir so, tranken unsern Tschai, einer erzählte was; zuletzt spielten wir auch.
Gingen auch viel zusammen auf die Jagd. Ich lernte damals die Schnepfen schießen.
Also meine Frau merkte das. Kam zu mir, setzte sich, war stille, endlich Vorwürfe. Ich sage nur: »Meine Liebe, was hab’ ich denn zu Hause? – übrigens schreit dein Kind.« – Das nächstemal kommt meine Nikolaja in saftgrüner Kazabaika mit silbergrauem Eichhörnchenpelz, eine stolze Frisur, setzt sich mitten unter die Husaren.
Ich lache, die will mich eifersüchtig machen, dreht sich, scherzt und girrt. Mich sieht sie gar nicht an. Meine Husaren, wissen Sie, erstens hatten sie Ehre im Leibe, nichts zu sagen. Dann hatte keiner Lust – wofür denn auch? den Tod, oder doch die Gefahr, oder ein Krüppel werden, wozu? wenn man nicht ein Weib so liebt, daß es alles eins, so oder so.
Aber die necken mich. »Was sagst du dazu, Bruder, deine Frau läßt sich so von uns den Hof machen?« »Macht ihr nur tüchtig den Hof!« »Hab’ ich Recht?« Damals kam aber auch gleich ein Anderer ins Haus – der – Sie kennen ihn so nicht.
Er war mir gleich unausstehlich; so blond, wissen Sie, sehr weiß; ein Gutsbesitzer. Ließ sich von seinem Kammerdiener täglich die Haare brennen, las den Igor vor, den Puschkin, machte gleich die Action dazu – ein ganzer Comödiant, sag’ ich Ihnen.
Also der – der gefiel mir nicht. Aber meiner Frau gefiel er.«
Seine Stimme war heiser geworden. Je mehr er in Leidenschaft gerieth, um so mehr unterdrückte er seinen Ton; er kam so gepreßt, tief aus der Brust.
»Aber das kommt später.
Es war damals ein lustiges Leben.
Im Winter kamen auch die Gutsbesitzer aus der Gegend mit ihren Frauen. Da gab es Tanz, Maskeraden, Schlittenfahrten, alles, alles!
Auch meine Frau war lustig.
Dann im Sommer ein zweites Kind. Auch ein Knabe, beides Knaben.
So war das Einvernehmen etwas hergestellt.
Ich sagte Nikolaja einmal – ich saß an ihrem Bette und deckte sie zu, wenn sie sich herumwarf.
»Ich bitte dich, erbarme dich meiner, nimm eine Amme zu dem Kind.« Sie schüttelt nur den Kopf. Was mach’ ich? – mir kommen die Thränen und ich gehe hinaus. Es war alles vergebens.
Nikolaja beschäftigte sich beinahe ein ganzes Jahr wieder nur mit dem Kinde. Wir sprachen selten.
So kam es denn, wenn ich was erzählen wollte, daß ich weit ausholen mußte und meine Frau begann sich mit mir zu langweilen. Da gähnte sie einmal über das andere, die Augen gingen ihr über. Dann war es auffallend, wie leicht wir in Streit geriethen. Sie wollte immer Recht haben.
Wenn ich eines von den Dienstleuten bevorzugte, gleich war es aus dem Dienst gejagt. Natürlich eine Scene. Oder ich finde, ihr läßt das blaue Tuch gut. Richtig. Am nächsten Sonntag geht die Beschließerin