Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt
kümmern. Schließlich soll Möpschen ja in erster Linie für mich dasein. Es ärgert mich schon immer, daß Adele hier Mädchen für alles spielen muß. Wer sich als Hund ausgibt, soll auch bellen. Mag Gilda nur der Haushund hier sein, das kann ihrem Drohnendasein nichts schaden.«
»Ach, sieh mal an –«, kniff der Bruder die Augen zusammen. »Du führst es wohl nicht, mein Kind?«
»Kann ich mir auch leisten, da ich weder Hausstand, Mann noch Kind habe. Und nun oh, là, là, Bruderherz.«
Ein Händedruck, und die Tür fiel hinter Almut zu. Sie ging nach ihrem Ankleidezimmer, packte dort die Koffer, kleidete sich zu der Reise um und suchte dann Adele auf, bei der sie Gilda, ihre Schwägerin, vorfand.
»Nanu, Gilda, was machst du denn hier?«
»Ich wollte Fräulein Aldermann bitten –«
»Nichts da! Bist du fertig, Möpschen?«
»Schon längst.«
»Ausgezeichnet. Dann werden wir einen dienstbaren Geist herbeordern, der uns die Koffer nach unten bringt. In der Zeit mache ich meine Karre flott. Gehab dich wohl, Gilda.«
Freundlich reichte sie der Schwägerin die Hand, die diese mit bitterbösem Gesicht nahm. Und bitterböse sah sie auch der schlanken Gestalt nach, die sich in aller Seelenruhe entfernte.
»Ein egoistisches Geschöpf!« stieß sie zornbebend hervor. »Sie weiß ganz genau, wie nötig Sie hier sind, Fräulein Aldermann. Direkt unentbehrlich.«
»Aber warum denn, gnädige Frau?« fragte Adele verwundert. »Unentbehrlich ist kein Mensch. – Bringen Sie die Koffer nach unten«, gebot sie dem Diener, der soeben eintrat. Und dann zu Gilda gewandt: »Entschuldigen Sie bitte, gnädige Frau, ich muß mich noch umziehen. Almut wartet nicht gern.«
Damit verschwand sie im Nebenzimmer, und Gilda suchte ihren Gatten auf, um über das rücksichtslose Benehmen seiner Schwester und das der impertinenten Aldermann vergeblich Klage zu führen.
*
Unterdessen hatte Almut ihren schnittigen Wagen flottgemacht, half dem Diener die Koffer verstauen und sah dann lachend Adele entgegen, die auf das Auto zukam. Deren rundliche Gestalt umhüllte ein langer Fahrpelz, dessen hochgeschlagener Kragen das Gesicht fast verdeckte. Den Kopf schützte eine Pelzkappe, und die Beine steckten in Pelzstiefeln.
»Oh, Möpschen!« jubelte das Mädchen. »Nimmst du an, daß ich mir den Nordpol als Reiseziel gesteckt habe?«
»Alles möglich bei dir«, kam es vergnügt aus dem Pelzkragen. »Sicher ist sicher.«
Es dauerte eine Weile, bis sie im Auto verstaut war. Der Diener hüllte ihre Beine in eine flauschige Decke, dann stieg Almut ein, brachte den Wagen in Gang – und hinein ging es in den frostklaren Wintertag.
Die Lenkerin, die einen weiten Pelzmantel trug, empfand die Wärme in dem geheizten Wagen als wohltuend, zumal auch die Sonne durch die Scheiben brannte.
Allein der vermummten Dame wurde es bald zuviel des Guten. Sie fing an zu schnauben, klappte mit einiger Mühe den Kragen herunter, und als sie dann noch den Pelz geöffnet hatte, bekam sie endlich Luft.
»Lach nicht«, sagte sie vergnügt zu Almut. »Du wirst mich um meinen braven ›Hammel‹ noch beneiden, wenn die Sonne fort ist und es draußen friert, daß es knackt. Da wirst du durch deinen schicken Nerz schon die Kälte spüren.«
Nun, Almut genügte der leichte Pelzmantel vollkommen.
War das eine Lust, so unbeschwert dahinzufahren! Heute hatte sie zum erstenmal eine Reise antreten können, ohne vorher die Erlaubnis des Vormunds einholen zu müssen. Ein herrliches Gefühl, endlich tun und lassen zu können, was einem beliebte. Ohne alle Vorhaltungen, Ermahnungen und Wichtigtuerei eines Vormundes. Das heißt, auch bei dem gestrengen Herrn hatte sie größtenteils ihren Willen durchgesetzt, doch die Kämpfe, die es jedesmal vorher gegeben hatte, waren nicht so einfach gewesen.
»Nun, Möpschen, wie fühlst du dich?« wandte sie sich an die Gute. »Ist es nicht wundervoll, so in die glitzernde Winterpracht hineinzufahren, aller Pflichten ledig?«
»Die deinen haben dich doch wohl noch nie gedrückt«, kam es trocken zurück. »Und meine auch nicht, wie ich ehrlich zugeben muß. In euerm Hause hat sich noch kein Mensch totgearbeitet, mein Kind. Mir jedenfalls ist es darin noch immer gut gegangen. Was mir jedoch die Zukunft bringen wird, bleibt dahingestellt. Augenblicklich jedenfalls bin ich hungrig.«
»Ein bißchen hungern tut deiner Taille nur gut«, wurde ungerührt erwidert, worauf das Fräulein entsagend seufzte. Dann stellte sie fest, daß so eine Winterfahrt auch ihre Reize hatte, zumal man sich von einem molligen Platz aus die herrliche Schneelandschaft in Muße betrachten konnte. Das brauchte der übermütige Fratz an ihrer Seite jedoch nicht zu wissen, sonst wurde er noch übermütiger.
Aber der Herrgott mochte wissen, wie lange die Fahrt noch dauern würde. Fünf Stunden war man bereits unterwegs, ohne nennenswerte Rast gemacht zu haben.
Adeles Magen begann immer ärger zu knurren und ließ sich dann eine Stunde später nicht mehr beschwichtigen, so daß seine von ihm so abhängige Besitzerin ungemütlich wurde.
»Feierabend«, gebot sie energisch. »Für heute wird Schluß gemacht. Nach meiner Berechnung müssen wir bald an der russischen Grenze sein, da du stur nach Osten fährst. Rase weiter, wenn es dir Spaß macht. Ich jedenfalls steige am nächsten Gasthaus aus.«
»Na schön«, sagte Almut mit unerwarteter Friedfertigkeit. »Wie ich am Kilometermesser feststellen kann, haben wir bereits über dreihundert Kilometer zurückgelegt. Das genügt für heute. Siehst du den Kirchturm dort? Wo einer ist, muß sich auch eine größere Ortschaft befinden, in der es so etwas wie ein Hotel geben wird. Dort werden wir ein üppiges Mahl einnehmen und uns anschließend in die Halala begeben. Zufrieden?«
Sie war es um so mehr, als Almut tatsächlich beim nächsten Hotel stoppte. Durch Zufall hatten sie das komfortabelste erwischt, das es in der mittelgroßen Stadt gab.
Das Auto wurde gut untergebracht und zwei guteingerichtete Zimmer belegt. Nachdem die Damen sich umgekleidet hatten, gingen sie in den Speisesaal, wo sie sich zu dem vorzüglichen Mahl sogar eine Flasche Wein leisteten, die ihnen die nötige Bettschwere gab.
*
Am nächsten Morgen erwachte Almut von dem Sonnenschein, der durch die Fenster flutete. Herrlich hatte sie geschlafen und war, so völlig ausgeruht, zu neuen Taten gerüstet. Mit einem Satz war sie aus dem Bett, schlüpfte in die Pantöffelchen und ging nach dem Nebenzimmer hinüber, wo Adele schnarchte, als wäre es noch Mitternacht.
»Raus aus den Federn!« rief Almut, worauf die sägenden Töne kurz abbrachen. Dafür wurde ein unwilliges Grunzen laut, das in Niesen überging, als Almut das Wasser von einem Schwamm auf das Mopsnäschen träufeln ließ.
»Prosit, wohl bekomm’s!« lachte der Schelm übermütig. »Ermuntere dich, du schwacher Geist! Hast mehr als einmal um die Uhr geschlafen, das dürfte doch wohl genügen.«
»Schwindele nicht. Es ist bestimmt noch früh am Morgen –«
»Dann überzeuge dich –«, wurde ihr die Armbanduhr unter die Nase gehalten.
»Tatsächlich, neun Uhr vorbei. Habe ich herrlich geschlafen! Nun mach, daß du ins Badezimmer kommst. Aber beeile dich. Mich hungert nämlich barbarisch.«
Nachdem sie sich im mollig durchwärmten Frühstückszimmer gestärkt hatten, fuhren sie wenig später vergnügt in den sonnigen Tag hinein. Almut war übermütiger denn je, neckte ihr friedfertiges Möpschen, lachte, sang und behauptete immer wieder, daß das Leben eine herrliche Angelegenheit wäre.
Da mußte Adele ihr recht geben. Satt war sie, warm und weich saß sie auch, dazu befreit von den Pflichten des Alltags – kurz und gut: Sie begann Almuts Reiseeinfall zu segnen.
Bis sie wieder hungrig wurde. Bekam das verdrehte Mädchen nicht endlich von der Fahrerei genug? Länger als vier Stunden