AUF MESSERS SCHNEIDE (The End 6). G. Michael Hopf

AUF MESSERS SCHNEIDE (The End 6) - G. Michael  Hopf


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hier ist Anna. Dinner ist fertig.«

      Pablo hielt einen Moment inne, machte dann aber weiter.

      »Hector, wo stecken Sie? Wir haben die Essensglocke schon geläutet und warten auf Sie.«

      Er brach ab und kehrte zum Tisch zurück; er öffnete die Tasche, in der das Gerät steckte, nahm es heraus und betätigte die Sprechtaste. »Bitte kommen.« Dabei schaute er den Kommandanten und die anderen im Zelt an, auch die Gefangenen. Sie alle erwiderten seinen Blick verständnislos.

      »Da sind Sie ja. Beeilung, die Fasane sehen herrlich aus.«

      Als er die Taste noch einmal drückte, schrie der zweite Mann: »Hilfe!«

      Pablo legte das Funkgerät nieder, ging schnell hinüber und schlug ihm mit der Zange auf den Mund.

      »Hector, alles okay bei Ihnen?«, fragte Annaliese.

      Nachdem Pablo das Zelt verlassen hatte, antwortete er: »Ja, bin in zehn Minuten da.«

      »In Ordnung.«

      Nun kehrte er nach drinnen zurück und warf das Gerät mit der Zange auf den Tisch. Stattdessen nahm er einen Schlosserhammer, kehrte sich einem der Wächter zu und zeigte auf den ersten Gefangenen. »Halt eines seiner Beine fest.«

      »Jawohl, Imperator.«

      Als der Mann das Bein stillhielt, suchte Pablo die Blicke der übrigen und sagte: »Schaut zu.« Dann schlug er mit dem Hammer aufs Knie – immer wieder, bis die Scheibe völlig zersplittert war.

      Sein Opfer brüllte in unerträglichen Qualen, gab aber keinerlei Informationen preis.

      Darum beschloss Pablo: »Jetzt das andere Bein.«

      Die Wachen führten den Befehl unversehens aus.

      Der Mann stützte sein gesamtes Gewicht auf das heile Bein. Pablo zertrümmerte auch dessen Kniescheibe.

      Der Gefangene hing mit seinem ganzen Gewicht an den Armen, blieb aber weiterhin unbeugsam. »Du kannst mich mal.«

      »Zieht ihm die Hose runter«, ordnete Pablo jetzt an.

      Die beiden anderen Männer ahnten sichtlich, was folgen würde.

      Die Wächter zogen die Hose des Mannes herunter.

      Er hing nackt bis auf seine Socken da, die rot vor Blut waren.

      Pablo warf den Hammer auf den Tisch, suchte eine große Schere aus und schaute wieder die zwei anderen an. »Wollt ihr jetzt reden?«

      »Ich sage dir alles. Bitte tu mir nicht weh«, schluchzte der dritte Mann.

      »Was auch immer du wissen willst, alles«, bekräftigte der zweite.

      Der Erste hing bloß da, zeigte sich aber immer noch widerspenstig.

      »Ein tapferer Kerl bist du«, sagte Pablo zu ihm. »Stark.« Und ohne Zögern schnitt er ihm die Genitalien ab.

      Der Mann heulte vor Schmerz und verlor das Bewusstsein.

      Pablo warf die blutbesudelte Schere wieder auf den Tisch, drehte sich zu Luis um, der schockiert dreinschaute, und sagte: »So macht man das.«

      Der Kommandant nickte mit angsterfülltem Blick.

      Zuletzt nahm Pablo seine Jacke und ging hinaus, wo gleich das Funkgerät wieder piepte. »Jetzt verspäten Sie sich definitiv zum Weihnachtsdinner«, vermeldete Annaliese.

      Er antwortete: »Bin unterwegs.«

      »Verstanden.«

      Noch einmal schaute er durch die Zeltklappe und mahnte: »Besorg mir die Infos.«

      Luis nickte erneut. »Sehr wohl, Imperator«, gab er zurück.

      ***

      Pablo raste zur Farm und sprintete – zumindest für seine Verhältnisse – direkt ins Haus, sobald er ankam.

      Annaliese war die erste Person, auf die er stieß. »Da ist er ja«, sagte sie. »Unser Ehrengast.«

      Er staunte nicht schlecht, da nicht nur ihre Angehörigen zugegen waren, sondern auch eine größere Gruppe aus dem Krankenhaus, das sie auf der Ranch unterhielten.

      »Frohe Weihnachten!«, wünschten alle im Einklang.

      Pablo machte keinen Hehl aus seiner Verwirrung.

      »Sie wirken schlecht gelaunt«, deutete Annaliese besorgt an. »Stimmt etwas nicht?«

      Um sich keine Blöße zu geben, nickte er wieder und blieb kurz angebunden. »Alles gut, nur müde.«

      »Bitte nicht zu müde«, entgegnete sie, während sie ihm aus der Jacke half. »Wir haben einen Grund zum Feiern.«

      »Weihnachten«, präzisierte er.

      »Und Sie, wir feiern Sie. Fünf Monate sind vergangen, seitdem Sie hergebracht wurden, und schauen Sie sich jetzt an.« Als Annaliese die Jacke an einen Stuhl hängte, spürte sie etwas Feuchtes an ihren Fingern und schaute hinunter. Es war Blut. »Hector, haben Sie sich wehgetan?«

      Pablo drehte sich erschrocken um und starrte auf ihre Hand; er schaltete schnell und behauptete: »Finger geschnitten.«

      »Lassen Sie mich mal sehen«, bat sie und kam auf ihn zu.

      »Nein.« Er wich zurück.

      »Ich bin Krankenschwester. Davon verstehe ich was.« Jemand am Tisch lachte.

      »Aufs Klo«, sprach Pablo und hinkte eilig fort. Nachdem er die Badezimmertür geschlossen hatte, suchte er an seinen Händen und Kleidern nach weiteren Blutflecken. Nichts. Er öffnete den verspiegelten Medizinschrank, nahm einen Verband heraus und wickelte ihn um eine seiner Hände. Erleichtert aufatmend hob er den Kopf, wobei er sein Spiegelbild sah. Rasch wandte er sich ab, hielt dann jedoch inne. Indem er sich bewusst dazu zwang, drehte er sich wieder um und schaute hin. Die schrundigen Brandnarben stachen ins Auge; die Haut in der einen Hälfte seines Gesichts sah wie verschmort aus, und selbst die Haare waren nicht vollständig nachgewachsen, nur büschelweise. Er beugte sich weiter nach vorn, bis er einzelne Pigmente seiner Iris ausmachen konnte. Der heutige Abend hatte Erinnerungen geweckt und ihm einen Kitzel beschert, wie er ihn zuletzt vor längerer Zeit verspürt hatte. Er besaß ein Händchen fürs Foltern, vom Verstümmeln und Morden ganz zu schweigen. Es lag ihm im Blut.

      Als es an der Tür klopfte, schreckte er aus seiner Quasi-Trance auf. »Hector, geht es Ihnen gut?«, fragte Annaliese.

      »Hector? Pablo? Wer bist du?«, wisperte er bei sich, während er in den Spiegel schaute. Er spielte bereits seit Monaten Hector und mochte ihn. Anscheinend fanden ihn auch alle anderen sympathisch, doch irgendetwas fehlte Hector. Pablo entsprach dem Gegenteil; ihn mochte niemand, ja streng genommen wurde er gehasst, doch alle Welt fürchtete ihn in gleichem Maße, wie sie ihn hoch achtete. Für wen entscheidest du dich?, fragte er sich.

      Annaliese klopfte noch einmal.

      »Komme«, rief er.

      Sein letzter Blick in den Spiegel fiel in eine Ecke des Raums, woraufhin er zusammenzuckte. »Was tust du hier?«

      An der Tür pochte es erneut. »Wo bleiben Sie?«, wollte Annaliese wissen.

      »Wie kannst du hier sein?«, sprach Pablo laut in die Ecke gerichtet. »Ich habe dich begraben.«

      Sie klopfte lauter.

      »Gehen Sie weg«, verlangte er. Als er sich der Tür zukehrte und öffnete, stand Annaliese noch da.

      »Sie machen mir Sorgen«, sagte sie.

      »Geschnitten«, schob er vor und hob die bandagierte Hand hoch.

      Sie drückte die Tür weiter auf und schaute ins Bad. »Ich hätte schwören können, dass Sie mit jemandem geredet haben.«

      »Selbstgespräche«, erwiderte Pablo.

      »Jetzt aber los, die anderen warten alle«,


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