Hotel subKult und die BDSM-Idioten. Stefan Bouxsein

Hotel subKult und die BDSM-Idioten - Stefan  Bouxsein


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üppig, so dass das den Prinzen auch gar nicht sonderlich tangierte. Beim Anstoß glänzten seine goldfarbenen Fußballschuhe in der Sonne, die in Nahaufnahme im satten und stets gut bewässerten Grün des Prinzenstadions dem Zuschauer einen farblich schönen Kontrast boten. Das Spiel fing gemächlich an. Die Prinzentruppe hielt den Ball gekonnt in den eigenen Reihen und die Söhne von Mekka pilgerten der Kugel vergeblich hinterher. Es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis es zur ersten torgefährlichen Strafraumszene kam. Der Mittelfeldstratege Prinz Ali bin Saud junior der 24. schickte seinen Kameraden Prinz Abdullah bin Laden steil. Der Neffe des bösen Onkels nahm den Ball im vollen Lauf an und drang mit Ball am Fuß in den Strafraum von Mekka ein. Dort pilgerten ihm aber die Verteidiger von Mekka gleich aus drei Richtungen kommend entgegen und es kam zu einem unvermeidlichen Zusammenprall. Der junge Prinz fiel zu Boden und blieb ohnmächtig liegen. Der Schiedsrichter zeigte sofort auf den Elfmeterpunkt, auf dem nun der Prinz lag und sich nicht mehr rührte. Ein Krankenwagen raste mit Blaulicht auf das Spielfeld und hielt am Ort des Geschehens an. Ein Notarztteam versorgte den gefoulten Prinzen, hängte ihn an drei Tröpfe und schob ihn auf einer Bahre in den Krankenwagen. Währenddessen zeigte der Schiedsrichter den drei Übeltätern von Mekka die rote Karte. Mit drei Mann in Unterzahl mussten die Pilger jetzt wohl ein bisschen Gas geben, wenn sie noch was reißen wollten. Daran glaubte ich allerdings weniger. Jetzt gab es erst mal den Elfmeter für die Prinzen. Prinz Abdul Abdullah bin Abdusla legte sich den Ball auf dem Punkt zurecht. Der Torwächter Mohammad von Mekka blieb seelenruhig auf seiner Torlinie stehen und rührte sich auch nicht vom Fleck, als Abdul Abdullah bin Abdusla Anlauf nahm und den Ball drei Meter über das Tor drosch. Die Fans von Mekka lagen sich in den Armen und huldigten ihrem unerschrockenen Torwächter mit Lobeshymnen. Die Scheichs von Riad wähnten sich im falschen Fußballpalast. Die Oberhäupter der Familie Saud zogen sich zwecks Beratung aus der VIP-Lounge in den angrenzenden Konferenzsaal zurück. Der Schiedsrichter musste daraufhin die Partie für eine halbe Stunde unterbrechen. Das war mir nun zu blöd und ich schaltete ab.

      »Was machst du denn da?«, fragte ich Susanne, die mit einem salomonischen Lächeln am Laptop saß und eifrig E-Mails schrieb.

      »Ich treffe Vorbereitungen«, sagte sie und tippte eifrig weiter.

      »Das mit dem heruntergekommenen Hotel ist doch nicht dein Ernst, oder?«

      »Ach, Hans, erinnerst du dich daran, als wir das erste Mal den Bauernhof besichtigt haben? Der war wirklich heruntergekommen. Und was haben wir daraus gemacht? Eine Oase! Und du warst ein erstklassiger Geschäftsführer. Juckt es dich denn gar nicht, noch mal so ein Ding durchzuziehen?«

      »Ich bin als nackter Idiot berühmt geworden«, antwortete ich nachdenklich und diese Titulierung nagte noch immer an meinem Ego.

      »Du bist ein nackter Held gewesen. Mein nackter Held. Ich will meinen Helden wieder haben, Hans.«

      »Kein Problem, ich zieh mich aus.«

      »Besser nicht. Deine Bauernhof-Naturburschen-Figur hat in letzter Zeit ziemlich gelitten.«

      »Wie meinst du das denn?«

      »Zu viel Bauch und zu wenig Bizeps. Ist dir das etwa entgangen beim arabischen Fußball-TV?«

      Das war jetzt aber ein fieser Tiefschlag gewesen. So kannte ich meine Susanne gar nicht. Ich fühlte mich wie ein k.o.-gegangener Boxer. Ich erhob mich etwas schwerfällig von der Couch, ging ins Bad, zog mich aus und stellte mich vor den Spiegel. Was ich sah, erschreckte mich ein wenig. Warum war mir das bisher eigentlich noch nicht aufgefallen? Die Seitenansicht war am wenigsten schmeichelhaft. Irgendwann in den letzten Wochen musste tatsächlich mein Schwerpunkt irgendwie verrutscht sein. Das waren jetzt eher Schwabbelpunkte, die mir da im Spiegel entgegenschwabbelten. Völlig desillusioniert zog ich mich wieder an. »Vielleicht sollte ich den Kraftraum hier im Hotel ab und an aufsuchen«, gab ich kleinlaut zu.

      »Nein, du solltest dein eigenes Hotel eröffnen. Folterkammern statt Fitnessräume. Das ist die Zukunft und wir sind die Trendsetter. Hans Bremer, der Vorzeige-Hotelier der subkulturellen Szene. Na, wie klingt das?«

      »Folterkammern? Willst du Subventionen von der CIA ergattern?«

      »Wir benötigen keine Subventionen. Wir bieten Sub-Illusionen.«

      Ich kratzte mich nachdenklich am Kopf und fragte mich, was sich im Kopf von Susanne eigentlich abspielte.

      »Ich habe mir schon gedacht, dass du da noch Berührungsängste haben könntest«, seufzte Susanne. »Deswegen habe ich Sekundärliteratur besorgt. Wenn du dich ein wenig in die Thematik eingearbeitet hast, können wir dann die Einzelheiten besprechen. Das Päckchen wurde vorhin angeliefert. Du kannst es an der Rezeption abholen.« Für Susanne war das Gespräch damit beendet, sie wendete sich wieder ihren E-Mails zu.

      Kurz darauf saß ich mit dem geöffneten Päckchen auf der Couch und inspizierte neugierig den Inhalt. Eine Handvoll Bücher. Die Geschichte der O., von Marquis de Sade. Das Handbuch über den richtigen Umgang mit der Peitsche. Die Lust im Schmerz. Ein Beziehungsratgeber für Doms und Subs. Etwas ratlos legte ich die Sekundärliteratur zur Seite und fragte mich, wie es wohl zwischen den Prinzen von Riad und den Söhnen von Mekka weitergegangen war. Ich konnte es mir nicht verkneifen und schaltete den Fernseher ein. Die Prinzen führten kurz vor der Halbzeit mit 6:0. Ich zählte aber auch nur noch fünf Feldpilger bei den Söhnen von Mekka. Die Konferenz der Saud-Familie hatte anscheinend zwei weitere rote Karten für die Pilgersöhne gefordert. Das war mir zu blöd und ich schaltete wieder ab. Stattdessen nahm ich mir die Sekundärliteratur zur Hand, um mich auf eventuelle Primärstrategien vorzubereiten.

      3

      »Guten Morgen, Hans.« Susanne beugte sich zu mir und weckte mich mit einem sanften Kuss. Ich war wohl auf der Couch über der Geschichte der O. gestern Abend irgendwann eingenickt.

      »Marquis de Hans«, verbesserte ich meine Muse. »Bringe mir meine Pantoffeln, S.«, versuchte ich meine neuen Erkenntnisse gleich mal in die Praxis umzusetzen.

      Susanne lachte laut und herzhaft auf. »Natürlich, mein Pantoffelheld. Sonst bestrafst du mich bestimmt wegen ungebührlichen Verhaltens, oder?«

      »Ganz genau. Zwei Stunden gefesselt auf der Couch vor dem Fernseher, wenn ein arabisches Spitzenspiel läuft. Na, wie gefällt dir das?«

      »Ich hätte gar nicht gedacht, dass du so hart und grausam sein kannst, Marquis de Hans. Da hole ich lieber geschwind deine Pantoffeln.«

      Ich fühlte mich richtig gut, als Susanne vor mir kniete und mir die Pantoffeln über die Füße stülpte. Männlich und dominant. Erhabenen Schrittes wandelte ich zum Klo. Dort betrachtete ich mich zunächst wieder eingehend im Spiegel. Meine Figur hatte sich seit gestern Abend zwar nicht erheblich verändert, aber meine Aura war nun doch eine ganz andere. Ich versuchte möglichst ernst in den Spiegel zu schauen und redete mit meinem Spiegelbild. »Guten Morgen, Marquis de Hans. Heute werden wir den Damen wieder gebührliches Benehmen beibringen. Und wir dürfen uns ihrer Dankbarkeit dafür gewiss sein.«

      »Schwing deinen Arsch, Hans«, hörte ich Susanne von draußen rufen. »Wir müssen bald los.«

      Enttäuscht musste ich im Spiegel beobachten, wie sich meine neue Aura gerade verflüchtigte. »Wo müssen wir denn hin?«, rief ich zurück und versuchte dabei einen möglichst maskulinen Ton zu treffen.

      »Der Makler hat Zugeständnisse beim Kaufpreis gemacht. Wir haben nachher einen Termin in seinem Büro.«

      »Nachher ist aber ein Länderspiel. Der Oman spielt gegen den Jemen.« Während ich das aussprach, wurde ich immer leiser, die letzten Worte verschluckte ich ganz. »Okay, ich beeile mich«, rief ich wieder etwas lauter.

      Als ich frisch geduscht und rasiert im flauschigen Bademantel aus dem Bad kam, servierte Jonathan gerade das Frühstück.

      »Hallo, Jonathan, altes Haus«, begrüßte ich ihn. »Hast du meine Peitsche irgendwo gesehen? Die neunschwänzige?«

      Jonathan beäugte erst mich misstrauisch, dann Susanne, dann das Mobiliar im Zimmer. Sein Blick blieb an meiner Sekundärliteratur auf der


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