Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
gehüllt, steht sie vor ihm.
»So allein, Doktor?« fragt sie und blickt dabei über den vereinsamten See. »Keine Lust zum Kahnfahren? Zu heiß, nicht?«
»Bitte, bleiben Sie ein wenig bei mir.« Er springt auf, rückt ihr einen Sessel zurecht und nimmt dann neben ihr Platz. »Warum sieht man Sie so selten?«
Sie lächelt. »Arbeit, viel Arbeit.« Ihre Blicke treffen sich. »Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Schaffen. Es muß doch ein herrliches Gefühl sein, Menschen helfen zu dürfen. Sind Sie gern Arzt?«
»Ich liebe meinen Beruf über alles«, gesteht er mit Wärme. »Er macht glücklich und mitunter auch sehr unglücklich. Unglücklich dann, wenn man nicht helfen kann, wenn die ärztliche Kunst versagt.
»Schade«, meint sie bedauernd. »Wäre meine Mutter nicht so plötzlich gestorben, ich glaube, ich hätte sie zu diesem Studium überredet. Ich wäre gern Kinderärztin geworden.«
Überrascht betrachtet er sie voll Aufmerksamkeit. Scheint Vererbung zu sein – denkt er – bei einem solchen Vater, wie es der Professor ist. Wie schön, wenn er jetzt von dem großen Arzt und Forscher sprechen könnte, so wie es ihm ums Herz ist.
Er seufzt aus diesen Gedanken heraus.
»Halten Sie es für so ausgeschlossen?« forscht sie enttäuscht.
Er schüttelt heftig den Kopf.
»Keinesfalls, Fräulein Hollweg. Der Seufzer galt ganz anderen Dingen.«
»Sie haben gar nicht zugehört?«
»Doch – doch«, versichert er eifrig. »Ich stellte Sie mir als Ärztin vor und finde, daß es sehr schade ist um Ihren Herzenswunsch. Ich bin überzeugt, Sie wären gut dazu geeignet. Besteht denn gar keine Möglichkeit?«
Sekundenlang denkt Stefanie an einen Mann, der sehr wohlhabend und noch dazu ihr Vater ist. Aber sofort schiebt sie diesen Gedanken von sich.
»Keine«, erwidert sie schroff.
»Müssen Sie dieses Haus unbedingt halten?«
Sie sieht ihn abermals groß an. Angst liegt in den selten schönen Augen.
»Ich liebe es unsagbar, jeden Stein, jeden Strauch, jeden Baum, den See, die Berge, alles.« Leise vollendet sie. »Und dann kommt noch etwas hin, was mich von einem Verkauf abhält. Meine Mutter liebte dieses Fleckchen Erde sehr.«
»Ihre Mutter muß sehr schön gewesen sein.«
»Sie war es.«
»Und Sie haben diese Schönheit geerbt.«
Stefanie fühlt, wie es ihr heiß in die Wangen steigt. In aller Ernsthaftigkeit hat er es festgestellt. Sie spürt, daß er es ehrlich meint.
»Mutti war sehr lieb«, spricht sie wehmütig weiter. »Das war wertvoller als ihr Äußeres. Sie hat nur für mich gelebt.
»Wie schön, wenn man das behaupten kann.« Er wendet sich ihr wieder zu. »Ich habe keine Mutterliebe gekannt. Mein Vater hat sich alle Mühe gegeben, aber sein Beruf führte ihn immer wieder fort von mir, so daß ich bezahlten Angestellten überlassen war. Er war ein berühmter Klaviervirtuose. Von ihm habe ich die Liebe zur Musik geerbt.«
Wieder nehmen ihre Augen ihn gefangen.
»Üben Sie sie auch aus?«
»Leider, nein! Mich zog es zu kranken Menschen. Ihnen zu helfen, sie gesund zu machen, zu lindern und zu trösten, das war mein heißester Wunsch, der ja auch in Erfüllung ging. Doch darüber vergesse ich nicht, daß es große Meister der Musik gibt, die ich sehr liebe.«
»Ich liebe Musik auch«, gesteht sie leise und irgendwie beglückt. »Mutti hat viel Sorgfalt auf meine Erziehung verwandt. Ich spiele etwas Klavier, aber nur dilettantisch.«
Er betrachtet sie nachdenklich.
»Das glaube ich nicht. Ich bin überzeugt, Sie spielen sehr gut. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir gelegentlich etwas vorzuspielen?«
Verwirrt senkt sie die Lider.
»Vielleicht – ich weiß noch nicht. Ich lasse mich nicht gern auslachen.«
»Das war eben nicht nett von Ihnen«, sagt er vorwurfsvoll. »Niemals könnte ich mich über Sie lustig machen –«
»Und warum nicht?«
»Weil alles, was Sie tun, mit größter Hingabe getan wird.«
»Woher wollen Sie das wissen?« In ihrem Ton ist Abwehr.
»Weil ich Sie genau beobachte und mein Urteil über Sie längst fertig ist.«
Ein seltsames Gefühl überkommt sie. Es ist mit Angst gemischt, Angst, von diesem Mann erkannt zu werden, der sie mehr, als ihr lieb ist, fesselt. Ihre Seele wehrt sich gegen dieses Gefühl, und so rettet sie sich hinter fröhlichem Spott und droht ihm mit dem Finger.
»Sie scheinen ein sehr gefährlicher Mann zu sein.«
»Sie sagen es – es scheint nur so«, erwidert er gelassen. Er ist hochbeglückt, daß sie so viel Vertrauen zu ihm hat, daß sie einen Spaltbreit ihr Herz öffnete.
Er zwingt sich zu dieser Gelassenheit, um sie nicht zu erschrecken. Und abermals bereut er, diese Mission übernommen zu haben. Wie wundersam wäre es, könnte er sich ihr unbeschwert nähern und sie für sich gewinnen.
Bestürzung überkommt ihn. Er liebt sie – er liebt sie mehr als alles andere.
»Was ist Ihnen?« fragt sie leise, seine Verstörung bemerkend.
Seine braunen Augen scheinen fast dunkel eigenartiges Glitzern liegt darin und läßt ihr Herz höher schlagen.
»Entschuldigen Sie«, stößt sie mit stockendem Atem hervor. »Jetzt muß ich wieder an die Arbeit.«
Sie erhebt sich hastig, und auch er steht rasch auf. Dicht vor ihr bleibt er stehen. Seine Hände legt er leicht auf ihre Schultern.
»Wollen Sie nicht wissen, was mich erschreckt hat?«
»Nein – nein! Bitte nicht. Ich habe keine Zeit – später vielleicht.«
»Aber Sie spielen mir etwas vor, ja?«
Sie nickt, weil sie nicht zu sprechen vermag. Ein wenig zieht er sie an sich, um sie dann sofort freizugeben.
Oben in ihrem Zimmer setzt sie sich in ihre Ecke am weitgeöffneten Fenster. Die Hände hält sie im Schoß zusammengepreßt. Sie hört seine wohlklingende Stimme, sieht seine gütigen braunen Augen und den festen Mund, der sie heute so seltsam angelächelt hat, daß sie ein unaussprechliches Glück empfindet.
Sie ist völlig verwirrt und schlägt die Hände vor das glühende Gesicht.
Ist das die Liebe? – Dieses beseligende Gefühl, das ihr Herz ganz und gar beherrscht?
*
Maritta hat sich fesch gemacht zu einem Gang in den Ort, um Einkäufe zu besorgen.
»Sollte ich mich verspäten, brauchen Sie mit dem Abendessen nicht auf mich zu warten«, sagt sie beim Fortgehen zu Milchen, und diese sieht eine Weile hinter der reizvollen blonden Frau her.
Maritta wandert indessen am Seeufer entlang dem Dorf zu, das man eigentlich kein Dorf nennen kann, denn es hat sich im Laufe der Jahre durch den Fremdenverkehr sehr vorteilhaft entwickelt.
Als sie müde wird, sucht sie das Strandcafé auf und will unter einem der bunten Sonnenschirme Platz nehmen. Zu spät erkennt sie, daß sie ausgerechnet an dem einzigen freien Tisch vor dem Unbekannten steht, den sie auf dem Bootssteg gesprochen und der sie so maßlos geärgert hat. Schon will sie kehrt machen, da trifft sie sein spöttischer Ton.
»Sie wollen doch nicht etwa Reißaus vor mir nehmen, Gnädigste?« Er macht eine ausholende Geste über den schön angelegten Garten hin. »Sie sehen, alles besetzt.«
Halb widerwillig,