Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman - Marie Francoise


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und das ist schon sehr viel, wenn man bedenkt, was für ein schrecklicher Unfall es gewesen ist.«

      Melanie nickte. Sie war erleichtert, weil Karlheinz am Leben war. Alles andere war für sie jetzt zweitrangig.

      »Wann darf ich zu ihm?« fragte sie, obwohl sie bereits jetzt, nach diesem relativ kurzen Gespräch, Mühe hatte, die Augen offenzuhalten.

      »Wenn es Ihnen ein bißchen besser geht«, antwortete Dr. Daniel. »Im Augenblick brauchen auch Sie noch sehr viel Ruhe.«

      Er war nicht sicher, ob Melanie noch alles gehört hatte, denn während er gesprochen hatte, waren ihr die Augen zugefallen. Dr. Daniel betrachtete sie eine Weile, dann stand er mit einem tiefen Seufzer auf. Er wußte, daß auf Melanie eine sehr schwierige Zeit zukommen würde.

      *

      Als Karlheinz Probst das erste Mal zu sich kam, fühlte er nur die Schmerzen, die in Wellen durch seinen ganzen Körper fluteten… nein, eigentlich nicht durch seinen ganzen Körper, sondern nur durch Bauch, Brust und Arme. Sein Kopf dröhnte, als würde jemand mit einem Vorschlaghammer gegen seine Schädeldecke schlagen. Karlheinz wollte rufen, doch nur ein gequältes Stöhnen entrang sich seiner Brust.

      Im nächsten Moment beugte sich ein Mann mit dunklen Locken und sanften, rehbraunen Augen über ihn.

      »Versuchen Sie nicht zu sprechen«, riet ihm der Mann. »Sie haben einen Schlauch im Mund.«

      Mit der Zunge wollte Karlheinz den Schlauch ertasten, doch es ging nicht. Irgendwie schien sein ganzer Körper lahm zu sein.

      »Ich bin Dr. Metzler, der Chefarzt«, stellte sich der Mann jetzt vor, dann betrachtete er Karlheinz aufmerksam. »Haben Sie Schmerzen?«

      Karlheinz nickte schwach.

      »Ich gebe Ihnen gleich etwas in die Infusion«, versprach Dr. Metzler. Er ging weg, kam aber schon wenig später zurück und hielt eine Spritze in der Hand, die er direkt in die Infusionskanüle injizierte.

      Es dauerte nicht lange, bis die Schmerzen nachließen. Karlheinz schloß die Augen. Für einen Moment dachte er an Melanie, doch dann war er schon wieder eingeschlafen.

      »Was ist mit ihm?« wollte Dr. Daniel wissen. Er war von Melanies Zimmer aus direkt zur Intensivstation gegangen, um sich nach Karlheinz’ Zustand zu erkundigen. Allerdings sprach bereits der besorgte Gesichtsausdruck des Chefarztes Bände.

      »Ich fürchte, das wird sich erst noch herausstellen«, meinte Dr. Metzler ein wenig orakelhaft.

      Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Was soll das heißen? Gestern sagtest du noch, sein Zustand wäre zufriedenstellend. Hast du mich etwa angelogen?«

      Dr. Metzler schüttelte den Kopf. »Nein, Robert, natürlich nicht.« Er seufzte leise, dann verließ er die Intensivstation. Dr. Daniel folgte ihm, doch erst, als sie das Chefarztbüro erreicht hatten, fuhr Dr. Metzler fort: »Wenn man sich vor Augen hält, wie er hier in der Klinik angekommen ist und wie seine Überlebenschancen standen, dann ist sein Zustand wirklich zufriedenstellend. Allerdings… ganz gesund wird er wohl nie wieder werden.«

      Dr. Daniel erschrak sichtlich. »Davon hast du gestern aber keine Silbe verlauten lassen.«

      »Wann denn?« hielt der Chefarzt dagegen. »Du bist doch ohnehin ständig in Eile.

      »Rede dich nicht auf meinen Zeitmangel hinaus«, verlangte Dr. Daniel streng. »Du weißt genau, daß du immer mit mir sprechen kannst, wenn du es willst. Und ich denke, genau das ist der Punkt, mein Freund.«

      Dr. Metzler senkte den Kopf.

      »Ja, du hast recht«, räumte er widerwillig ein. »Ich wollte es dir nicht sagen, weil…« Er zuckte die Schultern. »Ach, ich weiß es auch nicht.«

      »Wolfgang, hör auf, mich anzulügen. Das kann ich auf den Tod nicht leiden.« Er betrachtete ihn eingehend. »Du hattest einen guten Grund, mir die Wahrheit zu verschweigen.«

      Dr. Metzler schluckte.

      »Du kennst mich viel zu gut«, murmelte er, dann hob er den Blick. »Ich… nein, wir… Gerrit und ich… wir haben getan, was wir konnten, aber… es gibt Grenzen.«

      Dr. Daniel nickte. »Das weiß ich, Wolfgang. Ich bin auch Arzt und wurde gestern ebenfalls mit meinen Grenzen konfrontiert. Ich wollte Frau Probst unter allen Umständen die Schwangerschaft erhalten, aber es war nicht mehr möglich. Der Fetus war bereits abgegangen.« Er legte dem Chefarzt eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß, wie schwer es auch dir fällt, Grenzen zu akzeptieren, aber das mußt du lernen, Wolfgang. Du bist nicht Gott, du kannst nicht immer gewinnen. Das ist schmerzlich, jedoch nicht zu ändern. Und es hat auch keinen Sinn, wenn du dich in einem solchen Fall mir gegenüber um die Wahrheit herumdrückst. Irgendwann mußt du sowieso damit herausrücken, wie du gerade wieder gesehen hast.«

      Niedergeschlagen ließ sich Dr. Metzler auf seinen Sessel fallen. Dr. Daniel wartete, doch der Chefarzt hüllte sich in Schweigen.

      »Na, komm schon, Wolfgang, sprich es dir von der Seele«, ermunterte Dr. Daniel ihn. »Wenn du darüber redest, wird es vielleicht besser. Es wird dir helfen, einiges deutlicher zu sehen.«

      Dr. Metzler zögerte noch einen Moment, dann begann er leise zu erzählen.

      »Es dauerte mehr als eine Stunde, bis die Feuerwehrleute den Verletzten endlich befreien konnten. Ich stand daneben und sah im ersten Moment nur Blut und entsetzlich verkrümmte Arme und Beine. Die Feuerwehrleute wollten ihn herausheben und auf die Trage legen, die schon bereitstand, aber da war etwas, was mich warnte. Ich kann es nicht erklären… es war nur so ein Gefühl. Auf meine Veranlassung hin wurde Herr Probst mitsamt dem Fahrersitz herausgehoben und zum Krankenwagen gebracht.« Er schwieg kurz. »Die Wirbelsäule war verletzt, und die geringste Bewegung hätte eine Querschnittlähmung zur Folge gehabt.«

      »Und da sprichst du von Grenzen?« warf Dr. Daniel ein.

      Dr. Metzler zuckte die Schultern. »Ein Leben im Rollstuhl konnte ich ihm ersparen, aber… er wird über Jahre hinweg… vielleicht sogar sein Leben lang ein Stützkorsett tragen müssen. Schwimmen, Radfahren… jede Art von Sport ist für ihn nicht mehr möglich. Er darf nicht mehr schwer heben oder tragen… er… ist noch nicht vierzig und wird ein Leben führen, das man einem Achtzigjährigen nicht wünschen würde.«

      Dr. Daniel dachte eine Weile nach.

      »Siehst du da nicht ein bißchen zu schwarz?« fragte er endlich. »Herr Probst wird sich lange schonen müssen, aber die Prognose, die du gerade aufgestellt hast, ist etwas verfrüht, Wolfgang. Wie willst du heute schon voraussehen, was in ein paar Jahren sein wird?«

      »Die Wirbelsäulenverletzung ist instabil«, entgegnete Dr. Metzler, dann stand er auf und trat zu dem Bildschirm, an dem Röntgenaufnahmen hingen. Er schaltete das Licht ein und wies auf einen Teil der Wirbelsäule. »Die Verletzung liegt hier. Ich habe alles versucht, aber…« Niedergeschlagen wandte er sich ab. »Ich habe mein möglichstes getan, und vielleicht genügt es, wenn er künftig ein Korsett trägt, aber…« Er senkte den Kopf. »Ich fürchte, daß auch später noch eine unbedachte Bewegung oder womöglich ein weiterer Unfall zu einer Rückenmarkverletzung führen könnte. In meinen Augen gäbe es nur eine Möglichkeit, das sicher zu vermeiden, und das wäre eine operative Versteifung der betroffenen Wirbel. Unter Umständen kann das aber bedeuten, daß er ständig Rückenschmerzen haben wird.« Mit einem tiefen Seufzer ließ sich der Chefarzt wieder auf seinen Sessel fallen, dann sah er Dr. Daniel an. »Was soll ich nur tun?«

      Dr. Daniel zog die Augenbrauen hoch. »Das fragst du ausgerechnet mich? Wolfgang, ich bin Gynäkologe. Welche Antwort erwartest du von mir?«

      »Wenn du an seiner Stelle wärst… was würdest du tun – welchen Rat würdest du von deinem Arzt erwarten?«

      »Die Auswahl ist nicht groß«, meinte Dr. Daniel. »Wenn er sich gegen die Operation entscheidet, muß er ein Leben lang befürchten, irgendwann querschnittgelähmt zu sein. Stimmt er dem Eingriff zu, erwartet ihn vielleicht ein Leben voller Schmerzen.« Er seufzte leise. »Eine einfache Entscheidung wird es da nicht


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