Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman - Marie Francoise


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Erinnerung in Dr. Daniel anklingen. Unwillkürlich runzelte er die Stirn.

      »Baumgartner«, wiederholte er nachdenklich, dann sah er Annemarie wieder an. »Ich glaube, ich erinnere mich an sie. Sie kam während ihrer Schwangerschaft in unregelmäßigen Abständen zu mir in die Praxis.« Wieder dachte er angestrengt nach. »Sie war zweimal schwanger.« Er zuckte die Schultern. »Es sei denn, ich würde sie verwechseln. Das alles liegt schon sehr lange zurück. Ich war damals noch recht neu in Steinhausen.«

      »Sie erinnern sich richtig«, antwortete Annemarie. »Franz hatte eine kleine Schwester, doch die ist wenige Wochen nach der Geburt gestorben. Er hat es mir einmal erzählt. Obwohl er damals erst sechs Jahre alt war, wußte er das alles noch ganz genau.«

      Dr. Daniel seufzte. Er wollte einfach nicht wahrhaben, daß das nur eine Sackgasse gewesen war. Vor allen Dingen wollte er nicht glauben, daß Franz Baumgartner wirklich rettungslos verloren sei.

      »Über seinen Vater weiß er nichts?« hakte Dr. Daniel aus diesem Grund nach. Natürlich wußte er, daß Mutter oder Geschwister als Knochenmarkspender geeigneter sein würden, aber durch das Auffinden des Vaters würde wenigstens ein Hoffnungsschimmer bleiben.

      Doch Annemarie schüttelte den Kopf. »Seine Mutter hat ihn nie erwähnt.« Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht war ihre Beziehung zu ihm nichts weiter als ein flüchtiges Abenteuer.«

      »Ja… vielleicht«, murmelte Dr. Daniel, dann richtete er seine Konzentration auf Annemarie und ihr Baby. »Fräulein Demel, ich weiß nicht, wie Sie dazu stehen, aber… denken Sie einmal dar-über nach, ob Sie nicht für eine Weile in der Waldsee-Klinik betreut werden möchten. Geregelte Mahlzeiten und ein bißchen Ruhe und Schonung könnten für Ihr Baby im Moment von Vorteil sein.« Er schwieg kurz. »Wenn Sie weiterhin kaum Nahrung zu sich nehmen und derartigen Raubbau mit Ihren Kräften treiben, könnte eine Fehlgeburt die Folge sein, und ich bin sicher, daß Sie die um jeden Preis vermeiden wollen.«

      Unwillkürlich legte Annemarie beide Hände auf ihren Bauch. Die Angst um Franz nahm ihr jegliche Vorfreude auf das Kind, und sie verhinderte auch, daß sich Annemarie mit ihrer Schwangerschaft richtig beschäftigte, trotzdem wollte sie das Baby nicht verlieren, bedeutete es im Augenblick doch die einzig wirklich beständige Verbindung zu Franz. Wenn sein Tod tatsächlich unausweichlich sein würde, dann würde wenigstens ein Teil von ihm in seinem Kind weiterleben. Und gerade die Möglichkeit, daß Franz sterben würde, lag im Moment sehr viel näher als die seiner Genesung.

      »Ich arbeite erst seit wenigen Monaten in der Waldsee-Klinik«, wandte Annemarie ohne große Überzeugung ein. »Da kann ich mich doch jetzt nicht einfach hinlegen und von meinen Kolleginnen betreuen lassen… noch dazu, wo ich ohnehin bald in Mutterschutz gehen werde.«

      »Machen Sie sich jetzt bloß keine Gedanken über so etwas«, entgegnete Dr. Daniel. »Sie stehen gerade eine extreme Ausnahmesituation durch, ich weiß ganz sicher, daß die Ärzte und Schwestern der Waldsee-Klinik die letzten wären, die Ihnen irgendwelche Vorwürfe machen würden.«

      Annemarie dachte eine Weile über diese Worte nach. Obwohl sie ihre neuen Kolleginnen – von Bianca einmal abgesehen – noch nicht sehr gut kannte, wußte sie, daß Dr. Daniel recht hatte. Niemand würde sich darüber mokieren, wenn sie nicht arbeitete – im Gegenteil. Schon jetzt waren alle äußerst rücksichtsvoll, von den anderen Schwestern wurde ihr oftmals sogar Arbeit abgenommen, weil alle wußten, wie groß die Anspannung war, der Annemarie im Moment unterlag.

      Wieder streichelten ihre Hände über den Bauch, in dem sie ihr Baby wußte, wenn man auch noch nicht viel sehen konnte.

      »Ich kann Franz nicht im Stich lassen«, flüsterte sie. »Er braucht mich doch so dringend.«

      Dr. Daniel seufzte leise. Genau damit hatte er gerechnet, und er gestand sich ein, daß er Annemaries Reaktion nur zu gut verstand. Ihre Liebe zu Franz war im Augenblick einfach stärker als die zu ihrem ungeborenen Kind. Sie wollte es nicht verlieren, aber sie konnte ihre Sorge um Franz auch nicht für das Baby zurückstellen.

      »Ich möchte, daß Sie mir etwas versprechen«, meinte Dr. Daniel schließlich. »Ich weiß, daß es nicht leichtfällt, aber Sie müssen versuchen, regelmäßig zu essen und soviel wie möglich zu schlafen. Richten Sie sich in der Angst um Ihren Verlobten nicht zugrunde. Das würde er bestimmt nicht wollen.«

      Annemarie nickte, dann stand sie auf. »Ich muß jetzt in die Klinik. Meine Schicht beginnt in einer Viertelstunde.«

      Auch Dr. Daniel erhob sich, öffnete dann aber die Tür zum Nebenzimmer. »Zuerst muß ich Sie noch untersuchen, Fräulein Demel.«

      Die Untersuchung ergab genau das, womit Dr. Daniel gerechnet hatte. Das Baby konnte sich nicht altersgemäß entwickeln, und wenn Annemarie ihren momentanen Lebensrhythmus nicht schnellstens änderte, würde das Baby nicht überleben.

      »Ich weiß, daß die Sorge um Ihren Verlobten Ihr ganzes Leben beherrscht«, erklärte Dr. Daniel, bevor er sich von Annemarie verabschiedete. »Aber Sie müssen auch an Ihr Kind denken. Verurteilen Sie es nicht zum Tod.«

      *

      Als Annemarie die Praxis verließ, kam ihr Dieter entgegen.

      »Ich war in der Klinik«, erzählte er. »Aber man sagte mir, daß du hier seiest.«

      Annemarie nickte. »Die Vorsorgeuntersuchung war wieder fällig.« Sie sah auf die Uhr. »Ich muß mich beeilen, Dieter, sonst komme ich zu spät.«

      »Ich fahre dich«, bot er an, doch als er wenige Minuten später vor der Waldsee-Klinik anhielt, legte er eine Hand auf Annemaries Arm und hinderte sie so am Aussteigen. »Warst du heute schon bei Franz?«

      Da schlug Annemarie die Hände vors Gesicht und begann haltlos zu schluchzen.

      »Er wird sterben!« stieß sie hervor. »O Gott, Dieter, er wird sterben! Zum jetzigen Zeitpunkt könnte nur noch eine Knochenmarktransplantation… aber er hat ja niemanden… keine Eltern… keine Geschwister…«

      Tiefe Zufriedenheit breitete sich auf Dieters Gesicht aus. Das lief ja besser, als er gedacht hatte. Franz brauchte gar nicht mehr dazu überredet zu werden, die Thiersch-Klinik zu verlassen, weil man ihm dort trotz allen Wissens und aller Medizin ohnehin nicht mehr helfen konnte. Und davon, daß Franz eine leibliche Schwester hatte, wußte niemand – nur er und seine Mutter. Dieter würde dafür sorgen, daß das auch so bleiben würde.

      Wenn Franz erst tot war, konnte sich Dieter als der fürsorgliche Freund zeigen, der Annemarie in dieser schweren Zeit tatkräftig unterstützte. Irgendwann würde er für Annemarie so unentbehrlich geworden sein, daß sie einer Heirat zustimmen würde, und wenn er dann auch noch Franz’ Balg loswerden konnte, wäre das Demel-Vermögen seines!

      *

      Das Gespräch mit Annemarie ließ Dr. Daniel keine Ruhe, und so durchforstete er nach Beendigung der Sprechstunde sein Archiv, in dem abgelegte Karteikarten aufbewahrt wurden. Er mußte mehrere Karteikästen durchwühlen, bis er die Karte von Margarethe Baumgartner fand, und stellte dann fest, daß sie das letzte Mal vor fast zwanzig Jahren in seiner Praxis gewesen war.

      Dr. Daniel zog sich in sein Sprechzimmer zurück, um die Karte intensiv zu studieren. Sehr viele Eintragungen enthielt sie nicht, denn Margarethe Baumgartner war nur in sehr unregelmäßigen Abständen zu ihm in die Praxis gekommen. Beim ersten Mal war sie bereits im fünften Monat schwanger gewesen, und danach hatte Dr. Daniel sie wenige Wochen vor der zu erwartenden Geburt untersucht. In den darauffolgenden fünf Jahren war sie nur einmal wegen einer Eierstockentzündung bei ihm gewesen, und auch während der zweiten Schwangerschaft war sie mit Vorsorgeuntersuchungen ziemlich nachlässig verfahren. Ganze drei Termine hatte sie wahrgenommen, den letzten kurz vor der Geburt des Kindes. Trotzdem konnte Dr. Daniel anhand seiner Eintragungen feststellen, daß beide Schwangerschaften problemlos verlaufen waren.

      Einem Impuls zufolge griff Dr. Daniel nach dem Telefonhörer, rief im Kreiskrankenhaus an und ließ sich mit dem dortigen Chefarzt verbinden. Er hatte Glück, daß Dr. Breuer zu dieser fortgeschrittenen Stunde noch in der Klinik war.

      Dr. Daniel nannte seinen


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