Griechische Mythologie. Ludwig Preller

Griechische Mythologie - Ludwig Preller


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target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_1de144f4-7750-59eb-9010-304fb2a6827c">619. Und weil solche Buße ein s. g. großes Jahr oder eine Periode von acht vollen Jahren (eine Ennaeteris) zu dauern pflegte, so wurde auch im Cultus diese Flucht und Buße alle acht Jahre um die Zeit der Pythien, wie es scheint, von neuem sinnbildlich aufgeführt, so daß er also immer von neuem als Φοῖβος ἀληϑῶς, wie Plutarch sich ausdrückt, d. h. als der lichte und reine Gott, der Erlöser von allem Unreinen zurückkehrte620. Der Tod des Drachen wurde dann förmlich aufgeführt und ein Knabe, der den Apoll vorstellte, mußte gleich darauf fliehen, bis in die Gegend von Tempe, in dessen Lorbeerhainen Apollon selbst Reinigung gefunden und als Reiner sein Haupt zuerst mit dem Lorbeerkranze geschmückt hatte. So mußte auch jener Knabe dienstbar werden bis die vorgeschriebene Zeit abgelaufen war, worauf er wie Apollon gereinigt und in feierlicher Procession mit Daphnephorien d. h. im Schmuck von Lorbeerzweigen und Lorbeerkränzen mit entsprechenden Liedern621 durch Thessalien nach Delphi zurückgeführt wurde. Andere symbolische Beziehungen der Art werden wir in der Sage vom Herakles finden, welcher nach der später gewöhnlichen Auffassung ganz als Diener und Werkzeug des Apollon ἀλεξίκακος in diesem höheren Sinne des Wortes erscheint, noch andre in der vom Orestes und in der ihr nachgebildeten vom Alkmaeon. Meistens ist in diesen Sagen Blutschuld und Blutrache die leitende Vorstellung. In älterer Zeit war dafür das auch bei den allen Deutschen gewöhnliche Blutgeld ein zureichendes Abkommen gewesen. Aber mit dem Apollinischen Dienste hatte sich bei den Griechen eine tiefere Auffassung des sittlichen und des Gemüthslebens verbreitet, so daß das Verbrechen fortan als eine Folge und Ursache innerer Verstörung und schwerer Zerrüttung des Geistes angesehen wurde, für welche eine Heilung nur durch Buße und durch göttliche Gnade gefunden werden könne. Der flüchtige Mörder wurde deshalb aus dem bürgerlichen Leben und aus der religiösen Gemeinschaft förmlich ausgestoßen und man dachte sich ihn von den Furien verfolgt und bösem Wahnsinn verfallen, wie die Dichter und Sagen dieses an dem Bilde des Orestes weiter auszuführen pflegen. Aber wenn er sich als Büßender und Schutzflehender (ἱκέτης, προστρόπαιος) an Apollon wendet, so hat dieser Reinigung und Sühnung für ihn, indem er ihn mit dem Blute des Sühnopfers besprengt und mit dem heiligen Lorbeerzweige alle Unsauberkeit von ihm abkehrt. Zugleich legt er ihm heilsame Werke der Buße auf, die der Sünder dann im Dienste Apollons und als sein Eigner (daher Δουλορέστης) verrichtet, bis die Zeit abgelaufen ist und er wieder in das Leben zurückkehren kann. Das sind die leitenden Vorstellungen vieler Sagen, welche gewöhnlich bei dem pythischen Apollonsdienste zu Delphi anknüpfen, woher auch die alten Lustrationssatzungen in Athen und in vielen andern Städten stammten622. Apollon selbst ist in dieser Hinsicht der wahre Heiland und Reiniger, σωτήρ und καϑάρσιος, als welchen ihn Aeschylos in seinen Eumeniden feiert. In den Schutzflehenden v. 262 schildert derselbe Dichter nach alter argivischer Sage die gleichbedeutende Gestalt des Apis, der ein Sohn des Apoll gewesen und aus Akarnanien, einer alten Heimath der Apollinischen Kathartik, übers Meer gekommen sei um das argivische Land von vielen Ungeheuern, wilden Thieren und von alter Schuld zu reinigen und dadurch erst bewohnbar zu machen: denn natürliches und sittliches Scheusal erscheinen in diesen Sagen immer als sinnverwandt. Noch andere Traditionen erzählen von alten Propheten, die von Apollo begeistert zugleich die Künste der Weissagung, der Heilung und der Reinigung geübt hätten, wie diese drei Thätigkeiten in der That nur die verschiedenen Wirkungen der einen Apollinischen Lichtreligion sind623. Daher auch Pythagoras und Empedokles sich bei ihren religiösen und kathartischen Stiftungen vorzüglich diesem Gottesdienste angeschlossen haben sollen.

      Einer solchen Vielseitigkeit der Bedeutung entspricht eine nicht geringere Mannichfaltigkeit der Symbole dieses Gottes und seiner bildlichen Ausstattung.

      Ein andres sehr altes Symbol ist der Dreifuß, der zu Theben im Heiligthume des Ismenischen Apoll und zu Delphi seit alter Zeit als Weihgeschenk dargebracht wurde und an diesem Orte als Symbol der Apollinischen Weissagung und des pythischen Apollonsdienstes überhaupt eine hieratische Bedeutung bekommen hatte, die bei vielen und verschiedenen Gelegenheiten hervortrat. Ein Geräth welches ursprünglich die Bedeutung des über das Feuer gestellten Kessels hatte, aber wegen seiner zierlichen Gestalt bei kunstreicherer Behandlung und kostbarer Ausstattung auch als Schmuck der Häuser und Säle viel benutzt wurde. In seiner symbolischen Anwendung sollte es vermuthlich auf die feurige Natur des Licht- und Sonnengottes hinweisen, obgleich eine solche Bedeutung später vor der wichtigeren des pythischen Dreifußes vergessen wurde. Auch im Culte des Dionysos war der Dreifuß ein sehr gewöhnliches Symbol, endlich in allgemeinerer hieratischer Bedeutung auch in anderen Götterdiensten, namentlich in dem des Zeus von Dodona und Ithome.


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