Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt

Leni Behrendt 6 – Liebesroman - Leni Behrendt


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nicht nur Wasser auf die Nase träufelte, sondern ihr gleich den ganzen Schwamm auf das schlafheiße Gesicht drückte. Der schlanke Körper schnellte hoch, die Augen blinzelten verschlafen um sich – und dann bückte Almut sich blitzschnell nach dem Pantöffelchen, das auf dem Bettvorleger stand. Doch ebenso schnell sprang das Fräulein zur Seite, und das Wurfgeschoß aus zartfarbener, gesteppter Seide verschwand in den hochgetürmten Betten. Lachend warf sich Almut zurück und streckte wohlig die Glieder.

      »Möpschen, du Barbarin, ist das eine Art, einen Menschen aus süßesten Träumen zu reißen? Schämst du dich denn gar nicht?«

      »Absolut nicht«, kam es vom Tisch her, wo Adele ihre Morgenwaschung betrieb. »Mit Murmeltierchen muß man kurzen Prozeß machen.«

      »Aber nicht zwischen Mitternacht und Morgengrauen.«

      »Zu der Zeit sind wir eingeschlafen, mein Kind. Wirf einen Blick auf die Uhr, dann wirst du feststellen, daß es bald Mittagszeit ist.«

      »Übertreibe nicht, Möpschen, es ist knapp neun Uhr. Wie schön, daß man sich einmal so richtig ausschlafen kann.«

      »Als ob du das zu Hause nicht könntest –«

      »O nein, da gibt es immer jemand, der mir das nicht gönnt. Und wenn es der kleine Adalbert ist, der mich mit seinem Gebrüll schon am frühen Morgen aus dem Schlaf reißt. Es ist doch gleich, ob wir eine Stunde später von hier abfahren.«

      »Ich glaubte, daß du ausgezogen bist, um Abenteuer zu suchen«, spottete das Fräulein. »Nimmst du etwa an, daß du diese vom Bett aus erleben kannst? Übrigens möchte ich dir raten, einmal auf der Karte nachzusehen, wo wir uns überhaupt befinden. Nach meiner Schätzung müssen wir bald in Rußland sein.«

      »Dann hätten wir zum mindesten die Grenze passieren müssen, Möpslein. Offen gestanden ist es mir egal, wo wir sind. Hauptsache, ich bin der Langeweile zu Hause entgangen.«

      »Deine Undankbarkeit ist einfach himmelschreiend, Almut. Viele Mädchen möchten wer weiß was darum geben, wenn sie ein so schönes Zuhause hätten wie du. Aber so ist es nun mal im Leben: Was der Mensch hat, das achtet er gering.«

      »Möpschen, wer wird denn am frühen Morgen schon mit so schwerwiegenden Belehrungen kommen«, schnellte Almut aus dem Bett, reckte die geschmeidigen Glieder wie ein Kätzlein in der Sonne und sah sich mit lachenden Augen in dem Raum um. Wohlig empfand sie die Wärme, die dem behäbigen Kachelofen noch immer entströmte.

      Sie trat an eines der Fenster, das mit Eisblumen bedeckt war. Hauchte dagegen, bis das Loch in der Scheibe groß genug war, um hindurchschauen zu können. Ihr Blick fiel auf schneebedeckte, hohe Tannen, die wie stumme Wächter das Haus umstanden. Auf einer saß ein Eichhörnchen, das an irgend etwas vergnügt knabberte.

      Eine erhabene Ruhe lag über dem Landschaftsbild, das dem Stadtkind seltsam ans Herz griff.

      »Wie romantisch«, sagte Almut verträumt. »Eigentlich sind die Menschen zu beneiden, die hier wohnen dürfen und somit all das Wunderbare ständig vor Augen haben.«

      »Na, du würdest von der Romantik bald genug haben«, riß Adele sie aus ihrer Schwärmerei. »Bedenke, daß es hier kein Theater, kein Kino, keine feudalen Gesellschaften und keine Flirts gibt. Wenn die Menschen zur Stadt fahren, die schätzungsweise zehn Kilometer entfernt liegt, tun sie es bestimmt nicht zu ihrem Vergnügen, sondern um die nötigen Einkäufe zu machen –«

      »Muß doch auch reizvoll sein.«

      »Für die, die mit dem Landleben verwachsen sind, gewiß. Doch nicht für eine solche Asphalttreterin, wie du eine bist.«

      »Pfui, Möpschen, wie prosaisch!«

      »O nein, ich bleibe nur mit beiden Beinen auf der Erde, mein Fräulein Guckindieluft. Außerdem wird man von der Romantik nicht satt.«

      »Darauf habe ich gewartet!« lachte Almut übermütig. »Da du bereits angekleidet bist, gehe schon hinunter und bestelle das Frühstück. Ich will mich beeilen und nachkommen.«

      »Schön. Aber wasche dich wie vernünftige Menschen, damit das Zimmer nicht wieder schwimmt.«

      Schon war sie hinaus, und Almut begann rasch mit der Toilette. Als sie unten erschien, brachte der Wirt gerade das ländliche Frühstück.

      »Guten Morgen, gnädiges Fräulein«, grüßte er strahlend, »Wünsche wohl geruht zu haben.«

      »Danke, ist glänzend besorgt. Doch wie ich sehe, sind wir wieder die einzigen Gäste. Ist es immer so still bei Ihnen, Herr Wirt?«

      »Um diese Stunde fast immer, erst um die Mittagszeit wird es lebhaft. Das Hauptgeschäft beginnt jedoch erst am Abend. Da finden sich die Herren der Umgegend zum Skat und zu einem gemütlichen Schoppen zusammen. Und nun wünsche ich den Damen guten Appetit«, zog er sich zurück.

      Der Appetit war hauptsächlich wieder einmal bei Adele vorhanden. Ihre Art zu essen konnte direkt ansteckend wirken. Der Ofen gab die Wärme ab, die sie liebte – also blieb für Adelchens Gemütlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig. Nur, als sie daran dachte, daß sie aus dieser Behaglichkeit bald wieder in die Kälte hinaus mußte, ohne Ziel, seufzte sie herzzerbrechend.

      »Was hast du, Möpschen, fühlst du dich nicht wohl?« fragte Almut.

      »Leider zu wohl. Doch wenn ich daran denke – na, laß schon. Weißt du, wo wir sind?«

      »Keine Ahnung.«

      »Aber ich weiß es jetzt. Habe den Wirt gefragt, der sehr erstaunt war, daß wir das nicht wissen. Wie kann ein Mensch auch ahnen, daß es so verdrehte Gemüter gibt, die zur Winterszeit im Auto losrasen der Nase nach. Kurz und gut: In Ostpreußen sind wir, du herzlose Barbarin! Kehre um, bevor die Wölfe uns fressen!«

      »Aber, Möpschen!« lachte Almut fröhlich. »Die Tierchen sollen hier doch so zahm sein, daß sie Pfötchen geben. Sobald wir das erste Exemplar antreffen, wollen wir es ausprobieren.«

      »Verdreht genug bist du dazu. Doch eines sage ich dir –«

      »Möpslein, tu doch nicht so kriegerisch«, lachte das Mädchen. »Wenn es drauf ankommt, dann gehst du mit mir selbst zur Hölle. Stimmt’s?«

      »Der Not gehorchend – nur der Not gehorchend. Ach, hätte ich dich nie gesehen«, klagte sie elegisch, während ihre Augen lachten. »Du bringst mich mit deinem Zigeunerblut bestimmt noch ins frühe Grab – vielleicht sogar heute schon.«

      »Dann kriegst du einen schönen Kranz von mir, mein armes, liebes Möpslein. Stirb aber nicht gleich, warte noch, bis ich zurückkomme. Will jetzt erst mal nachsehen, ob unser getreuer Wanderkamerad nicht über Nacht den Husten gekriegt hat.« –

      Kurze Zeit darauf konnte Almut melden, daß der Wagen tadellos in Ordnung war. Somit konnte man beruhigt starten, was man denn auch bald tat.

      Wieder saß Adele neben Almut im Auto und wartete gott­ergeben der Dinge, die da kommen sollten. Ein Trost, daß der Schlagbaum der Grenze dem Fimmel des Mädchens ein Ende setzen würde.

      Dann wurde Adele von der herrlichen Winterlandschaft, die sie durchfuhren, so gefesselt, daß sie gar nicht merkte, wie rasch die Zeit verging. Ganz gegen ihre Gewohnheit hielt die Lenkerin ein gemäßigtes Tempo.

      Zwischen den Insassen des Wagens wurde dann lange Zeit kaum ein Wort gewechselt, und das im Schauen versunkene Fräulein schrak aus der Andacht auf, als eine lachende Stimme fragte: »Nun, Möpschen, hast du denn noch keinen Hunger? Wir sind schon eine gute Weile unterwegs.«

      Nein, Hunger hatte sie zu ihrer eignen Verwunderung nicht. Trotzdem ließ sie sich das Essen gut schmecken, das der Ober in dem Hotel, wo sie bald danach eingekehrt waren, servierte.

      Obgleich das Lokal in seiner feudalen Aufmachung mit dem Gasthaus vom »Wilden Jäger« nicht zu vergleichen war, fühlten die beiden verwöhnten Damen sich darin nicht so wohl, weil die traute Gemütlichkeit der Waldschenke fehlte. Daher war Adele gar nicht betrübt, als die rastlose Almut zum Aufbruch mahnte. Bereitwillig setzte sie sich ins Auto, neugierig, wohin des verdrehten Mädchens


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