Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
die ich ihr bieten kann, verstehe ich sie. Wie könnte ich das junge Mädchen in eine für sie völlig neue Welt verpflanzen? Einmal habe ich es mit ihrer Mutter getan. Daran zerbrach unser Lebensglück.«
Tief beeindruckt von der Rede des Professors lehnt sich Titanus zurück und greift abermals zu den Zigaretten.
»Welchen Zweck soll meine Reise haben?«
»Sie sollen sich als völlig Unbeteiligter meiner Tochter nähern. Wenn Sie sich ein klares Bild über sie, über ihren Charakter, über ihre Verhältnisse gebildet haben, erwarte ich Ihren Bericht. Ist das verständlich?«
»Gewiß, Herr Professor«, erwidert Titanus, innerlich widerstrebend. »Vorläufig soll Ihre Tochter nicht wissen, daß ich sozusagen Ihr Abgesandter bin?«
»Richtig, Titanus.« Der Professor ist erleichtert. »Ich habe Sie erwählt, weil Sie mir innerlich am nächsten stehen. Ich muß Ihnen das einmal sagen, falls es Ihnen nicht schon längst aufgefallen ist.«
»Ich danke Ihnen, Herr Professor. Hoffentlich kann ich meine Mission zu Ihrer Zufriedenheit erfüllen.«
Mit Wohlgefallen betrachtet Hollweg das sympathische Gesicht des jungen Arztes, der eine große Zukunft vor sich hat.
Titanus nimmt seine Arbeit durchaus ernst. Aber er bejaht auch das Leben und geht nicht, wie er, an allem Schönen mit geschlossenen Augen vorüber. Ihm würde es niemals passieren, ein opferbereites, hingebungsvolles Herz wegen seiner Arbeit aufzugeben.
»Und wann soll ich reisen?« fällt Titanus in seinen Gedankengang ein. Langsam beginnt er sich mit diesem seltsamen Auftrag abzufinden.
»Am liebsten sofort«, antwortet Hollweg erregt. »Aber das geht im Augenblick nicht. Denken Sie an unsere Kulturen, die wir nicht in Stich lassen können. Sie werden von mir hören. Bereiten Sie sich indessen auf das Kommende vor.«
»Wie Sie wünschen, Herr Professor.« Titanus erhebt sich und nimmt die Hand Hollwegs. »Ihr Vertrauen ehrt mich sehr. Ich danke Ihnen.«
*
Stefanie geht mit blassem kummervollem Gesicht durch das Haus, Milchen wie ihr Schatten hinterher. Der Gedanke, aus dem etwas am Hang gelegenen Haus eine Pension zu machen, einmal in Stefanie festgesetzt, nimmt immer greifbarere Formen an.
»Wir brauchen allerlei Dinge«, klagt Stefanie und besieht sich die beiden Mansardenzimmer, die fortan ihr und Milchens Reich werden sollen. »Hergerichtet ist alles sehr gut, aber wir brauchen Betten, Bettzeug, Decken. Waschgelegenheiten müssen eingebaut werden.«
Stefanie seufzt und blickt auf Milchen.
»Die Gäste werden doch nicht gleich angeströmt kommen«, meint sie. »Zunächst müssen wir etwas Reklame machen –«
»Auch das noch«, klagt Stefanie, und tiefe Mutlosigkeit überfällt sie. Dann rafft sie sich auf. »Nun ja, Milchen, wir müssen sehen, wie wir damit fertig werden. Was meinst du, soll ich einmal mit Doktor Rösler sprechen?«
»Was soll der uns denn helfen?« murrte Milchen.
»Sieh mal, Milchen«, erklärt sie eifrig. »Wir müssen unseren Garten völlig umkrempeln. Zunächst brauchen wir Gemüse und weniger Blumen. Wer soll die Gartenarbeit machen? Du und ich, wir werden genug Arbeit im Hause haben.«
*
Im Geiste sieht sie sich die Treppen rauf- und runtergaloppieren, Tabletts balancieren, Fußböden aufwischen, Betten machen und schöne, alte Mahagonimöbel aufpolieren.
»Ich werde also zu Doktor Rösler fahren, Milchen«, erklärt sie ihren Entschluß, und Milchen zuckt dazu nur die Schultern.
Sie muß diesmal eine halbe Stunde warten, bevor sie in Röslers Zimmer gebeten wird. Sie verbringt sie in Unruhe und legt sich alles noch einmal zurecht, was sie alles zu besprechen hat.
»Verzeihen Sie, Stefanie«, begrüßt er sie mit alter Herzlichkeit, während seine Augen sie prüfend abtasten. Sieht sehr blaß und versorgt aus, stellt er fest. »Nehmen Sie Platz«, fordert er sie auf und rückt ihr den Sessel noch etwas zurecht, so daß er sie genau betrachten kann. »Habe ich Sie sehr lange warten lassen?«
»Das macht nichts, Doktor.« Sie lächelt leicht und legt die Hände in ihrem Schoß zusammen. »Sie waren immer Muttis Berater. Wollen Sie auch mich beraten?«
»Warum diese Frage«, sagt er erfreut. »Sie wissen, daß ich jederzeit für Sie da bin.«
»Danke, Doktor.«
Sie sucht nach einem Anfang, aber er fällt in ihre Gedanken ein.
»Wollen Sie das Haus verkaufen?«
»Niemals!« Flammende Röte ergießt sich in ihr eben noch blasses Gesicht. »Im Gegenteil, es soll mich und Milchen ernähren. Ich trage mich mit der Absicht, eine Pension zu eröffnen.«
»Hm! Hm!« macht er gedankenvoll. »Kein schlechter Gedanke, Stefanie. Und was soll ich dabei tun?«
Wieder spürt sie, wie ihre Wangen heiß werden.
»Aller Anfang ist schwer, lieber Doktor. Es sind Anschaffungen nötig. Hier ist eine Liste von dem Allernötigsten, wenn Sie einmal einen Blick hineinwerfen wollten?«
Er nimmt die Brille mit dem dicken Hornrand und setzt sie umständlich auf die Nase. Donnerwetter! Die kleine Person nötigt ihm Achtung ab. Sie geht an die neue Aufgabe ran wie Blücher.
»Wäre es möglich – ich meine, würde mir jemand den Betrag auf eine bestimmte Zeit leihen?« fragt sie, die großen Augen ängstlich auf seinen Mund geheftet.
Ihm liegt auf der Zunge zu sagen: Nehmen Sie das großzügige Angebot Ihres Vaters an. Aber er weiß, in dieser Beziehung beißt er auf Granit.
»Ich selbst werde es Ihnen geben, Stefanie«, sagt er ohne langes Besinnen.
Mit einem Laut der Erleichterung läßt sie sich zurücksinken. Jetzt leuchtet ihr feines Gesichtchen vor Blässe. Gleich sieht alles viel hoffnungsvoller aus. Ihre Augen sind ganz dunkel, als sie ihn ernst anblickt.
»Sie müssen mir aber ehrenwörtlich versichern, daß das Geld nicht von meinem – von Professor Hollweg kommt«, biegt sie rasch ab.
Über den Schreibtisch hinweg reicht er ihr die Hand.
»Sie machen es sehr dramatisch, Stefanie. Aber wenn es Sie beruhigt, mein Ehrenwort. Übrigens ist es eine lächerlich kleine Summe, die Ihnen jeder andere auch leihen würde. Sie haben schließlich Werte entgegenzusetzen.«
Eine halbe Stunde später, nachdem sie alles genauestens durchgerechnet haben und er Gelegenheit hat, ihren Sinn für das Praktische kennenzulernen, verläßt sie sein Büro. Ein Scheck ruht wohlverwahrt in ihrer Handtasche.
Kaum hat sie »Haus Stefanie« erreicht, wird sie an den Apparat gerufen. Dr. Rösler meldet sich.
»Mir ist ein glänzender Gedanke gekommen, Stefanie«, hört sie seine tiefe Stimme, von der etwas Beruhigendes ausgeht. »Wollen Sie meinen alten Justus übernehmen? Sie wissen doch, daß ich mehr Land zu meinem Grundstück gekauft habe und einen zweiten Gärtner einstellen mußte. Die beiden sind wie Hund und Katze. Sie kennen doch Justus, und wie ich weiß, hat er Sie sehr gern. Ich dachte an das kleine Haus in Ihrem Garten mit den beiden Erdgeschoßzimmern und dem anschließenden Geräteschuppen. Justus ist Feuer und Flamme. Ich leihe ihn nur aus. Auf Justus können Sie sich verlassen. Er wäre auch im Haus zu gebrauchen. Nun, was sagen Sie dazu?«
»Aber, lieber Doktor, ich kann Ihnen doch Justus nicht wegnehmen? Er hängt viel zu sehr an Ihnen und Ihrem Haus«, spricht sie dagegen, wenngleich der Gedanke etwas sehr Verlockendes an sich hat, Justus, der Blumen, überhaupt alle Pflanzen beinahe mehr liebt als Menschen bei sich zu wissen.
»Wenn ich Ihnen aber versichere, er käme sehr gern zu Ihnen?« hört sie Rösler eindringlich sagen. »Ich glau-be –«, und jetzt glaubt sie ihn vor sich hin lachen zu hören, »er schnürt bereits sein Bündel. Der ist nicht mehr aufzuhalten.«
»Oh,