BLUT, SCHWEISS UND TRÄNEN (The End 5). G. Michael Hopf
und engsten Freunden! Willst du mir etwa etwas vorenthalten, um jemanden zu schützen? Oder glaubst du es etwa auch?«
Er schnaubte. »Bis zu einem gewissen Grad glaube ich es. Mensch, ich habe schließlich gesehen, wie schlecht es ihm geht, seit Sebastian umgebracht worden ist.«
Samantha sah sich dazu veranlasst, ihren Mann in Schutz zu nehmen. »Wütend zu sein ist doch wohl sein gutes Recht. Er hat schließlich bereits Freunde verloren, dann einen Sohn und jetzt auch noch seinen Bruder. Da darf er sich doch wohl mit Fug und Recht aufregen.«
»Das stelle ich ja gar nicht in Abrede, aber er hat bestimmte Dinge getan …«
»Die da wären?«
»Hör mir zu, ich bin nicht zum Streiten, geschweige denn zum Diskutieren hierhergekommen. Es geht um etwas anderes.«
»Was hat Gordon getan, das so schlimm ist? Antworte schon.«
»Heute kam es zu einem Gefecht … Er und die Armee haben sich durchgesetzt. Sie haben die Luftwaffenbasis Mountain Home erobert, doch dann hat er etwas getan, das einige wirklich ungeheuerlich und abscheulich fanden.«
»Was denn? Verflucht hör endlich auf, um den heißen Brei herumzureden!«
»Er hat mehrere amerikanische Offiziere exekutiert, die sich bereits friedlich ergeben hatten.«
Samantha hielt einen Moment lang inne. Dann erwiderte sie gleichmütig: »Na und? Wir führen schließlich einen Krieg.«
»Spiel das nicht so herunter! Taten ziehen immer Konsequenzen nach sich, und er muss sich jetzt unter politischen Gesichtspunkten damit auseinandersetzen«, verlieh Nelson dem Ganzen Nachdruck. »Doch, das muss er, auch wenn ich es hasse, das zu sagen.«
»Nein, das muss er nicht. Das Einzige, was er muss, ist gewinnen.« Daraufhin stand Samantha auf, ging ein Stück weiter und schaute hinaus auf die Bergzüge im Osten.
»Sam das ist kein Pappenstiel. Gordon sollte niemanden grundlos hinrichten. Er muss demonstrieren, dass er als Führungskraft auch mitfühlen und Gerechtigkeit walten lassen kann. Außerdem hat er einen unbewaffneten Mann mit bloßen Händen getötet; ihn einfach erschlagen.«
»Ich höre dir nicht mehr zu. Dafür gab es bestimmt triftige Gründe, dessen bin ich mir sicher. Wer auch immer dieser Mann gewesen ist, muss etwas Schlimmes verbrochen haben.«
Nelson erhob sich ebenfalls und ging zu Samantha. »Das hat er tatsächlich, aber man hätte ihm trotzdem den Prozess machen müssen. Wir können keinen neuen Staat gründen, wenn sich der Oberbefehlshaber unseres Militärs genauso benimmt wie die Tyrannen, von denen wir uns abgrenzen wollen.«
Nun fuhr Sam herum und schnauzte ihn an: »Wage es bloß nicht, Gordon mit Conner und vor allem mit diesem Barbaren Schmidt zu vergleichen!«
Nelson senkte den Blick. Er hasste Konflikte, hatte sich aber soeben mitten in einen solchen hineingeritten. Samanthas Reaktion sollte ihn eigentlich nicht überraschen, denn immerhin war sie Gordons Ehefrau.
»Ich vergleiche sie ja nicht miteinander, doch diejenigen, die ihn nicht mögen – und du weißt, dass die Drahtzieher an dem Tag auf den Plan traten, als er sich auf diesen Panzer stellte, zumal er sowieso schon politische Feinde hatte –, werden dies als perfekte Begründung benutzen. Ich wollte dich nur darum bitten, ihn bei der nächsten Gelegenheit darum zu bitten, gründlicher nachzudenken, bevor er solche Entscheidungen trifft.«
»Du machst mich echt sauer! Ich habe dich bisher immer für seinen Freund gehalten.«
Nelson ging an ihr vorbei und baute sich vor ihr auf. »Ich bin sein bester Freund und handele auch als solcher, wenn ich dafür eintrete, dass er sich sowohl hier als auch in Olympia im besten Licht zeigen soll.«
»Dann beweise es.«
Er schüttelte den Kopf. Sie wollte ihm partout nicht zuhören, was ihn ziemlich frustrierte. Mit der Einsicht, in eine Sackgasse geraten zu sein, ging er zum nächsten Thema über, das ihm am Herzen lag. »Sam, mir ist klar, dass du nicht hören willst, was ich über Gordon zu sagen habe, doch wir müssen darauf gefasst sein, dass er Staub aufgewirbelt hat, insbesondere wegen der Sache heute in Olympia.«
»Und was heißt das?«
»Die Stadt wurde heute überfallen. US-Truppen haben sie eingenommen. Dem Rat und dem Ausschuss gelang allerdings die Flucht. Sie sind unterwegs hierher, aber die Gerüchteküche brodelt schon, und wie bei allem, was mit Politik zusammenhängt, sucht man bereits einen Sündenbock. Und ich wette, dass Gordon derjenige ist, den sie dafür an den Pranger stellen wollen.«
Samantha massierte ihre Schläfen, weil sich langsam aber sicher eine Migräne bei ihr anbahnte. »Natürlich tun sie das, was will man denn sonst von Politikern erwarten? Sie sitzen doch gerne mit mahnendem Zeigefinger auf ihrem hohen Ross – deshalb haben sie auch so fette Ärsche – und ergehen sich in Schuldzuweisungen.«
»Wir sollten uns darauf einstellen und auch die anderen mobilmachen, um Gordon Rückendeckung geben zu können. Michael hält schon den Kopf für ihn hin, weil er Charles' Anrufe abwimmelt, um Smiths Einheiten von Yakima abzurücken und stattdessen Olympia zu attackieren.«
Das alles verwirrte Samantha so sehr, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie sie zu dem Granitfelsen zurückgewichen war. »Und Gordon meldet sich überhaupt nicht?«
»Nein, er hat Smiths Truppe befohlen, sich wieder nach McCall zu begeben, und hält sicherheitshalber dort die Stellung, falls Conner mit seiner Armee nach Osten rückt.«
Fassungslos wegen der schlechten Neuigkeiten, die gar kein Ende zu nehmen schienen, lachte Sam bitter auf und fragte: »Willst du wissen, was Haley vorhin zu mir gesagt hat?«
»Was?«
»Dass ich sie nicht zu belügen bräuchte. Ich sage ihr immerzu, dass alles gut werde, doch sie durchschaut den ganzen Unsinn. Das Kind ist noch so jung, aber im Verhältnis dazu unheimlich klug.«
»Sie muss ja keine heiklen Einzelheiten erfahren, doch vielleicht ist es jetzt an der Zeit, ihr zu erklären, dass nicht immer alles eitel Sonnenschein ist.«
»Das bringe ich aber nicht fertig. Meine Aufgabe als Erziehungsberechtigte besteht darin, meinen Kindern Zuversicht zu schenken, verstehst du? Das bedeutet zwar nicht, dass ich ihnen Gefahren vorenthalten will, doch wenn ich ihr das alles erzähle, ist sie hinterher weder schlauer noch besser vorbereitet.«
Nelson nickte.
»Eine Zeit lang habe ich mich dazu verleitet gesehen, mein Geschwätz selbst zu glauben.«
»Und jetzt?«
»Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob alles gut wird und ob wir das Ganze überleben werden.«
Cheyenne, Wyoming, Vereinigte Staaten
»Sie sagen mir also, dass dies nur ein halber Sieg für uns ist?«, fragte Conner, während er den Lagebericht aus Mountain Home überflog.
»Richtig, Sir«, antwortete Baxter.
»Überlassen wir ihnen doch den Stützpunkt; dafür gehört uns jetzt ihre Hauptstadt«, erwiderte der Präsident und erhob sich merklich aufgeregt wegen der Neuigkeiten aus Olympia von seinem Schreibtisch. Er drehte sich zum Fenster um und wollte hinausschauen, stutzte aber, als er sein Spiegelbild in der Scheibe sah. Der Stress, unter dem er aufgrund der unaufhörlichen Kämpfe schon seit einer geraumen Weile stand, hatte seine Spuren hinterlassen. Sein einst fülliges Gesicht war mittlerweile eingefallen und gealtert. Tiefe Falten durchzogen nun seine Haut und die dunklen Flecken darauf fielen jetzt so drastisch auf, wie nie zuvor. Es war nichts mehr übrig geblieben von dem sanftmütigen, pummeligen Mann, der einstmals als Sprecher des Abgeordnetenhauses gearbeitet hatte. Weil er nicht darüber nachdenken wollte, warum seine Haut so ungesund aussah, wandte er sich wieder vom Fenster ab und Baxter zu. »Das ist ein Tag zum Feiern. Wir haben ihre Hauptstadt und bald werden wir Sturm gegen McCall laufen, um einen Schlussstrich zu ziehen.«
»Sir, wann können wir denn mit der Bombardierung anfangen?«, fragte