Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
er, könnten wir zufrieden sein«, plaudert Milchen weiter.
»Ja«, erwidert Stefanie nur.
Ihre Gedanken gehen auf die Wanderschaft. So viel Neues ist auf sie eingestürmt. Die blonde schöne Frau, die ein Hauch der großen Welt umgibt. Die hier Erholung sucht und die irgendwie doch nicht in diese Umgebung paßt. Wie sie dem jungen Arzt schöne Augen gemacht hat! Ruckartig wendet Stefanie den Kopf.
»Wie ist das Milchen, erkundigt sie sich mit leiser Stimme. »Darf eine Frau unverhüllt einem Manne zeigen, daß sie ihn mag?«
»Was für merkwürdige Gedanken, Kind.«
»Ich – ich meine nur so«, kommt es stockend zurück. »Ich dachte über etwas nach.«
»Über den Doktor und diese Maritta?«
Stefanie wird über und über rot.
»Ja«, sagt sie kurz.
»Magst du ihn denn auch leiden?« forscht Milchen nicht ohne Herzklopfen. Ihrer Meinung nach ist das Kind viel zu jung, um sich in Herzensangelegenheiten zu verstricken.
»Ich sagte dir doch, er ist nett.«
Milchen ist beruhigt. Wenn man mehr in einem Mann sucht, findet man ihn nicht nur nett – denkt sie und strickt hastig weiter. Nur das Klappern der Stricknadeln ist zu hören, und als sie Stefanies tiefe, gleichmäßige Atemzüge hört, geht sie auf Zehenspitzen aus dem Zimmer und legt sich auch zur Ruhe. Sie glaubt alles in Ordnung.
*
Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, telefoniert Maritta. Stefanie wäre sehr erstaunt gewesen, wüßte sie, mit wem. Maritta ruft Dr. Rösler an.
»Es ist wunderschön hier, Onkel«, spricht sie in den Apparat. »Aber du hast mir verschwiegen, daß Stefanie Hollweg eine Schönheit ist. Was? Für mich nicht? Hast du eine Ahnung, Onkel. Nun, ich habe mich bereits damit abgefunden, die Schönheit nicht allein gepachtet zu haben. Ich halte aus, du kannst dich auf mich verlassen.«
Dr. Rösler, der seine Nichte Maritta Leubner in Stefanies Haus geschickt hat, damit der Anfang gemacht ist und Stefanies Mühe nicht umsonst war, gibt seiner Nichte noch einige Verhaltensmaßregeln.
»Du sollst dich doch nicht verlieben, Maritta«, hört sie ihn lachend sagen. »Überhaupt gibt es keine Konkurrenz für dich. Kannst du das Flirten nicht einmal sein lassen? Mußt du immer Herzen brechen? Schadet dir gar nichts, wenn dieser Doktor Titanus nur Augen für Stefanie Hollweg hat. Mußt dich damit abfinden. Du bist Gast im Hause. Erhole dich von dem Trubel, ohne den du bisher nicht leben konntest, und komme als anderer Mensch wieder.«
»Du Moralprediger! Willst du mich nicht gleich ins Kloster sperren?«
»Wenn du mir zu sehr über die Stränge schlägst, warum nicht? Ich habe deinen Eltern versprochen, über dich zu wachen. Damit habe ich eine Verantwortung übernommen, die du mir nicht unnütz schwermachen sollst. Verstanden?«
Maritta nimmt geradezu Haltung an, als sie erwidert: »Jawohl, Herr General.« Und dann lacht sie hellauf. »Kuß, Onkel, und auf Wiedersehen.«
Das Lächeln umspielt noch ihren Mund, als sie auf die sonnenüberflutete Terrasse des Hauses tritt. Natürlich ist von Titanus keine Spur zu sehen. Sie ist enttäuscht. Er gefällt ihr. Ja, er gefällt ihr sogar ausgezeichnet, und es reizt sie, daß sie bei ihm so gar keine Chancen haben soll.
Bei diesem Manne, das fühlt sie, kommt sie mit ihren bisherigen Methoden nicht voran. Und die junge Herrin dieses wirklich schönen Besitzes merkt nicht, wie er ihr wie ein braves Hündchen auf Schritt und Tritt folgt.
Wenn auch noch das Lächeln auf ihren Zügen liegt, zufrieden ist sie nicht mit sich.
Sie hat sich bereits zum Sonnenbad angekleidet und trägt einen einteiligen giftgrünen Anzug, schulterfrei, der ihren schönen Körper vorteilhaft zur Geltung bringt.
Wohltuende Ruhe umgibt sie, die sogar sie, die sonst immer Betrieb um sich braucht, angenehm empfindet. Wie lange werde ich das aushalten- denkt sie und blinzelt gegen die Sonne. Ob sie sich wohl einige Freundinnen und Freunde einlädt? Schade, sie hätte Onkel fragen sollen. Er scheint über diese Stefanie Hollweg die Hände zu breiten, damit sie ja keinen Schaden an der Seele erleidet.
Eigentlich ist diese Stefanie ein lieber Kerl – sinnt sie – während sie ihren Bademantel ausbreitet und sich bequem zum Sonnenbad zurechtlegt. Man müßte sie als Freundin haben. Aber sie ist bei aller Herzlichkeit scheu und zurückhaltend. Man kommt sehr schlecht an sie heran.
Und wie das Mädel schafft! Maritta seufzt bei dem Gedanken. Ihr Leben hat, richtig besehen, wenig Inhalt. Das kommt daher, weil ihr die Eltern zuviel Geld hinterlassen haben. Nichts braucht sie sich zu versagen, und so ist sie allmählich zu der Überzeugung gekommen, daß alles käuflich ist.
Allmählich schlummert sie in der Hitze ein und wird durch eine dunkle grollende Männerstimme jäh aus diesem Schlaf gerissen.
»Sie sind wohl nicht recht gescheit, sich schutzlos den Sonnenstrahlen auszusetzen«, brüllt er beinahe, und Maritta ruckt, noch schlaftrunken, in sitzende Stellung. »Sie werden den schönsten Sonnenbrand bekommen. So töricht kann auch nur eine Frau sein.«
In Maritta steigt die Wut empor.
»Was fällt Ihnen denn ein«, schreit sie empört zurück. »Wie reden Sie denn mit mir? Übrigens ist es meine Haut, die verbrennt, und nicht die Ihre.«
Gelassen läßt sich der Mann neben der blonden Frau nieder.
»Von mir aus«, sagt er besänftigend und nimmt weiter keine Notiz von ihr. Von der Seite her betrachtet sie ihn eingehend. Gut gewachsen – stellt sie fest –, Hemd von feinster Seide, etwas salopp die Kleidung, doch irgendwie paßt sie zu dem Mann mit dem dunk-len wirren Haarschopf.
Sie rückt ein wenig ab von ihm und verhält sich ebenfalls schweigsam, was bei ihr selten genug vorkommt.
»Schön«, hört sie ihn nach einer ganzen Weile sagen. »Wunderschön. Man möchte mit Gottfried Keller sprechen: Trink, o Auge, was die Wimper hält, von dem gold’nen Überfluß der Welt.«
Sie empfindet die Gegend zwar ebenfalls wunderschön, aber sie will es ihm gegenüber nicht zugestehen. So rettet sie sich hinter Spott.
»Sie sind wohl Dichter?«
»Nein!« erwidert er, ohne seine Ruhe zu verlieren. »Aber beim Anblick des Sees, der Berge, Wälder und Wiesen könnte man es werden.«
»Ich bin schon eine ganze Weile hier, aber auf diesen Gedanken bin ich noch nicht gekommen«, sagt sie boshaft.
Ein schneller Blick trifft sie.
»Dann können Sie mir leid tun.«
»Von Frauen scheinen Sie nicht viel zu verstehen«, sagt sie empört, springt auf und rafft ihre Sachen zusammen.
Er kneift das linke Auge etwas zu und sieht zu ihr empor.
»Vielleicht mehr, als Sie denken«, erwidert er ruhig. »Frauen Ihrer Sorte jedenfalls massenhaft.«
Maritta zittert förmlich. Noch nie hat sie einen so ungehobelten Menschen angetroffen.
»Ihr Verschleiß an Frauen interessiert mich nicht, Sie… Sie Naturapostel«, stößt sie hervor und eilt davon.
Er dreht sich um und sieht ihrer schönen Erscheinung lächelnd nach.
*
Mißmutig, die Unterlippe trotzig vorgeschoben, nimmt Maritta die Stufen zur Terrasse. Sie bemerkt nicht einmal Dr. Titanus, der im Schatten im Liegestuhl liegt.
»Hallo, Gnädigste«, ruft er hinter ihr her. »Ist Ihnen eine Laus über die Leber gelaufen?«
Ihr Fuß stockt. Mit verengten Augen wirft sie ihm kurz über die Schulter zu: »Nein – ein Ungeheuer!«
Titanus lacht hellauf und macht es sich weiter bequem. Er ist unzufrieden mit sich. Nun ist er schon eine ganze Weile