Dr. Daniel Staffel 7 – Arztroman. Marie Francoise
ihn, und das würde er zu verhindern wissen.
Allerdings war es dafür schon zu spät. Dr. Daniel hatte unverzüglich Anzeige erstattet, und just in dem Moment, als Alex das Weite suchen wollte, hielt bereits ein Streifenwagen vor dem Haus, in dem er wohnte.
Als nach Monaten die Gerichtsverhandlung begann, kamen noch etliche Unterschlagungs- und Betrugsdelikte ans Tageslicht. Das und die Tatsache, daß unter vielen anderen auch Diana Wieland als Zeugin gegen Alex aussagte, führten dazu, daß der Fall in den gängigen Tages-zeitungen Schlagzeilen machte. Das Wieland-Unternehmen war schließlich bis weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt.
Durch das Steinhausener Lokalblättchen erfuhr auch Christina von dem Prozeß gegen Alex. Lange saß sie da und starrte das Foto an. Dabei erschien es ihr plötzlich völlig unsinnig, daß sie mit diesem Mann einmal ein Verhältnis gehabt hatte. Was hatte sie nur so in seinen Bann gezogen?
Christina bemerkte nicht, wie Rudi hinter sie trat und ihr über die Schulter sah.
»Das ist er, nicht wahr?«
Erschrocken zuckte Christina zusammen, dann blickte sie auf. »Ja, Rudi.« Sie schwieg kurz. »In meinem ganzen Leben habe ich nichts so sehr bereut wie die Affäre mit ihm.«
Da beugte er sich zu ihr hinunter und küßte sie zärtlich. »Es ist vorbei.« Er betrachtete die Bilder, unter denen auch eines von Diana und ihrer Tochter Sissi war. »Wie Tamara schon sagte: Schönheit schützt vor Fehlern nicht. Diese Diana Wieland ist auch eine außergewöhnlich schöne Frau, und sie hat ebenfalls den Fehler begangen, sich mit diesem Kerl einzulassen.«
Christina nickte. »Er soll ihr Kind mißhandelt haben. Meine Güte…«
Rudi wußte, daß sie jetzt an ihr eigenes Töchterchen dachte, das im Augenblick noch in der Sommer-Klinik in München lag. Wie durch ein Wunder hatte die kleine Trixie überlebt, und in wenigen Tagen würden sie ihr Baby nach Hause holen können. Dann sollte auch die Hochzeit stattfinden, denn eines war ihnen durch Christinas Fehler klargeworden: Sie wollten sich nie wieder trennen.
Allerdings wurden nicht nur hier Hochzeitspläne geschmiedet. In den vergangenen Monaten hatte sich Dianas Herz Billy tatsächlich zugewandt. Aus der anfänglichen Sympathie war schnell Freundschaft geworden, und während des zermürbenden Prozesses gegen Alex Simoni war Billy für Diana und auch für Sissi ein unentbehrlicher Beistand gewesen.
Als das Urteil gegen Alex gesprochen worden war, hatte Diana das Gefühl gehabt, als würde eine Zentnerlast von ihren Schultern fallen. Das Kapitel Alex war abgeschlossen – auch in ihrem Herzen. Jetzt war es offen für eine neue Liebe… eine Liebe, die längst in ihr Herz gezogen war, dort aber noch eine Weile im Vorborgenen geblüht hatte.
Vielleicht wäre sich Diana ihrer Gefühle zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewußt geworden, aber als sie, Billy und Sissi an einem Sonntagnachmittag im idyllisch gelegenen Waldcafé Dr. Daniel und seine Familie trafen, da platzte Sissi auf einmal heraus: »Billy wird bald mein Papi sein.«
Völlig verdutzt sahen sich Diana und Billy an. Nie war ein Wort der Liebe zwischen ihnen gewechselt worden, doch das, was sich an Vertrautheit zwischen ihnen abgespielt hatte, war offenbar so deutlich gewesen, daß ein Kind wie Sissi es gespürt hatte.
»Da gratuliere ich aber ganz herzlich«, meinte Dr. Daniel, und man sah ihm an, wie sehr er sich für diese kleine Familie freute. Diana hatte in ihrem jungen Leben schon so viel mitgemacht, hatte ihren geliebten Mann früh verloren und war nach Jahren der Trauer einem Betrüger auf den Leim gegangen. Sie verdiente sich wahrlich dieses Glück. Und Billy… er hatte über Jahre hinweg einen Traum geliebt, der nun endlich Wirklichkeit geworden war. Zusammen würden sie der kleinen Sissi ein liebevolles Zuhauses geben und ihre Familie vielleicht sogar noch vergrößern.
Dr. Daniel schmunzelte, als er in seinen Gedanken so weit gekommen war. Gelegentlich erfüllten sich Träume eben doch…
Der Notruf erreichte die Waldsee-Klinik gegen ein Uhr morgens. Für den Chefarzt Dr. Wolfgang Metzler, der heute Nachtdienst hatte, gab es kein Zögern.
»Ich komme mit!« rief er den beiden Sanitätern zu, als sie auf den Krankenwagen zuliefen, dann drehte er sich zur Nachtschwester um. »Alarmieren Sie das Team, außerdem Dr. Daniel. Unter den Verletzten soll eine schwangere Frau sein.«
Schwester Irmgard hob eine Hand zum Zeichen, daß sie verstanden hatte, dann eilte sie zum Telefon, während hinter Dr. Metzler die Hecktüren zuschlugen und der Wagen mit Blaulicht und Martinshorn losbrauste.
Das Bild, das sich dem Arzt und den Sanitätern bot, war grauenvoll. Die beiden Autos hatten sich dermaßen ineinander verkeilt, daß die Feuerwehrmänner größte Mühe hatten, die Insassen zu bergen.
»Wenn da nur einer noch am Leben ist, dann wäre es ein Wunder«, murmelte einer der beiden Sanitäter, während sie schnellstens die erste fahrbare Trage herausholten.
»Der Fahrer des Sportwagens ist tot«, informierte ein Feuerwehrmann den Chefarzt. »Die schwangere Frau müßten wir in Kürze aus dem zweiten Wrack herausbekommen, aber für den anderen Fahrer sehe ich schwarz. Er hat sich seit zehn Minuten nicht mehr bewegt.«
Dr. Metzler nickte nur, dann wartete er ungeduldig, bis die Feuerwehrmänner endlich die schwangere Frau befreit hatten. Sie stöhnte leise und versuchte immer wieder, ihre Beine anzuziehen, was wegen der Knochenbrüche jedoch nicht möglich war.
Dr. Metzler untersuchte sie rasch, aber mit der gebotenen Vorsicht, dann legte er eine Infusion und ließ die Verletzte schließlich zum Krankenwagen bringen.
»Fahren Sie die Patientin in die Klinik, und kommen Sie danach umgehend hierher zurück«, ordnete Dr. Metzler an. »Ich muß hierbleiben, damit ich mich um den anderen Verletzten kümmern kann. Beeilen Sie sich.«
Dieses Nachsatzes hätte es gar nicht bedurft. Die beiden Sanitäter wußten auch so, daß hier Eile geboten war. Einer von ihnen setzte sich ans Steuer, während sich der andere um die verletzte Frau kümmerte, Blutdruck und Puls kontrollierte und schon die ersten kleineren Wunden versorgte. Allem Anschein nach hatte sie es nicht so schwer erwischt, wie man angesichts der verbeulten und total ineinander verkeilten Autos hätte annehmen müssen. Ob die Schwangerschaft allerdings erhalten werden konnte, stand in den Sternen.
Als der Krankenwagen vor der Klinik anhielt, lief Dr. Robert Daniel gleich heraus, und ein erster Blick auf die Patientin ließ ihn ahnen, daß sich hier eine Katastrophe anbahnte.
»Blutdruck hundert zu sechzig, Puls neunzig«, meldete der Sanitäter, während er seinem Kollegen half, die fahrbare Trage in die Notaufnahme zu schieben. Er warf Dr. Daniel einen kurzen Blick zu, bevor er im Telegrammstil fortfuhr: »Schock wurde behandelt. Unterschenkelfraktur beidseits, ansonsten keine großen Verletzungen. Mittelstarke Unterleibsblutungen.«
Dr. Daniel nickte knapp, dann übernahm er die Patientin.
»Mein Baby«, stammelte die junge Frau.
»Keine Angst, Frau Probst«, bat Dr. Daniel in beruhigendem Ton. »Wir werden für Sie und das Baby tun, was in unserer Macht steht.«
Melanie Probst begann zu weinen, und Dr. Daniel wußte, welche Ängste sie jetzt ausstand. Sie hatte auf diese Schwangerschaft so lange warten müssen, und jetzt, da es endlich geklappt hatte…
»Brauchen Sie mich?« fragte der Anästhesist Dr. Jeffrey Parker, der im Laufschritt den Flur entlangkam.
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Erika wartet schon im kleinen OP. Wolfgang wird Sie brauchen, Jeff. Es kommt noch ein Schwerverletzter.«
Dr. Parker eilte weiter, während Dr. Daniel die fahrbare Trage in den kleinen Operationssaal der Gynäkologie schob. Der junge Assistenzarzt Dr. Rainer Köhler folgte ihm, ebenso die Gynäkologin der Klinik, Dr. Alena Reintaler.
Zwischen den Ärzten waren nicht viele Worte nötig.