Wyatt Earp Paket 1 – Western. William Mark
Diese Abfuhr hatte dem rigorosen Treiber vorerst genügt.
Doc O’Connor meinte, daß er vielleicht mit zwanzig Mann zurückkommen könnte.
Wyatt schüttelte den Kopf.
»Das wird er sicher nicht. Er hat gar keine Zeit dazu. Dieser Halunke hat ganz etwas anderes vor.«
Und das war richtig. Peshaur mußte sich um seinen Rindertrail kümmern, der längst auf dem Weg nach Nordwesten war.
Die Stadt Ellsworth sollte den wilden Kuhtreiber nie wieder sehen.
*
Es war weit nach Mittag.
Die Hitze schien in der Mainstreet zu stehen. Kein Lufthauch fächelte Kühlung heran.
Wyatt hockte im Vorbauschatten des Sheriff Office und blickte die Straße hinunter nach Westen, wo in der Ferne unter einer Wolke von Staub ein Gefährt auftauchte.
Es war die Overland-Postkutsche.
Und als die vier Gäule vor der Poststation haltmachten, sprang ein Mann vom Kutschbock, den Wyatt genau kannte. Es war der Posthalter Collins selbst. Er hatte keinen Führer gefunden und mußte nun selbst die Tour abfahren, schließlich hatte er mit mehreren Städten einen Vertrag.
Der große Mann warf einen Blick auf Wyatt und kam dann auf ihn zu. »Hallo!«
»Hallo.« Wyatts Antwort klang nicht sehr freundlich.
Collins ließ sich neben ihm nieder.
»Suchen Sie vielleicht einen Job?«
Der Missourier schüttelte den Kopf.
»Äh! Seien Sie nicht so dickköpfig. Sie waren mein bester Mann. Ich bin etwas zu hitzig gewesen. Gestern abend erinnerte mich der alte Reep daran, wie Sie die drei Wegelagerer damals ganz allein und auf einsamer Strecke mit drei Schüssen kampfunfähig geschossen haben. Es ist so, Wyatt, daß ich es mir einfach nicht leisten kann, einen Mann wegzuschicken. Und einen so guten erst recht nicht. Die Schießerei gestern war sicher ein Zufall, und ich bin sicher, daß Sie so bald nicht mehr zum Colt greifen werden.«
Wyatt erhob sich mit einem Ruck und blickte auf den Mann nieder.
»Doch, Mister Collins. Heute morgen hat es hier eine Schießerei gegeben. Zwei Menschen sind dabei getötet worden und vier verletzt.«
Collins stand langsam auf.
»Was war denn los?«
»Eine Schießerei. Ich sagte es Ihnen doch«, versetzte Wyatt kühl.
Collins hob die Schultern. »Was geht das mich an. Es wird überall im Westen geschossen.«
»Ich habe geschossen«, meinte Wyatt. »Ich habe einen Heckenschützen mit einer Kugel oben von der Balustrade heruntergeholt und vier andere verwundet.«
Die Augen des Postmeisters wurden weit. »Nein…«
»Doch«, sagte Wyatt hart. Dann wandte er sich um und schob sporenklirrend zum Mietstall hinüber, wo er sein Pony untergebracht hatte.
Doc O’Connor hatte ein paar Schritte abseits gestanden. Er kannte Collins und kam jetzt näher.
»Haben Sie ihn entlassen?«
Collins blickte dahin, wo Wyatt verschwunden war, auf das Tor des Mietstalles.
»Yeah, das habe ich.«
Der Arzt kaute auf einem Streichholz herum. »Schön dumm«, knurrte er grimmig.
»Wer?« fragte Collins und warf den Kopf herum.
»Sie!« blitzte ihn der Riese an.
»Weshalb? Er ist ein Revolvermann!«
Da legte der Arzt dem Postmeister eine seiner schaufelartigen Hände auf die Schulter.
»Sie irren, Collins. Er ist vielleicht ein Revolverkämpfer und würde besser einen Stern tragen, – aber ein Revolvermann ist er nicht.«
»Er hat einen Mann getötet und vier andere verletzt. Er hat es mir selber gesagt.«
»Hat er Ihnen auch gesagt, wie der Mann hieß, den er in Notwehr erschoß?«
»Nein.«
»Der Mann hieß Bill Thompson.«
»Was –?« Collins hatte den Mund offenstehen. »Bill Thompson? Das ist nicht wahr!«
Der Doktor spie das Streichholz im hohen Bogen auf die Straße.
»Doch, Collins. Er hat Bill Thompson erwischt. Der Bandit hockte da oben hinter der Balustrade und schoß auf ihn. Die Cowboys hatten sich hier überall verteilt und hielten ihn unter Feuer. Eine Kugel oben aus den Fenstern traf einen Mann drüben im Barber Shop und tötete ihn. Und noch was, Collins, damit Sie wissen, weshalb Wyatt zurückgekommen ist. Er hat den Mörder Jim Duffys gestellt. Es ist Abe Clinholm.«
»Clinholm?« stieß der Postmeister ungläubig hervor. »Der Revolverschwinger aus Kansas City?«
»Genau der. Er steckt drüben im Jail. So long!« Der Arzt stiefelte über die Straße auf sein Haus zu.
Im gleichen Moment ritt der Missourier aus dem Tor des Mietstalles nach Osten aus der Stadt.
*
Der uralte Indianer mit dem pergamentfarbenen Gesicht hob schnell den Kopf, als der Reiter neben ihm hielt. Seine braunen Augen prüften erst das Pferd und dann den weißen Mann.
Wyatt blickte auf die zerlumpte Gestalt des Greises.
»Kennst du einen Rancher, der Rooper heißt?«
Der Alte nickte.
»Wo liegt seine Ranch?«
Der Indianer hob den linken Arm und wies nach Süden.
»Du mußt zweimal eine Stunde reiten, den Fluß überqueren und bei den roten Hügeln nach Westen abbiegen. Da wirst du seine Reiter treffen.«
Wyatt reichte dem Alten eine seiner Zigarren hinunter und sah zu seinem Schrecken, daß der Mann das gute Kraut zerbrach und in den Mund schob.
Kauend und grinsend winkte er dem Reiter nach.
*
Es war Nachmittag, als Wyatt in den Ranchhof der Rooper-Ranch einritt.
Am Tor stand ein junger, hartgesichtiger Bursche mit hellem Haar und grauen Augen. Er schob den weißen Hut aus der Stirn und musterte den Reiter.
»Na, Freund? Wohin wollen Sie denn?« fragte er, während er sich lässig gegen einen Torpfosten lehnte.
»Ich möchte mit dem Rancher sprechen.«
»Der ist nicht da.«
»Dann werde ich mit dem Vormann reden.«
»Der ist auch nicht da.« Der Bursche grinste frech.
Wyatt stieg vom Pferd und trat vor ihn hin. Seine Augen bohrten sich in das Gesicht des Cowboys.
»Wo ist der Rancher?«
»Auf der Weide.«
»Und der Vormann?«
»Auch auf der Weide.«
Wyatt führte sein Pferd zur Tränke und stieg dann wieder in den Sattel.
»Wie finde ich den Rancher?«
»Keine Ahnung. Unser Land ist ziemlich groß, Mister – und Ihr Pferd verdammt klein.«
Wyatt verließ den Hof und ritt nach Westen davon.
Nach einer halben Stunde sah er zwei Männer an einem kleinen Corral auf dem Gatter hocken.
Er ritt auf den Corral zu, grüßte kurz und fragte, wo er den Rancher finden könne.
Der eine der beiden Cowboys hatte rotes Haar und ein breites Bullbeißergesicht. Die Nase war platt und hatte einen eingedrückten