Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman. Marie Francoise
werde ich es tun«, entgegnete der Mann und ergriff mit harter Hand den Arm des kleinen Mädchens. »Komm, Sissi.«
Die Vierjährige schrie auf vor Schmerz und Angst. Im selben Moment umschloß Billys Hand mit eisernem Griff das Handgelenk des Mannes. Der konnte ein leises Aufstöhnen nicht unterdrücken und ließ Sissis Arm unverzüglich los.
»Ist das wirklich dein Papa, Sissi?« fragte Billy das kleine Mädchen eindringlich.
Mit ängstlichem Blick sah die Kleine zu dem Mann hoch, der mit zusammengebissenen Zähnen sein schmerzendes Handgelenk rieb. Trotzdem gelang es ihm, dem Mädchen einen drohenden Blick zuzuwerfen.
»Sag mir die Wahrheit, Sissi«, drängte Billy. »Ist er dein Papa?«
Sie schüttelte den Kopf. »Alex will meine Mami heiraten.«
Ohne viel Umstände nahm Billy das Mädchen auf den Arm, dann sah er den Mann an. »Damit ist die Sachlage wohl klar. Ich werde dieses Kind jetzt in die Obhut seiner Mutter bringen. Sie kann darüber entscheiden, ob Sissi von Ihnen bestraft werden darf oder nicht.«
Alex verstellte ihm den Weg. »Ich kenne Sie nicht. Glauben Sie allen Ernstes, ich würde zulassen, daß Sie das Kind meiner Verlobten einfach so mitnehmen?«
Billy hielt seinem Blick stand. »In meinen Händen ist es sicher besser aufgehoben, aber bitte, es steht Ihnen ja frei, mich zu begleiten. Sie kennen die Adresse der Mutter vermutlich besser als ich.« Der letzte Satz klang sarkastisch.
»Das wirst du mir büßen«, zischte Alex der kleinen Sissi zu. »Warte nur, bis wir zu Hause sind.«
Das Mädchen schlang beide Arme um Billys Hals und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. Billy kochte vor Wut. Was war das nur für eine Mutter, die ihr Kind einem solchen Grobian überließ?
Eine Viertelstunde später erreichten sie die stattliche Villa, und das Kindermädchen Nadine öffnete erschrocken die Tür, als sie sah, wie Sissi scheinbar leblos in den Armen eines fremden Mannes hing.
»Was ist passiert?« Ihr anklagender Blick richtete sich auf Alex. »Sie hatten mir fest versprochen, Sissi abzuholen, ansonsten wäre ich doch…« Sie stockte, als sich Sissi bewegte und beide Arme nach ihr ausstreckte.
»Nini«, flüsterte sie. »Wo ist Mami?«
Zärtlich nahm Nadine die Kleine in den Arm. »Sie ist im Krankenhaus, Schätzchen, aber wir können sie sicher bald besuchen.«
Mit einer Selbstverständlichkeit, die Nadine schockierte, betrat Alex die Villa. An der Tür drehte er sich um und sah Billy mit einem spöttischen Lächeln an.
»Sie haben Sissi zu Hause abgeliefert, jetzt können Sie gehen.«
Billy wußte, daß er kein Recht hatte, länger zu bleiben oder gar selbst das Haus zu betreten. Allerdings wollte er um jeden Preis vermeiden, daß dieses Kind noch einmal geschlagen wurde.
»Lassen Sie Sissi nicht mit diesem Mann allein«, raunte er dem Kindermädchen zu und hoffte inständig, daß sie dem Kind wirklich eine Hilfe sein konnte. »Er schlägt sie.«
Nadines entsetztem Blick war zu entnehmen, daß sie damit nicht gerechnet hatte. Ihre Reaktion bewog Billy zu einer weiteren Frage.
»Ich möchte mich mit Sissis Mutter unterhalten.«
Nadine nickte, warf einen kurzen Blick zurück und sah, daß Alex sie beobachtete.
»Vielleicht sollten wir mitkommen«, meinte sie, und Billy spürte, daß sie mit Alex jetzt nicht allein sein wollte.«
Er nickte. »Ich glaube, das ist eine gute Idee.«
»Nadine! Kommen Sie endlich ins Haus!« befahl Alex barsch.
Sie drehte sich um. »Sissi und ich werden Frau Wieland besuchen.«
Alex’ Blick verfinsterte sich, doch er wußte, daß er diesen Besuch nicht mehr verhindern konnte.
»Sie liegt auf der Intensivstation«, wandte er dennoch ein. »Ich bin sicher, daß man Sie mit dem Kind nicht zu ihr lassen wird.«
Nadine zögerte und sah Billy wieder an. »Ich fürchte, er hat recht. Dr. Daniel wird sicher…«
»Dr. Daniel?« fiel Billy ihr ins Wort. Im selben Moment wußte er, in welcher Klinik Sissis Mutter lag. »Ich bin mit dem Anästhesisten der Waldsee-Klinik befreundet. Vielleicht gibt es einen Weg…«
Noch bevor Alex einen weiteren Einwand erheben konnte, waren Nadine und Billy mit der kleinen Sissi schon unterwegs zur Waldsee-Klinik. Der erste, der ihnen in der Eingangshalle über den Weg lief, war Dr. Parker.
»Billy. Was tust du denn hier?« fragte er überrascht.
»Ich will zu Frau Wieland.« Er wies auf Sissi, die sich in Nadines Arm kuschelte. »Das ist ihre kleine Tochter.«
Dr. Parker schüttelte den Kopf. »Die Patientin liegt auf Intensiv. Mit Besuchen geht das überhaupt nicht, und einem Kind darf man das schon gar nicht zumuten. Die Kleine würde einen Riesenschrecken bekommen, wenn sie ihre Mutter so sehen würde.« Er überlegte kurz, dann berührte er Billys Arm. »Komm mit. Vielleicht weiß Dr. Daniel, wann die Frau auf die normale Station verlegt werden kann.«
Doch Dr. Daniel war nicht aufzufinden. Billy, Nadine und Sissi nahmen auf der Kunststoffbank in der Eingangshalle Platz. Für den Augenblick blieb ihnen nichts übrig als zu warten.
*
Der ersehnte Anruf von Dr. Scheibler erfolgte kurz nach Mittag.
»Der Befund ist negativ.«
Man hörte ihm die Erleichterung an, und auch Dr. Daniel atmete auf. Kein Krebs. Das bedeutete, daß seine Entscheidung, die Gebärmutter nicht herauszunehmen, richtig gewesen war. Diana würde nach ihrer Hochzeit, wenn sie die Fehlgeburt verarbeitet hatte, wieder Mutter werden können.
Dr. Daniel eilte zur Intensivstation, um Diana sofort die freudige Nachricht zu überbringen. Doch auf dem Flur wurde er von Dr. Parker abgefangen.
»In der Eingangshalle sitzt das Kindermädchen von Frau Wieland mit der kleinen Sissi, außerdem ein Freund von mir, der unbedingt mit der Patientin sprechen möchte«, erklärte er.
Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Das klingt ja äußerst mysteriös.« Er überlegte kurz. »Ich werde Frau Wieland jetzt untersuchen, und wenn eine Intensiv-überwachung nicht mehr nötig sein sollte, kann Sissi ihre Mutter auf jeden Fall sehen. Aber mit Ihrem Freund möchte ich lieber zuerst selbst sprechen.«
Dann betrat er die Intensivstation. Diana richtete sich ein wenig auf.
»Gute Nachrichten, Frau Wieland«, erklärte Dr. Daniel sofort. »Der Befund war negativ, das be-deutet, daß die Geschwulst harmlos war.« Er lächelte. »Ihr Töchterchen wartet schon sehnlichst darauf, Sie besuchen zu dürfen.«
Ein zärtliches Lächeln huschte über Dianas Gesicht. »Ist mein Verlobter auch hier?«
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube nicht. Sissi scheint mit Nadine hier zu sein.«
Gewissenhaft kontrollierte er Dianas Werte, dann sah er sie an. »Ich werde Sie auf die normale Station verlegen lassen. Die Infusion muß zwar noch bleiben, aber wenn Sissi sieht, daß es Ihnen ansonsten gutgeht, wird sie wohl nicht zu sehr erschrecken.«
Dr. Daniel veranlaßte die Verlegung, dann machte er sich auf den Weg zur Eingangshalle. Als Sissi ihn sah, rutschte sie von Nadines Schoß und lief ihm entgegen. Lachend fing Dr. Daniel die Kleine auf.
»Na, Sissi, hast du schon große Sehnsucht nach deiner Mami?« fragte er.
Die Kleine nickte. »Darf ich sie besuchen, Herr Doktor?«
»Natürlich darfst du«, stimmte Dr. Daniel zu. »Nadine kann dich begleiten.«
»Und Billy?« hakte Sissi sofort nach.
Dr. Daniel folgte ihrem Blick und betrachtete den äußerst