DER LETZTE ATEMZUG. Robert Brown

DER LETZTE ATEMZUG - Robert  Brown


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geht es mir hauptsächlich darum, dass sie am Leben bleiben. Sie beobachten ihre älteren Geschwister natürlich und ahmen sie nach, so wie es alle kleineren Kinder tun. Dieser Tage beläuft sich das jedoch auf Leisetreten und Mundhalten, statt zum Beispiel so zu tun, als würden sie ein Telefongespräch führen. Dies ist nun einmal die einzige Welt, die sie kennenlernen werden, also werden sie nicht zu der Geisteshaltung erzogen, frei herumlaufen und grölen zu dürfen, wann immer sie es wollen, so wie wir es in unserer Kindheit taten.

      Kapitel 2

      Tod und Abschied

      Jetzt sind wir nahe genug, um den Zaun zu sehen, und stehen plötzlich vor einem weiteren Hindernis.

      Wir haben nur zehn Minuten länger als die anberaumten vier Stunden gebraucht, um unser Gut zu erreichen. Vor unserem Kauf gehörte das Land zu einem Reithof mit Stallungen. Es erstreckt sich über hundertzwanzig Morgen und sollte unser Rückzugspunkt für den Fall sein, dass es einmal so zu Ende gehen würde, wie wir es befürchtet haben. Das Gut liegt weit genug außerhalb des Einzugsgebietes von Medford, und zwar nicht nur rein von der Entfernung her, sondern auch dank der verschlungenen, kurvenreichen Zufahrt, wegen der man es mit dem Auto nur sehr schwer findet. Außerdem ist es auch zu Fuß wegen der Hügel und des Waldes nicht leicht erreichbar, wenn man es nicht konzentriert darauf anlegt. Gleichzeitig ist man dort aber trotzdem nicht zu weit ab vom Schuss, dass regelmäßige Reisen in die Stadt nicht zu bewältigen wären. Wenngleich wir es auch zu unserem Hauptwohnsitz hätten machen können, fanden wir es praktischer, es als Ausweichstelle zu nehmen. Noch dazu haben wir das Gelände als Ausbildungslager für Interessierte benutzt, die etwas vom Leben in der Wildnis und der Überlebenskunst generell erfahren wollten.

      Das Haus, in dem wir bis zum Ausbruch der Krankheit gewohnt haben, steht am Stadtrand von Medford. Ich habe mir dort eine begehbare Geschäftsfläche eingerichtet, um quasi von daheim aus arbeiten zu können und meine Kinder dabei stets um mich haben zu können.

      Als das Ganze losging, mussten wir das Haus schließlich aufgeben, weil die Stadt einfach zu nahe war. Im Nachhinein bezweifle ich aber, dass wir es geschafft hätten, aus Medford auf unser Gut zu fliehen, wenn wir nur einen Tag länger geblieben wären, als es letztlich der Fall war. An jenem ersten Tag brach alles unheimlich schnell zusammen. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass wir eine alternative Unterkunft hatten und es nun unser eigenes, selbst bestücktes Überlebenstrainingslager ist.

      Auf dem Grundstück stehen mehrere Anlagen und Nebengebäude, doch das Haupthaus befindet sich ungefähr hundert Yards hinter dem Zaun. Wir entschieden uns nach einem heftigen Angriff von Infizierten dazu, ihn weiter von den Gebäuden wegzuziehen. Es handelt sich dabei um eine Konstruktion aus Maschendraht, die knapp dreißig Morgen Land umgibt. Dazu gehören das Haupthaus, die Schlafstätten, zwei Mobilheime und mehrere Schuppen. Außerdem eine Scheune sowie der Reitstall, Lagerräumlichkeiten und verschiedene kleinere Unterbringungsmöglichkeiten für weitere Überlebende.

      Rings um den Zaun herum haben wir im Abstand von zwanzig Yards weitere unterschiedliche Arten von Barrieren errichtet, um alle Person oder Kranke, die neugierig sind, zum Haupteingangsbereich zu lotsen. Inner- und außerhalb der Umfriedung haben wir außerdem Gärten mit Obstbäumen angelegt, wobei diese nicht näher als etwa fünfundzwanzig Yards zum Zaun gepflanzt wurden, um zu verhindern, dass sich jemand allzu leicht unbemerkt nähern kann. Hinter dieser Grenze befinden sich noch einige Gräben, Baumgruppen und hohe Felshaufen, die wir als Defensivstellungen nutzen können, falls es wieder einmal jemand auf unser Zuhause abgesehen hat.

      Insgesamt sind das schon ganz anständige Voraussetzungen für jemanden, der sich auf eine Katastrophe vorbereitet hat und seinen Besitz vor Eindringlingen oder umherziehenden Infizierten schützen will. Es erweist sich allerdings als deutlich weniger ideal, wenn man vom Hamstern zurückkehrt und jemanden hinter dem Zaun Wache stehen sieht, den man überhaupt nicht kennt, während auch sonst kein vertrautes Gesicht in der Nähe ist. Und genau das, ist das Hindernis und potenzielle Problem, vor dem wir jetzt stehen.

      »Simone, ich kann weder Arthur, Greg noch einen der anderen auf dem Grundstück entdecken. Hannah, was sagt dein Fernglas?«

      »Nichts, Dad. Ich sehe nur diesen einen Mann, und soweit ich sagen kann, rührt sich im Haus auch niemand.«

      Ich beschließe, dass wir erst einmal die Köpfe zusammenstecken und in Ruhe unsere Optionen gegeneinander abwägen. »So haben wir uns das offensichtlich nicht vorgestellt, aber wir brauchen ja trotzdem nicht gleich vom Schlimmsten auszugehen. Der Fremde geht eher spazieren, als dass er irgendetwas bewachen würde, mir kommt er sogar ein bisschen geistesabwesend vor. An dieser Seite des Hauses deutet nichts auf irgendeinen Streit oder eine Auseinandersetzung hin, zumal dies der direkteste Zugang ist, also schlage ich Folgendes vor. Jeweils einer von uns geht am Wald entlang um das Gelände herum und sucht nach Toten oder Anzeichen dafür, dass es eine Schießerei gegeben hat. Dieser Mann hier ist seinen Bewegungen und seinem Aussehen nach zu urteilen definitiv gesund, weshalb wir uns sicher sein können, dass das Gut nicht von Infizierten überlaufen wurde. Wäre dies ein feindlicher Übergriff, würden wir sofort erkennen können, dass sich unsere Mitbewohner mit Waffengewalt zur Wehr gesetzt hätten. Darum suchen wir wie gesagt nach Spuren eines Kampfes. Klingt das logisch für euch?« Ich warte. »Ihr nickt einhellig, also wer geht freiwillig?«

      Alle außer Benjamin bieten sich sofort an.

      »Simone und Olivia, ihr beide solltet es tun. Simone, nimm William mit. Das wird eine gute Übung für ihn sein, um mehr über das Schleichen und Beobachten zu lernen. Olivia, du schlägst die Gegenrichtung ein, und wenn ihr zwei euch auf der gegenüberliegenden Seite trefft, geht ihr trotzdem weiter für den Fall, dass der jeweils andere auf dem Hinweg etwas übersehen hat. Hannah, du bleibst bei mir. Falls uns jemand vom Grundstück aus Ärger bereiten will, bin ich in der Lage, jedem Angriff standzuhalten. Du wirst Amelia und Benjamin nach Osten zu unserer ersten Notfallstellung bringen, dort treffen wir uns hinterher alle wieder … und Hannah: Sollte mir etwas zustoßen, passt du bitte auf deinen Bruder und deine Schwester auf. Nimm sie jetzt beide mit. Habt ihr das alle verstanden?«

      »Dir wird schon nichts zustoßen, Eddie!«, meint meine Frau für meinen Geschmack ein wenig zu ängstlich.

      »Simone, ich wurde vor über vier Stunden von einem Kranken gebissen, der aktiv war und rennen konnte. Wir wissen deshalb nicht, ob wir an der Grenze von sechs Stunden festhalten können oder ob ich vorher Fieber bekomme. Ich verlasse mich einfach darauf, dass du dich um die Kinder kümmerst und Hannah mich aufhalten wird, falls sie es muss. Aus diesem Grund bleibt sie bei mir. Simone, ich liebe dich und ich bin mir sicher, dass du recht hast, aber uns rennt die Zeit davon, also packen wir's an.«

      Ich sehe an ihrem Blick, wie gekränkt und traurig sie ist, aber sie kennt die Wahrheit genauso gut wie ich. Unser Heim gewährleistet nun einmal das Überleben unserer Familie. Selbst nachdem wir überlaufen wurden und viele unserer Gefährten verloren haben, bleibt es für uns immer noch ein Ort der Sicherheit.

      Wir haben geheime Vorratskammern und Verstecke für den Notfall auf dem weitläufigen Gelände eingerichtet, aber nichts darüber hinaus. Dass unsere ganze Familie unversehrt bleiben wird, ist seit jeher unwahrscheinlich, doch das sollte uns recht sein. Ohne auf mich bauen zu können, brauchen die anderen das Haus und die Nutzmittel darin dringend, um weiter bestehen zu können, ganz zu schweigen von den anderen Familien, mit denen wir unsere Überlebenserfahrungen und Vorräte geteilt haben. Außerdem, um es mal plump auszudrücken, wurde ich sowieso gebissen und habe keine zwei Stunden mehr, um sie dort hineinzukriegen, ehe das Fieber bei mir ausbricht … falls es noch ausbricht, wohlgemerkt.

      Simone und William brechen nun nach rechts auf, Olivia nach links. Alle drei verschwinden nach zwanzig Yards zwischen den Bäumen. Während sie ihrer Wege gehen, tritt Hannah etwa zehn Fuß hinter mir zurück, um Benjamin und Amelia in einen kleineren Karren zu legen, den wir an den Fahrradanhängern festgemacht haben. Sie koppelt ihn daraufhin ab und lässt sich mit ihrer Ruger 10/22 daneben nieder.

      »Danke, Hannah. Deine Mutter hat vermutlich wie immer recht, aber achte bitte trotzdem auf mich, in Ordnung? Auch wenn wir zum Zaun gehen, behältst du mich die ganze Zeit im Blick, während


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