Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman. Marie Francoise
gerade in diesem Fall kann ich gut nachempfinden, was in Ihnen vorgehen muß. Meine erste Frau ist ja auch sehr früh gestorben, und obwohl meine beiden Kinder damals schon annähernd erwachsen waren, war es eine schwierige Zeit für mich. Um wieviel schlimmer muß es dann erst sein, wenn man plötzlich mit einem Baby allein dasteht.«
Harald preßte die Lippen zusammen. Obwohl das alles nun schon sechs Jahre zurücklag, schmerzte ihn die Erinnerung noch immer. Anfangs hatte er sogar die kleine Julia für den Tod seiner geliebten Frau verantwortlich gemacht, doch dann war die Zuneigung zu seinem Kind größer geworden, und er hatte sein niedliches Töchterchen von Herzen liebengelernt.
»Julia und ich…«, begann er leise und stockend. »Wir müssen zusammenhalten, wenn wir… wenn wir es schaffen wollen und…« Kraftlos senkte er den Kopf. »Ich möchte ihr so viel geben…«
»Das tun Sie doch schon, Herr Merkl«, versicherte Dr. Daniel. »Julia weiß, daß sie geliebt wird. Alles andere muß sich mit der Zeit finden.«
Harald blickte auf. Ein kaum sichtbares Lächeln umspielte seine Lippen.
»Danke, Herr Doktor«, flüsterte er. »Sie haben mir sehr geholfen.«
»Ich habe nichts getan«, wehrte Dr. Daniel bescheiden ab.
»Doch, Sie haben mir zugehört, und Sie haben mir dadurch wieder Mut gemacht.«
*
Sie haben mir wieder Mut gemacht.
Die Worte von Harald Merkl gingen Dr. Daniel lange nicht aus dem Kopf, und er wünschte, er könnte auch Melanie Probst Mut machen, doch im Augenblick meinte es das Schicksal wieder einmal gar nicht gut mit der jungen Frau.
Seit sie aufstehen durfte, verbrachte sie viel Zeit bei ihrem Mann, der noch immer in einem Gipskorsett auf der Intensivstation liegen mußte. Melanie sah natürlich, daß es um Karlheinz nicht gerade gut stand, aber die volle Wahrheit hatte man ihr noch nicht gesagt. Sie war nach dem Unfall und der Fehlgeburt noch nicht gefestigt genug, um weitere Schicksalsschläge auszuhalten.
Auch jetzt saß Melanie neben Karlheinz’ Bett und streichelte immer wieder seine Hand. Langsam öffnete der junge Mann die Augen, doch sein Blick war verschleiert, und Melanie wußte mittlerweile aus Erfahrung, daß er sie nicht wirklich wahrnehmen würde. Tränen rollten über ihre Wangen.
»Kalle«, flüsterte sie zärtlich, doch von ihm erfolgte keine Reaktion.
»Er bekommt starke Schmerzmittel.«
Erschrocken fuhr Melanie herum, als sie so unerwartet von hinten angesprochen wurde. Dr. Daniel hatte die Intensivstation betreten und an den zuckenden Schultern seiner Patientin gesehen, daß sie weinte. Den Grund dafür konnte er sich denken.
Dr. Daniel zog sich einen Stuhl heran und nahm neben Melanie Platz. Tröstend legte er eine Hand auf ihren Arm.
»Ich weiß, wie grau und düster Ihr Leben momentan aussieht«, meinte er. Seine Stimme war sanft und einfühlsam, ein wohltuender Balsam auf Melanies wunde Seele.
»Wird es denn jemals wieder anders, Herr Doktor?« fragte sie kläglich, dann vergrub sie das Gesicht in den Händen. »Gerade jetzt war es so schön. Kalle und ich… wir waren so glücklich…«
Dr. Daniel hätte gern gesagt, daß es wieder so werden würde doch als verantwortungsbewußter Arzt durfte er das nicht tun, denn im Augenblick sah es leider nicht so aus, als würde das Leben dieses jungen Ehepaares wieder völlig in Ordnung kommen.
»Ihr Mann wurde bei dem Unfall sehr schwer verletzt«, erklärte Dr. Daniel in diesem einfühlsamen Ton, der die Worte erträglicher machte. »Es kommt beinahe einem Wunder gleich, daß er überlebt hat. Dafür sollten Sie dankbar sein, Frau Probst.«
Melanie nickte. »Das bin ich ja auch, Herr Doktor, aber…« Ihr Blick wanderte zu Karlheinz. »Warum mußte es überhaupt geschehen? Warum mußte dieser andere Fahrer so rasen…« Sie stockte, dann sah sie Dr. Daniel wieder an. »Was ist eigentlich mit ihm?« Sie wurde ein wenig verlegen. »Wahrscheinlich ist es herzlos von mir, diese Frage erst jetzt zu stellen, aber… er hat so vieles zerstört…«
»Es ist nicht herzlos«, entgegnete Dr. Daniel. »Ich finde es sogar erstaunlich, daß Sie sich in dieser Situation überhaupt um ihn Gedanken machen.« Er schwieg kurz. »Sein rücksichtsloser Fahrstil hat ihn leider das Leben gekostet.«
»Wie schrecklich«, flüsterte Melanie betroffen. Für den Fahrer selbst konnte sie eigentlich kaum Mitgefühl aufbringen – ihr Gedanke galt mehr den Menschen, die er trauernd zurückgelassen hatte… einer ihr unbekannten Frau oder Freundin, Eltern, Geschwistern… Menschen, die ihn geliebt hatten.
»Ja, Frau Probst«, stimmte Dr. Daniel zu. »Derartige Unfälle sind immer schrecklich, vor allem, weil sie vermieden werden könnten, wenn gewisse Autofahrer bei dem, was sie tun, ein wenig mitdenken würden.«
*
Julia Merkl zehrte noch lange von dem Tag, den sie im Hause Daniel verbracht hatte. Immer wieder ließ sie die Stunden vor ihrem geistigen Auge Revue passieren, wenn sie im Haus der Tagesmutter oder in ihrem Zimmer war. Die nette Frau Hansen, die Julia so spontan angeboten hatte, sie Tante Irene zu nennen, genauso wie Tessa das tat, Tessas großer Bruder Stefan, der mit den beiden Mädchen im Garten herumgetobt hatte, ihre ältere Schwester Karina, die am frühen Abend gekommen war und mit den beiden kleinen Mädchen das lustige Gespensterspiel gemacht hatte und vor allen Dingen natürlich Tessas Mama.
Julia kannte die nette Frau Dr. Daniel, die vor ihrer Heirat Carisi geheißen hatte, von einigen Arztbesuchen aus der Zeit, in der Steinhausen noch keinen Kinderarzt gehabt hatte. Jetzt gab es hier den freundlichen Dr. Leitner, und obwohl Julia ihn unheimlich gern mochte, schlug ihr kleines Herz ebenfalls noch sehr für Manon Daniel. Die äußerst sympathische Frau war genauso, wie Julia sich eine Mutti immer vorgestellt hatte, und sie beneidete ihre Freundin Tessa glühend um ihre Mama.
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