Lux und Umbra 2. Silke M. Meyer

Lux und Umbra 2 - Silke M. Meyer


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damit sie ihren Oberkörper nicht selbst aufrecht halten musste. „Meine Liebe“, sagte Marietta mit tränenerstickter Stimme, während sie zum Bett eilte.

      Carly sah die rundliche Frau auf sich zukommen, spürte, wie sich in ihr etwas zusammenbraute, was sie der Hausherrin entgegenschleudern wollte. Doch Sage bekam ihre Panik mit. Er hielt Marietta am Arm fest. „Wartet noch. Carly kennt Euch nicht, sie hat Angst.“

      „Was?“ Marietta sah verwirrt auf die junge Frau vor sich. Dann verstand sie. „Oh“, hauchte Marietta entschuldigend. „Es tut mir leid, daran habe ich nicht gedacht. Ich wollte Euch keine Angst einjagen, ich bin nur so erleichtert. Ich werde Euch eine Brühe zubereiten. Ich kann auch einige Kartoffeln stampfen. Ihr müsst sehr hungrig sein“, stammelte Marietta peinlich berührt.

      Carly nickte, doch sie beruhigte sich erst, als Marietta die Tür hinter sich schloss.

      „Was ist los?“, fragte Sage beunruhigt. „Ich habe es gespürt, dass, was in dir vorging. Wolltest du ihr ...“ Sage suchte nach den richtigen Worten. „Wolltest du ihr etwas tun?“

      „Ich weiß nicht“, sagte Carly. Ihre Kehle schmerzte noch immer beim Sprechen, trotzdem fiel es ihr inzwischen sehr viel leichter. „Ich ...“ Sie konnte nicht in Worte fassen, was sie fühlte. Aber sie konnte ihm sagen, was sie sah. „Ich sehe ein Flimmern um euch herum. Es ist noch farblos, aber es sieht aus, wie die Auren, die Sephora mir gezeigt hat.“ Beim Erwähnen des Namens Sephora durchzuckte Carly eine Erinnerung. „Mathis!“, stieß sie hervor. „Was ist mit ihm?“

      „Alles in Ordnung. Sephora nahm ihn und Benedicta mit sich. Sie sind in Sicherheit. Wir suchen sie, sobald du gesund bist.“

      „Dann ist es vielleicht zu spät.“ Carly versuchte, die Bettdecke von sich zu schieben, scheiterte aber an ihrer Kraftlosigkeit.

      „Nein, ich bin sicher, dass es ihm gut geht. Bleib liegen. Du bist zu schwach.“

      „Wie lange sind wir schon hier?“

      „Über drei Wochen. Du warst sehr schwer verletzt. Ich hatte Angst, dass du es nicht schaffst.“

      „Dann wäre ich ...“, Carly stockte „... dann wäre ich trotzdem wiedergekommen.“ Verlegen schaute sie auf ihre Finger, die sie nervös ineinander verhakelte.

      „Du hast es also getrunken?“

      „Ja. Es war die bessere Option. Sterben und nicht wiederkehren, das geht noch nicht. Mathis braucht mich doch. Und ich wollte auch dich nicht ...“ Carly verstummte.

      „Was wolltest du mich nicht?“

      „Ich wollte dich nicht zurücklassen. Das Band ... du hast es mir erklärt, ich spüre es selbst. Und jetzt, mit dieser neuen Kraft in mir, viel stärker als jemals zuvor. Es fällt mir ganz leicht.“

      Sage grinste und rutschte neben Carly aufs Bett. „Du wolltest also auch meinetwegen nicht sterben?“ Er legte seinen Arm um sie.

      Carly spürte, wie sich ihr Gesicht rot einfärbte, nickte aber. Sage rutschte noch näher an sie heran. Er legte seine Finger unter ihr Kinn und hob es an. Dabei drehte er ihren Kopf, so dass sich ihre Gesichter nun sehr nahe beieinander befanden. Verbunden durch ihr Band spürte Carly Sages Wunsch, sie zu küssen. Auch sie sehnte sich danach, zögerte aber. „Was ist?“, fragte Sage.

      Carly versuchte, von ihm abzurücken, schaffte es aber nicht. Mit ihren Händen deutete sie an, ihn wegzuschieben, was sie ebenfalls nicht bewältigen würde, aber Sage verstand und gab ihr den nötigen Freiraum. „Warum?“, fragte er nur.

      „Weil ...“, wieder lief Carly rot an. „Gibt es in diesem Jahrhundert schon Zahnbürsten?“ Mit der Zunge wischte Carly verlegen über ihre Zähne. Das pelzige Gefühl verschwand nicht, der Geschmack erzeugte beinah einen Würgereiz. Niemals würde sie ihn so küssen.

      Sage lachte schallend los. „Nein, sie benutzen Schwämme und Tücher, aber ich bastel dir eine, wenn du magst.“

      „Ja, bitte. Und dann versuch es nochmal“, forderte Carly ihn grinsend auf.

      „Marietta wird gleich mit dem Essen zu dir kommen. Lässt du dir von ihr helfen? Du kannst ihr vertrauen.“

      „Okay. Was willst du machen?“

      „Ich hole den Badeschuber hoch, befülle ihn, setze dich nach dem Essen hinein und dann werde ich Marietta erneut in Staunen versetzen, wenn die Zahnbürste Einzug in ihr Leben hält.“

      „Okay“, sagte Carly im selben Moment, in dem es wieder an der Tür klopfte.

      *13*

      Durch Flucht gerät man mitten ins Verderben.

      Titus Livius

      „Herr, wir haben in der neuen Welt einen magischen Schein entdeckt“, sagte der Masama, während er den Thronsaal betrat und seinen Oberkörper fast bis auf den Boden neigte. Trotz der guten Nachricht, die er gerade übermittelt hatte, war es geraten, so lange Demut zu zeigen, bis Nalar ihm erlaubte, sich aufzurichten.

      Der dunkle König setzte sich interessiert auf. „Schaut mich an!“, forderte er. Seine Stimme donnerte durch den Saal, strahlte jedoch Freude aus.

      Der Masama hob den Kopf und sah seinem König fest ins Gesicht. Die Augäpfel des Kriegers zuckten aufgeregt in ihren Höhlen, verrieten seinem Herrn, dass es noch mehr gab, wovon er berichten wollte. Nalar erhob sich und ging auf den Masama zu.

      „Wo?“

      „Italien, mein Herr. Allerdings nicht in unserer Zeit. Es war nur ein Aufflackern und sehr schwach, aber es war ein magischer Impuls jener Art, den nur die Geburt einer neuen Königin auslöst.“

      „Die Geburt? Du meinst, den Moment, in dem sich die Magie in ihr freisetzt, nicht die Geburt eines Babys?“

      „Ja Meister. Es geschah so viel gleichzeitig heute Morgen.“

      „Was noch?“

      „Unsere Späher drangen in die neue Welt ein, ganz ohne die üblichen Schmerzen dabei zu empfinden. Zwei von den Wachen konnten ihnen folgen. Die Grenze scheint aufzuweichen. Die beiden Masama, die in die neue Welt gelangten, konnten nicht lange bleiben, wurden schon nach wenigen Minuten zurückgezwungen, bevor der Schmerz sie töten konnte, aber die Späher blieben. Sie sind noch immer drüben.“

      „Interessant“, murmelte Nalar. „Sehr interessant.“ Ein hämisches Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus, als Mason zu ihm trat.

      „Was bedeutet das, Vater? Wieso ist das möglich?“

      Der Dunkle König sah seinen Sohn nachdenklich an. „Das vermag eigentlich nur die Dreiheit. Mathis muss also einen Entschluss gefasst haben. Er ist mindestens dir wohlgesonnen. Anders kann ich es mir nicht erklären. Ich beginne meinen Enkel wirklich zu mögen.“ Nalar marschierte zum Fenster und blickte auf Sephoras Lichtstrahl. „Wie spät ist es?“

      „Es wird gleich sechs sein, Vater. Warum?“

      „Sieh selbst!“ Nalar deutete aus dem Fenster und das Lächeln in seinem Gesicht wurde breiter.

      Mason schaute in die gewiesene Richtung. Sephoras Lichtstrahl bebte, verlor seinen Glanz immer wieder, wirkte instabil, als würde seine Basis erschüttert werden. „Ich verstehe das nicht. Bitte erklär es mir!“, bat Mason.

      „Du wirst es bald merken. Welch guter Tag!“ Nalar drehte sich zu dem Masama herum, der noch immer abwartend in der Mitte des Thronsaales stand. „Bringt mir eine der Schwestern des Lichts. Irgendeine. Wascht sie und seid nicht zimperlich. Ich werde mich in meine Gemächer zurückziehen und noch ein wenig ruhen. Uns erwartet Großes die nächsten Tage, etwas, womit Sephora nicht gerechnet hat. Das ist es wert zu feiern und mir ist nach einem Lichtweib. Lasst ihre Kleidung gleich weg, die braucht sie nicht.“ Beschwingt, beinah hüpfend, begab sich Nalar


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