Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt
»Vollkommen, Frau Gräfin«, beeilte sich Adele zu versichern. »Herzlichen Dank für die großmütige Einladung. Ich nehme sie mit Freuden an. Und soweit ich dieses Mädchen hier kenne, tut es desgleichen.«
»Das freut uns zu hören. Es würde uns nur angenehm sein, wenn Sie recht lange unsere Gäste blieben.«
*
Kaum hatten sie das Turmgemach betreten, stieß Almut einen Freudenschrei aus, der ihre Betreuerin erschrocken zusammenfahren ließ. Doch schon umschlang das übermütige Mädchen ihre Taille, walzte mit ihr davon, bis sie um Gnade bat und sich dann echauffiert in den nächsten Sessel fallen ließ und atemlos nach Luft schnappte. Doch kaum, daß ihr Atem wieder regelmäßig ging, sah sie Almut entrüstet an, die mit lachenden Augen vor ihr stand.
»Du verdrehtes Balg, du bist wohl ganz außer Rand und Band, wie?«
Nun machte das Mädchen zum Abschluß noch einen Luftsprung, umfaßte dann Adeles mollige Schulter und legte die Wange schmeichelnd an die ihre.
»Oh, Möpslein, ich bin so glücklich, daß ich hierbleiben darf!«
»Als Fräulein Niemand, jawohl«, warf diese trocken ein, indem sie das Mädchen von sich schob. »Ein auffallenderer Name fiel dir wohl nicht ein, du verdrehtes Ding.«
»Möpschen, du hast im ›Wilden Jäger‹ doch selbst gesagt, daß Name Schall und Rauch ist.«
»Weil ich annahm, daß man diese Zufallsbekannten nie wiedersehen würde. Daher ließ ich alle bei der Annahme, daß ich deine Mutter wäre. Daß du jedoch hier nicht nur den Schwindel fortsetzt, sondern mich sogar zur Witwe stempelst, das finde ich denn doch unerhört!«
Sie war so komisch in ihrer Entrüstung, daß Almut sich vor Lachen bog.
»Amüsiere dich nur, du Übermut –«, mußte Adele nun widerwillig in das Lachen miteinstimmen. »Du wirst für deine Unbekümmertheit schon einmal die Rechnung vom Schicksal kriegen. Neugierig bin ich nur, was du den Herrschaften unten an Ware vorlegen wirst. Vielleicht deine mitgeschleppten neunundneunzig Kleider. Aber von meinen laß die Finger, das rate ich dir.«
»Damit dürfte der Gräfin auch nicht gedient sein«, blitzte der Schelm sie mutwillig an. »Aber am Ende kann die junge Gräfin einiges von meiner Garderobe gebrauchen. Ich lasse sie ihr auch zum halben Preis.«
»Hast du also auch gemerkt, daß Graf Marbod verheiratet ist?«
»Natürlich, er trägt doch den Ehering.«
»Trotzdem konntest du es nicht unterlassen, mit ihm zu flirten, du unverbesserliches Balg. Aber bei dem beißt du auf Kieselsteinchen, verlaß dich darauf«, schloß sie schadenfroh, was Almut absolut nicht störte. Zuversichtlich meinte sie: »Der fällt schon noch darauf herein. Dann würde er der erste Mann sein, der sich nicht am Bändel führen läßt.«
»Eingebildet bist du gar nicht, mein Kind. Bedenke, daß du hier als Fräulein Niemand giltst und nicht als vielbegehrte Almut Fahrenroth. Wenn sich ein Graf Wetters mit einem so kleinen Nichts wie Fräulein Niemand auf einen Flirt einläßt, dann tut er es bestimmt nur aus Langeweile.«
»Na, wenn schon –«, schnippte Almut mit dem Finger. »Muß auch recht amüsant sein. Dann kann ich hinterher wenigstens wehmütig singen: Währte einen Winter lang, ist vorbei wie Glockenklang.«
»Das mache ich aber nicht mit, Almut.«
»Ach, Möpslein, sei doch nicht so entsetzlich gründlich. Gönne dem Fräulein Niemand doch das harmlose Vergnügen. Wenn mir der Boden zu heiß werden sollte, rücken wir aus. Nicht wahr, mein Muttchen?«
»Laß mich bloß damit zufrieden. Wenn du wirklich meine Tochter wärest, müßte ich mir ja die Augen aus dem Kopf schämen über so ein mißratenes Geschöpf. Dazu soll ich gar noch Witwe sein, die ich auf mein Fräuleintum genauso stolz bin wie Stephan auf seine Dienerwürde –«
Wie auf ein Stichwort trat der Genannte ein und meldete: »Wir wollen fragen, ob das gnädige Fräulein geruhen möchten, nach dem Auto zu sehen, um sich davon zu überzeugen, daß wir es gut untergebracht haben.«
»Mit Freuden, Stephan. Schneit es draußen noch?«
»Nein, gnädiges Fräulein. Es ist ein Stillstand eingetreten, den wir sehr begrüßen.«
»Ich auch, mein Lieber. Da brauche ich mich wenigstens nicht so zu vermummen.«
»Das würden wir dem gnädigen Fräulein doch raten, denn von der See her weht ein eisiger Wind.«
»Schön, nehme ich den Pelz.«
Sie ließ den Worten die Tat folgen, hüllte sich in den Pelzmantel, setzte das fesche Mützchen auf die Locken und stand so vor Stephan, der sie kritisch betrachtete.
»Mit Verlaub zu sagen: Die feinen Schuhe sind nichts für den tiefen Schnee. Haben das gnädige Fräulein nicht wetterfestes Schuhzeug?«
»Natürlich, Stephan, sogar Stiefel. Wo stecken die eigentlich, Möpschen?«
»Keine Ahnung, du hast ja deine Sachen selbst gepackt.«
Almut trat an den großen Koffer, warf darin alles durcheinander, bis sie in dem Schuhkasten das Gewünschte fand. Ohne wieder Ordnung zu schaffen, stieg sie in die zierlichen Reitstiefelchen – und der Diener schaute mit unbewegtem Gesicht auf das Chaos von seidenglänzender Wäsche und eleganten Kleidern.
»So! Stephan, nun bin ich fertig. Wollen Sie mich führen?«
»Sehr wohl, gnädiges Fräulein.«
Fort waren sie, und Adele machte sich seufzend daran, den Wust im Koffer zu entwirren. Fein säuberlich hängte sie die Kleider in den großen Schrank, legte die Wäsche in die Kommodenlade, brachte die Schuhe in einem Schränkchen unter und schüttelte immer wieder den Kopf.
Was dieses sorglose Kind da wieder alles an Ballast mitgeschleppt hatte. Sogar zwei Abendkleider und den Reitanzug. Was mochte sie sich nur dabei gedacht haben –?
Wahrscheinlich gar nichts, wie gewöhnlich. Sie handelte eben ganz nach Willkür und Laune. Lebte in den Tag hinein, wie ein verhätscheltes Glückskind das nun einmal tut. Deshalb konnte man ihr über ihre Sorglosigkeit noch nicht einmal einen Vorwurf machen, zumal sie im Grunde ihres Wesens warmherzig war und mit ihrer bestrickenden Persönlichkeit die Menschen immer wieder entwaffnete. Der Himmel mochte geben, daß sie nicht einmal aus dieser eigentlich recht liebenswerten Unbekümmertheit gerissen wurde.
So dachte Adele, während sie die Sachen des Mädchens forträumte. Dann ging sie daran, ihren eigenen Koffer zu entleeren. Sie hatte nur das eingepackt, was man im Winter braucht. Das fand nun noch bequem Platz in Schrank und Lade.
Dann trat sie an das Fenster und schaute auf die gischtgekrönte See. Fest, wie für eine Ewigkeit erbaut, mußte das Schloß sein, denn bei besonders hohem Wellengang schlugen die Wogen wahrscheinlich über den schmalen Strand hinweg gegen die Steinmauer der Burg.
Adele konnte sich nicht sattsehen an dem gewaltigen Bild. Wie glücklich mußten die Menschen sein, die es immer vor Augen haben durften. Eine Sehnsucht stieg in ihr auf, wie sie eine ähnliche nur empfunden, als sie aus der Stille des elterlichen Forsthauses in die Stadt gekommen war.
Jahre hindurch hatte sie sich darin nicht eingewöhnen können, bis sie Almuts Erzieherin wurde, die sie in ihrer anspruchsvollen Art so mit Beschlag belegte, daß ihr kaum noch Zeit blieb, an sich selbst zu denken. Die vielen Jahre, die dann folgten, hatten das Heimweh nach dem Forsthause langsam eingegeschläfert – und nun war plötzlich wieder alles wach, wonach sie sich einst fast krank gesehnt.
Die sonst so nüchterne Adele Aldermann geriet so sehr ins Träumen, daß sie alles um sich her vergaß. Bis drei tiefe Gongtöne sie aufschrecken ließen. Gleich darauf klopfte es und Stephan trat ein.
»Wir bitten die gnädige Frau zur Mittagstafel, an der das gnädige Fräulein nicht teilnehmen werden.«
»Ja, wo ist sie denn?« fragte Adele,