Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt
sind, unter diesem Dach zu verweilen.«
Damit zog sie ihre Mütze vom Kopf, klappte den Kragen herunter und duldete es gnädig, daß der Diener ihr aus dem Pelz half. Als er jedoch die Hand nach der flauschigen Jacke ausstrecken wollte, winkte sie ab.
»Lassen Sie nur, noch friere ich. Sehr warm ist es hier nicht.«
Sofort trat Stephan an den langen Heizkörper an der Wand, drehte ihn an, tat dasselbe mit dem unter den Fenstern angebrachten, dann ging er zum Kamin. Suchte aus dem danebenstehenden Korb Holzspäne hervor, schichtete sie kunstgerecht auf und machte so ein hellflackerndes Feuer, auf das er dann Scheite legte.
Adele zwinkerte vergnügt zu Almut hin, die gleichfalls Pelz nebst Mützchen abgelegt hatte und nun in all ihrer frischen Schönheit dastand. Als Stephans Blick auf sie fiel, spiegelte sich etwas wie Wohlwollen auf seinem unbewegten Antlitz.
»Wir bitten die Damen um ein wenig Geduld«, sprach er würdevoll, dann zog er sich lautlos zurück.
Unerwartet schnell erschien Stephan wieder mit einem Tablett, das er auf den Tisch stellte. Dann zeigte er auf die flauschigen Decken, die er unterm Arm trug.
»Hier haben wir etwas, mit Verlaub zu sagen: für die Eisbeine der Damen. Wir würden den Damen raten, die nassen Schuhe nebst Strümpfen auszuziehen und sich mit der Decke zu umhüllen, bis das Auto hier ist und somit der Koffer, der gewiß trockene Sachen der Damen bringt. Wir haben uns nämlich entschlossen, den Wagen abzuschleppen.«
»Großartig, Stephan«, nickte Almut ihm strahlend zu. »Muß ich dazu mitkommen?«
»Nicht nötig, wenn das gnädige Fräulein uns Kenntnis davon gibt, wo sich das Auto befindet. Dann werden wir alles sicher in die Wege leiten.«
Also beschrieb Almut ihm den Weg, händigte ihm den Autoschlüssel aus, und würdevoll entfernte sich der Diener, nachdem er den Imbiß angerichtet hatte.
»Nun runter mit dem nassen Zeug, mein armes Möpschen«, rief Almut fröhlich. »Bist du noch im Zweifel, daß du dein müdes Haupt hier betten wirst?«
Ein unverständliches Brummen kam von der Stelle her, wo Adele sich mühte, die nassen Strümpfe von den Beinen zu bekommen. Als sie es geschafft hatte, ging sie auf bloßen Füßen zum Tisch, setzte sich in einen Sessel und hüllte den Unterkörper in die weiche Decke. Beäugte dann, was der Diener serviert hatte: Landbrot, Butter, Aufschnitt und eine Kanne, aus der es würzig duftete.
»Glühwein –«, stellte sie befriedigt fest. »Dieser Musterdiener scheint zu wissen, was uns guttut. Nimm Platz, damit wir uns laben können.«
Nachdem Almut ihr warm und weich gegenübersaß, trank man von dem gewürzten Wein, der wie Feuer durch die kalten Glieder rann. Da schnurrte Adelchen bereits wieder vor Wohlbehagen.
»Almut, nun bin ich mit deiner Verrücktheit fast ausgesöhnt.«
»Wirst es bald ganz sein, Möpschen. Haben wir in den drei Tagen, die wir unterwegs sind, nicht schon viel Nettes erlebt? Denke an die gemütlichen Stunden im ›Wilden Jäger‹ mit den fidelen Nimroden. Und dann so im Schnee stecken bleiben in einer wildfremden Gegend, durch Schneesturm wanken und Obdach suchen, das alles war doch wahnsinnig interessant.
Und nun sitzen wir gar im Turmzimmer eines feudalen Schlosses bei gutem Essen und fabelhaftem Trank. Dazu haben wir einen Diener kennengelernt, wie man einen solchen nur in alten Büchern findet. Vielleicht bekommen wir sogar den Schloßherrn nebst Familie zu Gesicht – ungemein romantisch ist das alles!«
»Na schön –«, fuhr Adele in die Schwärmerei des Mädchens. »Warten wir der Dinge, die da kommen werden. Hoffentlich wirft uns der würdevolle Stephan nicht noch heute abend in Eis und Schnee hinaus.«
»Kann er ja nicht!« frohlockte Almut. »Das Auto kann doch unmöglich durch den hohen Schnee.«
»Man kann ja ein Pferd vorspannen und uns so per Auto ins nächste Gasthaus fahren.«
»Können wohl, aber sie werden es nicht tun. Bei dem Wetter jagt der Bauer nicht einmal seinen Hund hinaus, geschweige denn sein Pferd. Prosit, Möpschen, unser unbekannter Gastgeber soll leben!«
Mit Behagen trank sie den heißen Wein, der es in sich hatte. Denn als die Kanne geleert war, stellte sich die Wirkung in Form eines niedlichen Schwipses ein. Die Wangen der Damen glühten, die Augen lachten mit dem Mund um die Wette.
So fand sie Stephan, der sich nach geraumer Zeit wieder einstellte. Hinter ihm ging ein Mann, der die schweren Koffer schleppte, während der vornehme Diener nur die beiden Köfferchen trug, die Nachtzeug und Toilettengegenstände der Damen bargen. Was das für eine Auszeichnung war, ahnten die Fremden nicht.
Als der Träger die Koffer abgestellt hatte, erhielt er von Almut ein Trinkgeld, bei dessen Anblick sich sein Mund zu einem breiten Grinsen verzog. Erfreut trollte er ab, und Stephan meldete: »Das Auto steht unversehrt in der Garage. Es war nicht leicht, den schweren Wagen aus dem hohen Schnee zu bekommen, aber wir haben es geschafft. Und nun heißen wir die Damen willkommen.«
»Na, Stephan –«, blitzte Almut ihn übermütig an. »Seien Sie nicht so voreilig. Vielleicht sind wir doch Gesindel –«
»Seitdem wir das Auto in Augenschein genommen haben, sind wir einigermaßen beruhigt.«
Damit schritt er dem riesigen Himmelbett zu, richtete Decken und Kissen zur Nacht, öffnete dann eine schmale Tür, die so in die Täfelung der Wand eingefügt war, daß man sie nicht bemerkte.
»Hier ist das Badezimmer. Wenn man es durchschreitet, kommt man in ein Gemach, das wir für die gnädige Frau Mama bestimmt haben –«
»Ausgeschlossen!« winkte Adele energisch ab. »Ich schlafe hier auf dem Diwan.«
»Mit Verlaub zu sagen: Das Himmelbett ist ein solches, in dem Ehegatten zu schlafen pflegen.«
»Um so besser«, lachte Adele. »Da werden meine Tochter und ich reichlich Platz haben.«
»Dann hätten wir uns nur noch nach den Wünschen der Damen zu erkundigen. Wir haben wohl schon zu Abend gespeist, aber es macht uns nichts aus, das Mahl nachzuservieren.«
»Danke, Stephan, wir sind vollkommen gesättigt.«
»Dann wünschen wir den Damen eine angenehme Nachtruhe.«
Nachdem er gegangen war, lachte Almut hellauf.
»Oh, Möpschen, der ist einfach gottvoll! Es müßte doch ein Spaß ohnegleichen sein, ihn aus seiner würdevollen Ruhe zu reißen.«
»Wenn dir das gelingt, zahle ich einen Taler«, schmunzelte Adele. »Ich bin ja eigentlich nicht allzu neugierig, aber wer die andern ›wir‹ sind, das möchte ich brennend gern wissen.«
»Ich auch. Sicherlich ist der Schloßherr ein alter Uhu, mit altväterlicher Grandezza, und seine Gemahlin so steif und vornehm, daß sie nicht lacht, sondern lächelt, nicht spricht, sondern flüstert.«
»Das Ehepaar kann auch jung sein.«
»Bei dem bejahrten Diener? Ausgeschlossen! Wollen wir wetten?«
»Fällt mir nicht ein. Wozu auch? Wahrscheinlich bekommen wir die Besitzer all der Herrlichkeit hier gar nicht zu sehen. –
Und nun werde ich, um mit unserm Freund Stephan zu sprechen, dem Koffer meinen Bademantel entnehmen, mich entkleiden, mich durch ein Bad erquicken und dann zur Ruhe begeben.« Das Badezimmer paßte natürlich nicht in den Rahmen der alten Burg, war außerdem mit jedem Komfort der Neuzeit ausgestattet. Auf der Marmorkonsole, die zwischen Spiegel und Waschbecken angebracht war, fand Adele wohlriechende Essenzen nebst Seife, wovon sie ausgiebig Gebrauch machte.
Auch Frottiertücher hingen zur gefälligen Benutzung. Mit Behagen ließ sie sich das wohltemperierte Wasser aus der Brause über den Körper rinnen, frottierte ihn dann, hüllte sich in den Bademantel und ging in das Zimmer zurück.
»So, nun fühle ich mich wieder auf der Höhe.«
»Und ich werde dir gleich