Leni Behrendt 6 – Liebesroman. Leni Behrendt

Leni Behrendt 6 – Liebesroman - Leni Behrendt


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Reiz der Neuheit, gnädiges Fräulein«, lächelte Marbod sein gewohntes Lächeln, das Almut schon im »Wilden Jäger« abscheulich gefunden hatte. So lächelten die Herren ihrer Bekanntschaft jedenfalls nicht –.

      Na – wie jedem schön ist. Niemand kann aus seiner Haut heraus. Was ging der Mann sie schließlich an? Gar nichts – Gott sei Dank –.

      Der Senior der Familie gefiel ihr bedeutend besser. Wie die Fältchen an seinen Augen zuckten, wenn er sich über etwas amüsierte. Wie freundlich und gütig zugleich diese noch so jungen Augen blicken konnten.

      Und die Gräfin? Für die Frau konnte man direkt schwärmen. So eine Mutter haben – wie stolz würde sie dann sein!

      Ganz nachdenklich war Almut geworden. Träumend hing ihr Blick an der Flamme im Kamin. Eine Traulichkeit hielt sie umfangen, die ihr bisher unbekannt geblieben war. Nur mit halbem Ohr hörte sie auf das Geplauder der andern, erst als der Name des Dieners fiel, beteiligte sie sich wieder am Gespräch.

      »Ach ja, der Stephan, den liebe ich direkt«, bekannte sie lachend. »Obgleich er mich in aller Würde abgekanzelt hat. ›Wir‹ wären hier gewohnt, daß auch die Gäste zu den Mahlzeiten pünktlich erschienen, hielt er mir vor.

      Erst als ich sagte, daß man bei der Schönheit da draußen Zeit und Stunde vergessen könnte, wurde er milder und meinte, dafür hätte schon der Herr Volontär sorgen müssen, daß ich pünktlich zurück wäre. Aber das könnte man von dem saloppen Herrn mit so wenig Erziehung kaum erwarten. Na schön, wenn ich mich das nächste Mal von der Wettersburg entfernen will, erbitte ich mir von Stephan Urlaub –«

      Dann fiel ihr etwas ein, was sie spitzbübisch zu Adele hinsehen ließ, die wie das verkörperte Behagen in ihrem Sessel saß.

      »Du, Möpschen, Wölfe habe ich aber keine angetroffen!« rief sie ihr neckend zu. »Und Herr Hinrichs auch nicht, wie er mir verriet.«

      »Wölfe?« fragte der Hausherr verständnislos. »Haben Sie denn hier welche erwartet, meine kleine Gnädige?«

      »Ich nicht, aber mein Möpschen –«

      »Aber, aber –!« tanzten seine Augenfältchen. »Wer hat Ihnen denn den Bären mit den Wölfen aufgebunden, gnädiges Fräulein?«

      »Man ist bei uns der allgemeinen Ansicht, daß es in Ostpreußen viele Wölfe gibt«, verteidigte sich Adele.

      »Und wo die Wettersburg doch so dicht an der russischen Grenze liegt –«

      »Nun, etliche Kilometer dürften es bis dahin noch sein«, amüsierte sich der Herr immer köstlicher über das rundliche Fräulein. »Aber wenn Sie durchaus einen Wolf sehen wollen, können wir ja nach dem Königsberger Tiergarten fahren. Da gibt es bestimmt welche – allerdings hinter Gittern.

      Oder noch besser, Sie begeben sich hier nach dem Rittersaal, da können Sie herrliche, ausgestopfte Exemplare sehen. Denn vor grauer Zeit, da die Wettersburg erbaut wurde, konnte man hier noch Wölfe erjagen. Sogar mit einem Bären können wir aufwarten.«

      »Wie interessant –!« bekam Almut blanke Augen. »Wie mag es damals in dieser Burg ausgesehen haben!«

      »Bestimmt nicht wie jetzt, mein kleines Fräulein. Ohne elektrischen Strom, Rundfunk, Auto, Zentralheizung und andere Dinge mehr, die uns das Leben jetzt so behaglich machen. Die Burg steht nämlich schon seit dem Mittelalter, und jeder Nachfahre der Wetters hat sich bemüht, das Moderne seiner Zeit mit dem schon Bestehenden zu verschmelzen.«

      »Dann waren die damaligen Herren wohl Raubritter?«

      »Ich will es nicht ableugnen, da man den Wetters kühne Streitbarkeit nachsagt. Da gab es manch Donner und Doria. Und weil Wetter so gut dazu paßt, erhielt die Feste den Namen ›Donnerwetterburg‹, wie sie im Volksmund auch heute noch heißt. Also sind auch wir Nachfahren immer noch mit Vorsicht zu genießen, meine kleine Gnädige.«

      »Donnerwetterburg!« jubelte Almut. »Da hat unsere Winterfahrt uns also mitten in die Romantik geführt, Möpschen –«

      »Das ist noch Begeisterung«, lächelte die Gräfin, die immer größeres Wohlgefallen an dem frischfröhlichen Menschenkind fand. »Im allgemeinen will unsere Jugend nicht viel von Romantik wissen. Sie jagt den Vergnügungen so eifrig nach, daß es kaum noch eine besinnliche Stunde in ihrem Leben gibt. Da waren wir doch besser dran, nicht wahr, Fräulein Aldermann?«

      »Nun, ich kann nicht behaupten, daß mir die Kleine da viel Zeit für besinnliche Stunden gelassen hat«, kam die Antwort. »Sie verstand es erstklassig, mich mit ihren wechselnden Stimmungen ständig in Atem zu halten. Bald von einem ungestümen Lebensdrang, bald weltschmerzlich und verträumt. Da mußte meine Nüchternheit ewig Ausgleich schaffen.«

      »Hast aber alles gut überstanden, Möpslein«, lachte das Mädchen sie spitzbübisch an. »Den Appetit haben dir meine ›Kapriolen‹ jedenfalls nie geraubt.«

      »Da sehen Sie, meine Herrschaften, wie sehr ich leiden muß«, klagte Adele gottergeben. Dabei ruhte ihr Blick mit solcher Zärtlichkeit auf ihrer Schutzbefohlenen, der mehr sagte, als viele Worte es vermocht hätten.

      *

      Wenn Almut jemals die Romantik gesucht hatte, so fand sie diese nun auf der Wettersburg an allen Ecken und Enden.

      Sie war in der nächsten Zeit eifrig auf Suche nach Sehenswürdigkeiten, wobei Adele sie stets begleiten mußte. Diese hatte nun auch die gefürchteten Wölfe in Augenschein genommen, die so echt wirkten, daß das Fräulein nicht zu bewegen war, nahe an sie heranzutreten. Der Bär, der aufrechtstehend seinen aufgesperrten Rachen zeigte, flößte ihr noch mehr Furcht ein.

      Es gab aber noch so vieles in der Burg, was sie fast noch mehr begeisterte als Almut. So schwärmte sie denn bald mit ihr, was den Gastgebern jedesmal ein verstecktes Lächeln entlockte.

      Diese waren von einer gleichbleibenden Liebenswürdigkeit, welche die Gäste wohltuend berührte und sie auf der Wettersburg bald heimisch werden ließ. Und als Stephan sie eines Tages gar in das »wir« einschloß, da fühlten sie sich direkt zugehörig den Burgbewohnern.

      Die Stadtdamen hätten nie geglaubt, daß das Leben auf dem Lande so abwechslungsreich sein könnte. Hauptsächlich im Winter, wo der tiefe Schnee die Wege unbefahrbar machte. Nur der Schlitten mit seinen breiten Kufen glitt über die Schneedecke mühelos hinweg.

      Daher wurde er auch benutzt, wenn es im nächsten Dorf etwas zu besorgen gab wie Lebensmittel, Briefsachen auf der Post oder leichtes Gut auf der Kleinbahn. Und sobald eine Schlittenfahrt stieg, war Almut zur Stelle. Saß dann fidel an der Seite des nicht minder fidelen Volontärs, der mit den Besorgungen größtenteils betraut wurde, und genoß das Wintervergnügen aus vollem Herzen.

      So konnte es nicht ausbleiben, daß sich der junge Mann in das schöne Mädchen verliebte. Als ihm jedoch an einem besonders herrlichen Wintermorgen das Herz durchging und er seine Schlittennachbarin zu küssen versuchte, erhielt er eine Ohrfeige, die ihn aus all seiner Seligkeit riß. Ehe er seiner Entrüstung Luft machen konnte, sprang Almut schon aus dem Schlitten und stapfte durch den Schnee in entgegengesetzter Richtung davon.

      »Gnädiges Fräulein, so warten Sie doch!« rief er ihr beschwörend nach, doch sie schien taub zu sein. Da sprang auch er hastig aus dem Gefährt, band die Fahrleine an den nächsten Baum und setzte der Enteilenden mit langen Schritten nach. Als er sie eingeholt hatte, vertrat er ihr schwer atmend den Weg.

      »Gnädiges Fräulein – seien Sie doch kein Spielverderber«, bat er zerknirscht, worauf ihn ein »nichtsnutziger« Blick traf.

      »Mein Herr, eine Spielverderberin bin ich eigentlich nicht, weil ich nämlich selbst gern – spiele. Aber wohlgemerkt: immer nur bis zu einer bestimmten Grenze.«

      »Aber, gnädiges Fräulein, ein Küßchen in Ehren –«

      »Kann ich sehr gut verwehren«, unterbrach sie ihn, schon wieder lachend, was ihn Mut fassen ließ. Mit dem gewinnenden Lächeln, das diesem hübschen Schwerenöter eigen, streckte er ihr seine Hand entgegen. Seine Stimme schmeichelte mit den Augen


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