Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt
Schellengeläut hörbar, das von den Schlitten herrührte, in denen die Jäger saßen. Frohes Gelächter klang zu den beiden lauschenden Damen hin, das immer näher kam und schließlich die geräumige Stube erfüllte.
Mit großen Augen schaute Almut auf die Gestalten in Jägerkleidung, die auch die fünf Damen trugen, nur daß die Hosen durch Röcke ersetzt waren. Auf ihren Köpfen saß keck die Jägermütze, mit einer hochstrebenden Feder geschmückt.
Es war ein lustiges Völkchen, das sich unter Lärmen und Lachen an der langen Tafel placierte und stürmisch nach Bier verlangte, das der Wirt in Humpen eifrig herbeitrug. Schäumend verschwand es in den durstigen Kehlen, was Adele nicht weiter verwunderte, da sie als Förstertochter wohl wußte, daß die Jägersleut einen »anständigen Zug am Leibe« haben. Nur Almut sah mit großen Augen zu.
Als die Wirtin dann mit den großen Schüsseln erschien, wurde sie mit Hallo begrüßt. Der Hasenbraten war einfach delikat, wie die beiden Damen, die allein an ihrem Tisch saßen, feststellen konnten, nachdem der Wirt auch sie mit reichlichen Portionen versorgt hatte. Die Wirtin mußte bei der Zubereitung des Mahles wahrlich nicht mit Zutaten gegeizt haben. Schmorkohl und Soße glänzten nur so vor Fett. Adele häufte sich den Teller voll, als hätte sie mindestens zwei Tage fasten müssen.
»Möpschen, das willst du doch nicht etwa alles vertilgen?«
»Warum nicht? Ich gedenke sogar noch eine zweite Portion zu überwältigen.«
»Bravo –!« rief ein Weidmann da von der langen Tafel herüber, indem er seinen Humpen zu den Damen hin schwenkte. »Wer gut und reichlich ißt, der wird gemütlich. Aber warum sitzen die Damen so trocken da? Herr Wirt, Sie sollten sich schämen, Ihre Gäste verdursten zu lassen. Schenken Sie zwei Humpen voll auf meine Rechnung.«
Der Wirt tat also – und mit diesen Humpen war der Kontakt zwischen den Tischen hergestellt. Man prostete sich zu, Scherzworte flogen hinüber und herüber, bis dann die lustige Gesellschaft wie auf Verabredung zusammenrückte und vereint die Damen bat, sich einzureihen.
Kurz entschlossen griff Adele nach dem noch nicht geleerten Teller nebst Humpen, setzte ihre Rundlichkeit in Bewegung und zwang Almut so, ihren Spuren zu folgen. Die Jäger sprangen auf, wollten ihre Namen nennen, doch Adele winkte gemütlich ab.
»Lassen Sie nur, meine Herren, Name ist Schall und Rauch, um mich poetisch auszudrücken. Wenn wir uns heute trennen, sehen wir uns ja doch niemals wieder.«
»Recht so –«, lobte der Weidmann, der die Bekanntschaft vermittelt hatte, während er nach dem Stuhl, den der Wirt herbeitrug, griff und neben den seinen stellte. Mit einer galanten Verneigung zeigte er darauf hin.
»Bitte Platz zu nehmen, gnädige Frau. Hoffe, daß wir uns glänzend vertragen werden.«
»Und ob –«, bekräftigte Adele vergnügt. Als sie sich gesetzt hatte, sah sie sich nach Almut um, die ihr gegenüber Platz gefunden hatte.
»Na also, somit wären wir ja denn gut untergebracht. Hast du Angst, Kleine, weil du so ein unglückliches Gesicht machst?«
»Das wäre!« rief Almuts Nachbar, ein blonder blauäugiger Hüne. »Wo befänden sich die Damen wohl in sichererer Hut als in der Runde von Jägersmännern?«
»Na«, zweifelte das Fräulein zwinkernd, »ich habe immer gehört, daß die Nimrode ihre Fährte wechseln wie unruhiges Wild.«
Lachende Entrüstung wurde laut, die in freudiges Hallo überging, als die Wirtin mit frischgefüllten Schüsseln erschien, weil die ersten bereits geleert waren. Vergnügt aß man weiter.
Eben stieß »Möpschen« mit ihrem Humpen ungeschickt an den ihres Nachbarn, mit dem sie bereits so vertraut tat, als wäre er ein alter Bekannter von ihr. Staunend betrachtete Almut die sonst so zurückhaltende Dame und schrak zusammen, als der Jägersmann neben ihr sprach. Es war eine sonore Stimme mit seltsam dunklem Klang.
»Wollen wir es den Herrschaften da gleichtun, gnädiges Fräulein? Ihr Humpen steht ja noch unberührt da und die Speisen nicht minder. Trinken Sie sich nur getrost Appetit an. Oder gehören Sie zu den Menschen, die von Luft leben?«
Almut wandte den Kopf und sah in zwei blitzblaue Augen hinein, in denen es humorvoll aufzuckte. Blitzschnell schoß ihr durch das Hirn, daß sie ähnliche Augen überhaupt noch nicht gesehen hatte. Auch kaum so ein rassiges, stolzkühnes Antlitz und so eine prachtvolle Gestalt, die trotz ihrer Hünenhaftigkeit unbedingt elegant wirkte.
»Nun, gnädiges Fräulein, wollen Sie nicht mit mir anstoßen?« hielt er ihr noch immer seinen Humpen hin. Da stieß sie »nichtsnutzig lächelnd«, wie Adele zu sagen pflegte, dagegen.
»Prosit, mein Herr Unbekannt.«
Herzhaft tat sie einen langen Zug, um sich hinterher zu schütteln.
Das warme, frohe Lachen, in das der Mann nun ausbrach, ließ Almut aufhorchen. Wie gebannt schaute sie in die blitzblauen Augen hinein, die mit dem Mund um die Wette lachten.
»Nun, mein Sohn, was erheitert dich denn so?« fragte der Herr an Adeles Seite und schmunzelte dann, als er den Grund erfuhr. Ebenso taten es die andern, und eine sehr vornehm aussehende Dame mittleren Alters meinte gutmütig: »Als ich so jung war wie Sie, Kindchen, konnte ich dem Getränk auch keinen Geschmack abgewinnen. Später gewöhnte ich mich so daran, wie der Säugling an seine Flasche. Kein Wunder, wenn man unter so rauhen Nimroden leben muß.«
Almut betrachtete die Dame verstohlen und versuchte festzustellen, zu welchem der Herren sie wohl gehören mochte. Mit ihrer stattlichen Gestalt und dem edelgeschnittenen Gesicht konnte sie zu Almuts wie auch zu Adeles Nachbarn gehören. Oder auch zu dem älteren Herrn mit dem schmucken Jägerbart.
Aber was ging sie das an? Nach wenigen Stunden würden diese Zufallsbekanntschaften ja doch zu Ende sein.
Das schienen auch die andern zu denken. Niemand fragte sie und Adele nach dem Woher und Wohin. Man kam ihnen mit unbefangener Herzlichkeit entgegen und betrachtete sie als ihresgleichen.
Unwillkürlich zog Almut Vergleiche zwischen diesen Menschen hier und denen ihrer Kreise. Wie hätten die sich wohl benommen, wenn zwei Fremde ohne Namensnennung sich zu ihnen gesellt –?
»Blöd –«, sagte sie da laut und vernehmlich aus ihrem Gedankengang heraus, so daß die andern sie verständnislos ansahen. Und als gar ihr Nachbar noch fragte, ob sie ihn damit meinte, lachte sie übermütig und hob ihm mit einem charmant koketten Blick ihren Humpen entgegen.
»O nein, mein Herr. Anwesende sind ausgeschlossen.«
»Na –«, zweifelte er. »Ich glaube, aus Ihnen ist nicht so leicht klug zu werden, meine Gnädigste. Aber wie ich sehe, bringt der Wirt eine Flasche echten Jägerschnaps. Werden Sie da streiken?«
»Abwarten«, entgegnete sie. »So ein Likör ist doch süß. Und für Süßigkeiten habe ich nun einmal eine Schwäche.«
Daher nahm sie aus der Likörschale, in der die Flüssigkeit rotgolden funkelte, einen herzhaften Schluck, worauf sie arg husten mußte. Als sie jedoch das humorvolle Funkeln in den Augen ihres Nachbarn sah, mußte sie wieder lachen.
»Na, hören Sie mal, wenn bei den Jägersleuten alles so bitter ist –«
»Bittersüß –«, flüsterte er ihr zu. »Genau wie die Liebe.«
»Haben Sie darin schon so große Erfahrung?« blitzte sie ihn an, und wieder klang sein warmes Lachen auf.
»Bestimmt mehr als Sie, gnädiges Fräulein. Und wenn auch nicht, so verriet es doch schon der Trompeter von Säckingen: O Lieb, wie bist du bitter, o Lieb, wie bist du süß.«
»Der mußte es ja wissen«, schnitt sie eine allerliebste Grimasse. »Er wollte ja auch ein Ritter sein, ein Ritter vom goldenen Vließ«, sang sie übermütig, darob »Möpschen« den Kopf schüttelte.
»Sag mal, mein Kind, hat es dir der wilde Jägerschnaps etwa schon angetan?«
»Und wie, Muttchen«, blinzelte sie ihr verschmitzt zu. »Deinen vergnügten Äuglein