Die bekanntesten Werke von Tschechow. Anton Pawlowitsch Tschechow
darf es wohl sagen, so wie jetzt mit Ihnen, aber ich habe einen schlichten Charakter. Ich brauche ein einfaches Mädchen. Die Hauptsache ist, daß sie mich achtet und fühlt, daß ich sie beglückt habe.«
»Natürlich.«
»Nun, jetzt in Bezug auf das Materielle . . . Eine Reiche brauche ich nicht. Zu einer Gemeinheit, wie eine Geldheirat, bin ich nicht fähig. Ich will nicht das Brot meiner Frau essen, sondern sie soll das meinige essen und wissen, daß sie das meinige ißt. Aber eine Arme will ich auch nicht haben. Ich bin zwar nicht ohne Mittel und heirate nicht aus materiellen Interessen, sondern aus Liebe, aber eine Arme kann ich doch nicht nehmen, denn Sie wissen ja, wie jetzt alles teuer geworden ist, und wenn dann die Kinder kommen . . .«
»Mau kann ja auch eine mit Mitgift finden«, sagte die Heiratsvermittlerin.
»Trinken Sie, bitte . . .«
Sie schwiegen etwa fünf Minuten. Die Heiratsvermittlerin seufzte auf, sah den Zugführer von der Seite an und fragte:
»Nun, wie wäre es denn . . . brauchten Sie nicht vielleicht etwas für die linke Seite? Da hätte ich jetzt gerade gute Ware. Eine Französin, eine andere – eine Griechin. Sehr preiswert.«
Der Zugführer überlegte sich's und sagte:
»Nein, ich danke. Da ich von Ihrer Seite ein solches Wohlwollen sehe, so gestatten Sie mir jetzt die Frage: wieviel würden Sie für Ihre Mühen bezüglich der Braut nehmen?«
»Ich bekomme nicht viel. Wenn Sie mir fünf und zwanzig Rubel geben und etwa Stoff zu einem Kleide, wie es nun einmal üblich ist, so wäre ich zufrieden . . . Für die Mitgift oder Aussteuer natürlich apart, das macht eine besondere Rechnung.«
Stitschkin legte die Hände auf dem Magen zusammen und überlegte schweigend. Nach einigem Nachdenken seufzte er auf und sagte:
»Das ist teuer . . .«
»Aber garnicht teuer, Nikolaj Nikolaitsch! Früher, als es noch viel Hochzeiten gab, that man es ja auch billiger, aber in den jetzigen Zeiten – was haben wir denn für einen Verdienst? Wenn man in einem guten Monat zwei Fünfundzwanzigrubelscheine verdient, kann man noch Gott danken. Und auch so verdient man das meiste nicht an den Ehen, sondern . . .«
Stitschkin sah die Heiratsvermittlerin verblüfft an und zuckte die Achseln.
»Hm! . . Ist denn das wenig, fünfzig Rubel?« fragte er.
»Natürlich wenig! In früheren Zeiten kam es vor, daß man mehr als hundert einnahm.«
»Hm! . . Das hätte ich nicht geglaubt, daß man mit einem solchen Geschäft derartige Summen verdienen kann. Fünfzig Rubel! Nicht jeder Mann erhält soviel! Trinken Sie, bitte . . .«
Die Heiratsvermittlerin trank aus, ohne das Gesicht zu verziehen.
Stitschkin betrachtete sie schweigend vom Kopf bis zu den Füßen und sagte:
»Fünfzig Rubel . . . Das sind also sechshundert Rubel jährlich . . . Wissen Sie, Ljubowj Grigorjewna, mit solchen Dividenden wäre es für Sie nicht schwer, eine gute Partie zu machen . . .«
»Ich?« lachte die Heiratsvermittlerin. »Ich bin doch schon alt . . .«
»Bitte, durchaus nicht . . . Und Ihre Körperformen sind auch so . . . Das Gesicht voll und weiß . . . und auch alles übrige . . .«
Die Heiratsvermittlerin wurde verlegen.
Auch Stitschkin machte ein verlegenes Gesicht und setzte sich neben sie hin.
»Sie könnten noch sehr viel Beifall haben«, sagte er. »Wenn Sie einen soliden, gesetzten und sparsamen Mann bekämen, so könnten Sie ihm bei seinem Gehalt und Ihrem Einkommen sogar sehr gefallen und es könnte geradezu eine ideale Ehe werden . . .«
»Ach, wie können Sie nur so etwas sagen, Nikolaj Nikolaitsch . . .«
»Wieso? Ich . . .«
Es trat Schweigen ein. Stitschkin begann sich laut zu schnauben, während die Heiratsvermittlerin errötete und ihn dann mit einem verschämten Blick fragte:
»Und wieviel bekommen Sie denn, Nikolaj Nikolaitsch?«
»Ich? Fünfundsiebzig Rubel, außer den Gratifikationen . . . Außerdem haben wir auch von den Stearinkerzen und von den Hasen einige Einnahmen.«
»Sie beschäftigen sich also auch mit Jagd?«
»Nein, Hasen heißen bei uns die Passagiere, die keine Fahrkarten haben, blinde Passagiere.«
Es verging eine Minute, während welcher beide schwiegen. Stitschkin stand auf und begann erregt im Zimmer auf und ab zugehen.
»Ich brauche keine junge Gattin«, sagte er. »Ich bin selbst nicht mehr jung, und ich brauche so eine, die . . . in der Art wie Sie . . . gesetzt und solid und so von Ihren Körperformen u. s. w. . . .«
»Sie reden Gott weiß was . . .« kicherte die Heiratsvermittlerin, ihr knallrotes Gesicht in einem Tuch verbergend.
»Was soll man denn da lange fabeln? Sie sind mir nach dem Sinn und Ihren Eigenschaften nach für mich geeignet. Ich bin ein solider, nüchterner Mann, und wenn ich Ihnen gefalle, so . . . worauf sollen wir denn warten? Gestatten Sie also, daß ich Ihnen hiermit einen Heiratsantrag mache!«
Die Heiratsvermittlerin war zu Thränen gerührt. Sie lachte und stieß zum Zeichen ihrer Zustimmung mit Stitschkin an.
»Nun«, sagte der glückliche Zugführer, »jetzt gestatten Sie mir also, daß ich Ihnen erkläre, welche Ideale und Lebensziele ich von Ihnen erwarte . . . Ich bin ein strenger, solider, gesetzter Mann, habe über alles gebildete Anschauungen und wünsche, daß auch meine Frau solid sei und wohl verstehe, daß ich Ihr Wohlthäter und der erste Mensch für sie bin . . .«
Er setzte sich, seufzte tief auf und begann seiner Braut seine Ansichten über die Ehe und über die Pflichten des Weibes auseinanderzusetzen.
Das schwedische Zündholz
Am Morgen des 6. Oktober 1885 erschien in der Kanzlei des Amtshauptmanns des zweiten Distrikts des S–schen Kreises ein anständig gekleideter junger Mann und meldete, daß sein Prinzipal, der dim. Garde-Kornett Mark Iwanowitsch Kljausow ermordet sei. Der junge Mann war blaß und sehr aufgeregt. Seine Hände zitterten, und aus seinen Augen starrte der Schrecken.
»Mit wem habe ich die Ehre zu sprechen?« fragte ihn der Amtshauptmann.
»Psekow, der Gutsinspektor Kljausows. Agronom und Mechaniker.«
Der Amtshauptmann und die zur Hilfsleistung requirierten Leute fanden, als sie mit Psekow am Orte der That anlangten, folgendes vor. Um das Nebengebäude, in welchem Kljausow lebte, drängte sich eine Menge Volk. Die Nachricht von dem Ereignis hatte schnell wie ein Blitz die ganze Umgegend durchflogen, und da der Tag ein Feiertag war, strömte das Volk aus allen umliegenden Dörfern zu dem Hause herbei. Lärm und lautes Gerede erfüllten die Luft. Hier und da sah man ein verweintes Gesicht. Die Thür zu Kljausows Schlafzimmer war verschlossen. Der Schlüssel steckte von innen.
»Offenbar waren die Übelthäter zu ihm durchs Fenster eingedrungen«, bemerkte während der Besichtigung der Thür der zitternde Psekow.
Man begab sich in den Garten, nach welchem hinaus das Fenster des Schlafzimmers lag. Das Fenster sah finster und unheilverkündend aus. Es war geschlossen und mit einer grünen verblichenen Gardine verhängt. Die eine Ecke der Gardine war ein wenig zurückgeschlagen, sodaß man in das Schlafzimmer hineinsehen konnte.
»Hat jemand von Euch schon zum Fenster hineingesehen?« fragte der Amtshauptmann.
»Nein, Ew. Wohlgeboren«, antwortete der Gärtner Jefrem, ein kleiner weißhaariger Alter mit einem Unteroffiziersgesicht. »Wie kann man denn hineinsehen, wenn einem die Kniee vor Schreck schlottern!«
»Ach,