Griechische Mythologie. Ludwig Preller
der leichten Bewegung und der schnellen Flucht, galt aber auch für musikliebend und scheint wegen seines gefleckten Felles zugleich ein Sinnbild des Himmels und seiner Erscheinungen gewesen zu sein631. Von den Schwänen und Greifen, auch vom Delphin ist die Rede gewesen. Andre Thiere, wie die Feldmaus, die Heuschrecke, die Cicade, die Eidechse, unter den Vögeln der Geier, der Habicht, der Rabe, die Krähe halten im Apollinischen Cultus gleichfalls ihre eigenthümliche sinnbildliche Bedeutung, je nachdem sich in ihrer Natur entweder eine Hinneigung und Vertrautheit mit Licht und Sonne oder etwas die Zukunft Ahnendes oder sonst eine Eigenschaft aussprach die dem Wesen des Apollon verwandt schien. Die Alten waren in solchen Naturbeobachtungen und symbolischen Uebertragungen außerordentlich feinfühlend und scharfsinnig.
Die dichterische Anschauung pflegt den Apoll als eine lichte Jünglingsgestalt mit langen goldenen Locken zu schildern (ἀκερσεκόμης, χρυσοκόμης), immer jugendlich und schön und leichten Ganges dahinschwebend, obgleich sonst stark und kräftig632, in seiner körperlichen Bildung wie in seinem ganzen Wesen am meisten dem Hermes verwandt, aber ernster und majestätischer.
Alle bedeutenderen Cultusstätten waren früh mit Bildern versehen, neben welchen Cultusbildern auch viele Colosse des Apoll erwähnt werden, da man ihn oft im Freien und auf Anhöhen verehrte. So hat sich die Kunst lange geübt bis das schönere Ideal des Gottes die herkömmlichen und hieratischen Formen der älteren Zeit überwunden hatte. In Athen sieht man mehrere alte Steinbilder der Art, die nach archaistischer Weise besonders das Derbe und Kräftige der körperlichen Formen hervorheben. In den einzelnen Cultusstätten wurden je nach der Symbolik des Ortes besondere Attribute hinzugefügt, beim Delischen Apoll die Chariten und Bogen und Pfeile, wodurch zugleich die sanfte Anmuth seiner Musik und der schreckliche Ernst seiner Geschosse angedeutet wurde633, im Didymaeon ein auf der Hand ruhendes Hirschkalb, in der andern der Bogen, beim Sminthischen Apoll eine Feldmaus auf der Hand oder unter dem Fuße, beim Lykeios der Wolf u. s. w. In dem Tempel des Apoll zu Amyklae befand sich außer dem von Pausanias beschriebenen Bilde ein Apoll mit vier Ohren und vier Armen, was man durch seine Wahrhaftigkeit und seine wirksame Hülfe in der Schlacht erklärte634.
Weiter gab es nicht leicht einen namhaften Meister der nicht ein Bild des Apoll gearbeitet hätte, von Marmor oder von Erz oder in größeren Gruppen, wo Apoll bald mit seiner Mutter und Schwester oder in der Umgebung der Musen oder neben Zeus und Athena oder neben Herakles und Hermes oder sonst in mythologischen und hieratischen Vereinen erschien. Namentlich gab Delphi mit seinen Heiligthümern, seinen Kampfspielen, den Erfolgen seines Orakels und seiner Reinigungsstätte immer von neuem Veranlassung zu Weihgeschenken, die bald aus Statuen bald aus den herkömmlichen Votivreliefs, bald aus freieren Gruppen und Bildwerken bestanden (Paus. 10, 9 ff.). Von namhaften Meistern scheinen vorzüglich Skopas und Praxiteles zur Entwickelung des Apollinischen Ideals, so weit wir es jetzt aus den besten noch vorhandenen Statuen kennen, beigetragen zu haben.
Unter denselben635 sind diejenigen von besonderem Interesse welche die beiden Hauptthatsachen des Apollinischen Cultus, den Drachenkampf und sein Saitenspiel, vergegenwärtigen. Zu der ersteren Reihe gehört der bekannte Apoll von Belvedere, berühmt sowohl durch seine eigne Schönheit als durch die entzückte Beschreibung Winckelmanns, dem diese Statue das Ideal der göttlichen Schönheit und Würde war. Auch ist seine Erklärung daß bei diesem Bilde der Kampf mit dem Drachen vorauszusetzen sei noch immer die wahrscheinlichste. Und so giebt es auch verschiedene vorzügliche Statuen Apollons in der Tracht und Geberde des pythischen Kitharoeden, einige in ruhigerer Auffassung, die auf ein älteres Vorbild deuten, andere in der bewegteren welche wir bei dem Meisterbilde des Skopas, das seit August den Palatin schmückte, voraussetzen dürfen. Noch andere ausgezeichnete und in häufigen Wiederholungen vorkommende Darstellungen sind die des von Mühe und Arbeit ausruhenden Apoll, der sich an eine Säule oder einen Stamm zu lehnen, den Bogen lässig in der Hand zu halten, den rechten Arm über das Haupt zu legen pflegt636, oder er greift schon zur Kithar während der geschlossene Köcher in seiner Nähe aufgehängt ist. Und so kommt überhaupt dieser den sanfteren Stimmungen hingegebene und musicirende Apollon unter den vorhandenen Statuen sehr häufig und in sehr verschiedenen Stellungen vor, sitzend stehend anlehnend, oft in sehr zarter und anmuthiger Bildung und mit seelenvollen Zügen. Andre Bilder zeigen andre Scenen und Acte seines vielbewegten und vielgestaltigen Lebens und Wirkens. Ein besonders liebliches und berühmtes ist das des Apollon Sauroktonos d. h. des Eidechsentödters, nach einem Vorbilde des Praxiteles637, wo er in zarter Jünglingsgestalt eine am Baumstamme hinaufschlüpfende Eidechse mit einem Pfeile oder einer Nadel zu spießen im Begriff ist, mit Beziehung auf eine eigenthümliche Art von Weissagung.
Fußnote
547 S. meine Abb. in den Ber. d. K. Sächs. G. d. W. 6, 119–152. Von Knosos s. C. I. n. 2554, 99 und die Eidesformel der von Knosos abhängigen Stadt Dreros, wo auf die Hestia des Prytaneums und den Zeus der Agora u. Z. Tallaios gleich Ap. Delphinios und Ath. Poliuchos folgt, dann Ap. Pythios mit Leto und Artemis u. s. w., wahrscheinlich nach knosischem Herkommen. Auch das bestätigt den kretischen Ursprung, daß Ap. Delphinios und Art. Diktynna oft zusammen verehrt wurden, Plut. sol. anim. 36. Die Ableitung des Namens Delphinios von der Delphyne in Delphi, welche Schoemann op. 1, 343 für die richtige hält, scheint mir späteren Ursprungs zu sein.
548 Strabo 4, 179, wo es von dem H. des Ap. Delphinios auf der Burg von Massalia heißt: τοῦτο μὲν κοινὸν Ἰώνων ἀπάντων. Einen Mt. Delphinios, welcher vermuthlich dem attischen Munychion entsprach, kennen wir in Aegina und Thera. In Aegina war mit der Delphinienfeier ein Wettkampf verbunden, welchen man Ὑδροφόρια oder ἀγὼν ἀμφορίτης nannte, auch mit Bez. auf die Seefahrt der Argonauten, Schol. Pind. O. 7, 156, P. 8, 88, N. 5, 81, Apollon. 4, 1766, Apollod. 1, 9, 26.
549 Str. 10, 484, Apollod. 1, 9, 26, Konon 49, Cornut. 32, Roß Inselreise 1, 77. Man erklärte Ἀνάφη von ἀναφῆναι als die plötzlich erschienene. Vgl. den Ap. Φαναῖος bei dem Vorgeb. und Hafen Φάναι auf Chios, Hesych v., Conze im Philol. 14, 157, den Ap. Προόψιος d. h. den der weiten und freien Aussicht neben Ζ. ὄμβριος auf dem Hymettos, Paus. 1, 32, 2, den Ap. Μυρτῶος C. I. n. 5138. Durch die Argonautensage wurde auch der Ap. ἐπάκτιος oder ἐμβάσιος bei Pagasae und der ἐκβάσιος oder Ἰασόθιος bei Kyzikos erklärt, Apollon. 1, 404 u. 966 Schol. Ap. mit einem Dreizack in Tarsos Dio Chrys. 33 u. A.
550 Virg. A. 3, 274, vgl. die Leucadia des S. Turpilius b. Ribbeck Com. lat. 85. 86. Bei Plut. Pomp. 24 werden der Ap. ἐν Ἀκτίω und der ἐν Λευκάδι zusammen genannt. Der Aktische ist der durch August berühmt gewordne, der Ap. Λευκάτας der durch den Sprung der Sappho berühmte.
551 Vgl. Eurip. Hel. 1454 ff., Apollon. 4, 933 ff. Daher Taras und Arion auf dem Delphin.
552 Ap. ἐρυϑίβιος auf Rhodos Str. 13, 613 von ἐρυϑίβη d. i. ἐρυσίβη, robigo. Eine am Hermos verehrte Demeter ἐρυσίβη nennt Et. Gud. Vielleicht gehört dahin auch Hesych ἐρεϑύμιος ὁ Ἀπ. παρὰ Λυκίοις καὶ ἑορτὴ