Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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Täglich kommt Hollweg als Professor Bergmann zu seiner Patientin, die seine Tochter ist, und immer mehr Fäden spinnen zwischen den beiden Menschen hin und her.

      Noch nie war Hollweg so glücklich, wenngleich dieses Glück von dem drohenden Unheil, das über Stefanie schwebt, verdunkelt ist.

      Sie führen lange Gespräche miteinander, und alles, was Stefanie persönlich oder ihr Elternhaus betrifft, meidet er.

      Stefanie lauscht mit wahrer Hingabe seinen Erzählungen, aus denen Menschlichkeit und der Gedanke, der leidenden Menschheit zu helfen, sich immer wieder herausschälen.

      Oft hält er ihre Hand in der seinen, während das Dunkel um sie mehr und mehr zunimmt und die Sonne immer etwas mehr versinkt.

      Mit größtem Einfühlungsvermögen bringt Hollweg Stefanie über diese böse, aufreibende Zeit hinweg. Er ist erschüttert, mit welcher Demut sie alles erträgt.

      Sie hört ihn schon an seinem Schritt und sieht erwartungsvoll zur Tür.

      »Schön, daß Sie wieder da sind«, sagt sie einmal und reicht ihm nur zu gern die Hand, die er väterlich warm umschließt. Angst durchläuft sie. »Nehme ich Sie nicht zu sehr in Anspruch? Sie widmen mir alle Frei-zeit.«

      »Sie sind meine Patientin«, gibt er sorglos zurück. »Außerdem interessieren Sie mich auch als Mensch.«

      »Manchmal habe ich das Gefühl«, spricht sie weiter, und er fährt dabei zusammen, »als sei ich Ihre einzige Patientin.«

      »So muß es auch sein. Jeder Patient muß das Gefühl haben, er sei der einzige.«

      Trotz der Unruhe, in der sich Hollweg die ganze Zeit befindet, die ihm der Ablauf der Krankheit verursacht, glaubt er, noch nie so glücklich gewesen zu sein wie jetzt, da er neben seiner Tochter sitzen darf, ihrer Stimme lauschen und ihr auf ihre klugen Fragen Antwort geben kann.

      »Wann darf ich Besuch empfangen?« überfällt sie ihn einmal mit dieser Frage.

      »Vorläufig nicht, Stefanie. Nicht wahr«, erkundigt er sich rasch, »ich darf Sie doch so nennen?«

      »Gern, Herr Professor. Von Ihnen höre ich es gern. Sie sprechen den Namen ganz besonders aus.«

      Wieder durchzuckt es ihn. Wie er so Schritt für Schritt das Vertrauen seines Kindes gewinnt, ist über alle Maßen beglückend, und zugleich muß er sich meisterhaft beherrschen.

      Aber Stefanie ist arglos. Sie hat sich in die Hände dieses Mannes begeben und vertraut ihm grenzenlos.

      Oft liegt sie nachts stundenlang wach und denkt an Philipp. Jetzt erst glaubt sie, seine Liebe zu seinem Beruf richtig zu verstehen.

      Warum er nicht schreibt? Hat er sich abgewandt von ihr? Und einmal ertappt sie sich sogar bei dem Gedanken: Ob wohl ihr Vater auch so ist? So wie dieser Professor Bergmann? Ob die kranken Menschen ihm auch soviel Zuneigung entgegenbringen?

      Ja, sie hat ihn gern, diesen Menschen, der sich ihrer mit so viel Ernsthaftigkeit und Verständnis annimmt.

      »Ist auch keine Post gekommen?« fragt sie weiter.

      »Post? Erwarten Sie Post?« Ihm stockt der Atem. Jetzt wird sie von Philipp sprechen, und wirklich: Sie lächelt süß vor sich hin und erwidert:

      »Allerdings warte ich. Aber – ich glaube, man hat mich vergessen.«

      Er nimmt ihre Hand.

      »Tut es sehr weh?«

      Sie nickt, und unter den dichten Wimpern rieseln heiße Tränen hervor.

      »Sehr weh«, bestätigt sie leise.

      »Vielleicht wartet man auch auf ein Schreiben von Ihnen?« erkundigt er sich. »Soll ich für Sie schreiben? Wollen Sie mir Ihr ganzes Vertrauen schenken?«

      Sie schüttelt leicht den Kopf.

      »Nein, Herr Professor. Nicht, daß ich Ihnen mißtraue. Kann ich denn als Frau den ersten Schritt tun?«

      Ernst gleiten seine Augen über sie dahin.

      »Wenn Sie fühlen, daß Sie den ersten Schritt tun müssen, warum nicht?«

      »Warten wir noch ein wenig, Herr Professor.« Sie lacht tatsächlich unter Tränen zu ihm auf. »Ich bin das Warten gewöhnt. Ich würde mich freuen, wenn meine Geduld belohnt würde.«

      An diesem Abend setzt sich Hollweg hin und schreibt an Philipp Titanus einen langen Brief, in dem es unter anderem heißt:

      … Nachdem Sie nun über den genauen Verlauf des Krankheitsprozesses unterrichtet sind, möchte ich Ihnen, lieber Philipp, noch etwas mitteilen, was mich sehr beunruhigt.

      Zu all ihrem äußeren Liebreiz, bitte, halten Sie mich nicht für einen blind verliebten Vater, hat meine Tochter noch ein stolzes Herz. Ihre Ergebenheit in ihr Schicksal ist rührend, und doch vermag sie nicht vor mir zu verbergen, daß sie seelisch stark leidet. Heute hat sie mich ein wenig Einblick in ihr Herz tun lassen, was mich über alle Maßen glücklich machte, aber auch zugleich stark bedrückt. Stefanie wartet fieberhaft auf ein Lebenszeichen von Ihnen.

      Sie werden verstehen, daß ihr seelisches Gleichgewicht ein guter Helfer für das Kommende bedeutet. Bitte, schreiben Sie ihr nach »Haus Stefanie«. Man wird ihr die Post dann nachsenden. Sie darf ja nicht wissen, daß ich Sie über alles unterrichtet habe.

      Würden Sie nicht so tief in der Arbeit stecken, lieber Philipp, weiß Gott, ich würde Sie bitten: Kommen Sie! Kommen Sie zu Stefanie. Von Ihrer Anwesenheit verspreche ich mir außerordentlich viel. Ich bin in großer Sorge.

      Immer Ihr Clemens Hollweg.

      Mit der Flugpost läßt Hollweg diesen Brief befördern, und kaum eine Woche ist vergangen, da betritt Hollweg beschwingt Stefanies Krankenzimmer.

      Sie wendet ihm ihren Kopf zu.

      »Sie, Herr Professor?«

      Er staunt und freut sich, wie rasch sie gelernt hat, ihn am Schritt zu erkennen.

      Er rückt sich einen Stuhl an ihre Seite und legt ihr etwas in den Schoß. Ihre Hände tasten danach. Ihr blasses Gesichtchen mit dem gespannten Ausdruck überzieht sich mit zarter Rö-

      te.

      »Ein Brief, Herr Professor?« Ihre Stimme zittert.

      »Ja, liebes Kind, ein Brief.« Bedeutungsvoll setzt er hinzu. »Er hat eine weite Reise gemacht.«

      Ihre Hände umschließen fest das Papier.

      »Oh, wie schön.« Sie preßt den Brief an ihr Herz, und Hollweg fühlt, daß sie jetzt allein sein will.

      Nach einer halben Stunde treibt ihn die Sorge wieder zu ihr. Immer noch findet er sie in dieser stillen, versunkenen Haltung, den Brief an ihre Brust gepreßt.

      »Nun, Stefanie?« Seine Hand streicht leicht über ihr glänzendes Haar. »Gute Nachrichten?«

      Sie dreht ihm ihr Gesicht zu, und er erschrickt bis ins Herz hinein. Ihre Wangen sind tränenüberströmt.

      »Stefanie!« ruft er entsetzt.

      Hilflos streckt sie ihm die Hand entgegen, die den Brief umspannt.

      »Lieber Herr Professor«, schluchzt sie leise auf. »Ich habe großes Vertrauen zu Ihnen. Lesen Sie mir den Brief vor, ich – ich kann es nicht mehr.«

      Ihr Jammer schnürt ihm fast das Herz zusammen. Ist es soweit? Ist das Stadium ihres Leidens erreicht, daß er endlich eingreifen kann? Wie gut, daß Philipp sofort geschrieben hat.

      Behutsam trocknet er ihr die tränennassen Wangen. Seine Hand zittert dabei. Dann nimmt er wortlos den Brief in Empfang, öffnet ihn und beginnt zu lesen.

      Stefanie hat sich in ihrem bequemen Sessel weit zurückgelehnt, den Kopf etwas vorgestreckt lauscht sie seiner Stimme, jedes Wort trinkt sie wie einen belebenden Trank in sich hinein.

      Liebste Stefanie!

      Wenn


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