Lux und Umbra 2. Silke M. Meyer

Lux und Umbra 2 - Silke M. Meyer


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werde es Euch erklären, wenn meine Gattin das Fieber besiegt hat. Wir haben keine Zeit mehr.“

      Schnell erklärte Antonio ihm, wo er weitere Eimer fand, und sah verblüfft, wie Sage im nächsten Moment einfach verschwand.

      Es war nicht der Augenblick, in dem Zurückhaltung gefragt war. Ungeachtet dessen, dass die Anwesenden jetzt Bescheid wissen würden, raste Sage davon, die Eimer zu holen, befüllte sie mit kaltem Wasser und setzte noch einmal den Kessel auf den Herd auf.

      Als er im nächsten Moment mit befüllten Eimern und zwei Eisplatten aus dem Weiher hinter dem Haus wieder im Raum stand, bekreuzigten sich die Hauseigentümer, und der schreckensbleiche Knecht betete lautstark ein Ave-Maria dazu. Sage riskierte viel, doch nichts war wichtiger als Carlys Leben.

      „Ich werde es später erklären, doch jetzt benötige ich Eure Hilfe. Bitte sagt mir, dass ich auf Euch zählen kann!“ Flehend wartete Sage auf eine Antwort. Sie kam von Marietta, die sich am schnellsten wieder fing. „Natürlich. Wir würden es uns nie verzeihen, wenn sie stirbt, weil wir unsere Hilfe verweigert haben. Was können wir noch tun?“

      „Ihr müsst Wasser nachfüllen. Wir müssen das Badewasser im Zuber runterkühlen. Ich hole, sobald es kocht, noch einmal den Topf mit heißem Wasser, dann ist es voll genug. Wir gehen zu zweit hinein, es wird reichen.“

      Kaum hatte Marietta genickt, jagte Sage ein zweites Mal die Treppe hinunter. Das Wasser kochte noch nicht ganz, doch es würde genügen müssen. Er goss es in die Holzwanne. Dann nahm er Carly vorsichtig wieder auf und bestieg behutsam mit ihr den Badezuber. Das heiße Wasser, das unangenehm auf seiner Haut brannte, blendete er einfach aus. Sanft ließ er Carly in das Wasser gleiten, wartete einen Moment und forderte dann Antonio, der noch immer an derselben Stelle verharrte, auf, einen Eimer Schnee und einen des kalten Wassers einzufüllen.

      Antonio schüttelte sich kurz, folgte dann jedoch der Aufforderung. Langsam kühlten sie gemeinsam das Wasser im Zuber herunter. Nach dem vierten Nachfüllen ertastete Marietta, was Sage längst bemerkt hatte. „Es funktioniert gut. Sie fühlt sich kühler an. Ich denke, das Fieber ist gebrochen!“ Freudestrahlend verkündete sie das Ergebnis. Alle atmeten auf. Während Sage mit Carly auf dem Arm aufstand, hüllte Marietta bereits ein trockenes Tuch um die Frau. Der Knecht trug die leeren Eimer an ihren Platz zurück, nachdem Sage ihm gesagt hatte, dass er sich um den Inhalt des Zubers kümmern würde. Nachdem Antonio ebenfalls den Raum verlassen hatte, trat Sage nah an Marietta heran und räusperte sich. „Marietta, ich habe eine eher ungewöhnliche Bitte. Könntet Ihr vielleicht den Urin einer Kuh auffangen? Ich würde ihn gern für ihre Wunden benutzen.“ Er deutete auf Carly.

      „Urin?“ Marietta betrachtete den sonderbaren Mann mit den übermenschlichen Fähigkeiten, nickte dann jedoch.

      „Danke. Ich bereite einige Kräuterpasten zu. Geht Ihr danach wieder zu ihr, ja?“

      Die Frage war eher rhetorischer Natur, denn augenscheinlich hatte die Hausherrin es sich längst zur persönlichen Aufgabe gemacht, alles dafür zu tun, Carly zu retten.

      Sage öffnete in der Küche das Tuch mit den darin enthaltenen Kräutern. Die junge Frau hatte wesentlich mehr eingepackt, als er verlangt hatte. ›Mädesüß - fiebersenkend‹ stand auf einem der Päckchen. Sofort tat es ihm leid, dass er sie so grob behandelt hatte. Er zerrieb die Kräuter und mixte sie mit Honig. Als Marietta wieder nach oben ging, einen Krug in der Hand, schmunzelte Sage. Er wollte gar nicht wissen, wie sie der Kuh so schnell Urin abgezapft hatte. Mit seinen Tiegeln und der Kanne heißen Tee folgte er ihr.

      Sorgfältig spülte er Carlys Wunden mit dem Kuhurin, trug die Paste mit Arnika auf und flößte ihr so viel Tee ein, wie sie annahm. Das war das schwierigste Unterfangen, denn Carly schluckte nicht von alleine, er musste ihren Kehlkopf massieren, um den Schluckreflex auszulösen. Er würde also stündlich versuchen, ihr so viel einzuflößen, wie nach seinem Ermessen nötig war. Durch ihr Band spürte er, wie friedlich und sehr viel ruhiger sie jetzt schlief. Das war kein Kampf um Leben und Tod mehr, das war ein Genesungsschlaf. Emotional erschöpft fiel er auf den Sessel am Kamin. Marietta kam zu ihm. „Darf ich mich zu Euch setzen?“

      „Es ist mir eine Ehre. Natürlich, setzt Euch!“ Sage wusste, dass nun Antworten erwartet wurden. Doch Mariette schwieg vorerst. Als sich die Tür öffnete und Antonio mit drei Tassen Tee zu ihnen kam, wusste Sage, worauf sie gewartet hatte.

      *12*

      Heilsame Wahrheiten, die beim Wohlbefinden

      in der Seele geschlummert, erwachen im Leiden.

      Ignaz Heinrich Carl Freiherr von Wessenberg-Ampringen

      Erwartungsvoll blickten Marietta und Antonio ihn an. Sage seufzte, denn wie sollte er den Menschen erklären, was er war? In dieser Zeit? Er konnte froh sein, wenn sie nicht sofort den Scheiterhaufen errichteten. Zumal da ja immer noch der tote Bauer war, für den Antonio sich bestimmt verantwortlich fühlte. Er durfte ihnen auf keinen Fall sagen, dass er ein Vampir war, aber er brauchte eine glaubhafte Ausrede. Vorsichtig nippte Sage an seinem Tee, setzte die Tasse ab und begann zu reden.

      „Bevor ich Euch in mein Geheimnis einweihe, müsst Ihr mir versprechen, dass Ihr mir bis zum Ende zuhören werdet. Ihr müsst auch keine Angst vor mir haben, denn gerade Euch verdanke ich das Leben meiner Frau Gemahlin. Meint Ihr, Ihr könnt mir die Chance geben, mich zu erklären?“

      Das Ehepaar nickte, Marietta nestelte nervös an ihrem Kreuz, doch ihre Augen sagten Sage, dass sie der einfachere Part war.

      „Ich beherrsche die Magie und ich komme nicht aus Eurer Zeit“, sagte Sage ohne Umschweife.

      Antonio schnappte nach Luft, hielt jedoch den Mund, wie er versprochen hatte.

      „Ihr habt es an unserer Kleidung gesehen und an dem, was ich tat, als Carlys Herz aussetzte. Meine Magie ist nicht besonders stark, aber sie befähigt mich, in der Zeit zu springen und Personen mit mir zu nehmen. Auch kann ich mich kurzzeitig schneller und stärker machen, aber mehr vermag ich nicht. Da, wo ich herkomme, ist das nichts Besonderes, ich weiß aber, dass hier und in dieser Zeit Magie auf Euch unheimlich wirkt.“

      „Warum seid Ihr nicht in eure Zeit zurückgesprungen, mein Herr? Wenn Magie dort nichts Ungewöhnliches ist, dann gibt es doch sicher mehr Menschen, die derer mächtig sind. Sie könnten Ihrer Frau Gemahlin besser helfen, als wir es vermögen.“

      Sage nickte. „Wenn ich das gekonnt hätte, würde ich Euch nicht zur Last fallen. Aber Carly ist zu schwach, die Zeitreisen kosten gerade die Mitreisende viel Kraft. Außerdem stammen die Verletzungen meiner Frau aus eben jener Zeit. Eine Rückkehr ist momentan zu gefährlich. Der Mordanschlag galt mir, nicht ihr. Doch sie opferte sich, um mein Leben zu retten. Ich bin es ihr schuldig, nun das ihre zu beschützen. Man wird uns suchen, deshalb ist es wichtig, dass so wenig Menschen wie möglich von uns wissen. Ich weiß, dass ich sehr viel von Euch verlange und ich hoffe, dass ihr mir weiterhin helfen werdet.“

      Gespannt wartete Sage ab. Antonio schüttelt ungläubig den Kopf, doch Marietta glaubte ihm bereits. Und sie war bereit, ihnen auch weiterhin Schutz zu bieten. Energisch stieß sie ihrem Mann in die Seite. „Sag schon! Sag ihnen, dass sie bleiben können, bis die junge Frau gesund ist!“

      „Ich weiß nicht.“ Antonio schaute beschämt zu Boden. „Wenn man Euch sucht, mein Herr, und Euch vielleicht findet, dann droht auch meinem Dorf Gefahr, nicht wahr?“

      „Ja“, gab Sage zu. „Natürlich werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, damit Euch nichts passiert. Aber ich kann es nicht garantieren.“

      Marietta saß noch immer wartend auf ihrem Sessel, starrte ihren Mann ungläubig an. Antonio stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Sein Blick wechselte von Carly zu Sage und zu seiner Frau. Dann blieb er abrupt stehen. „In Ordnung“, sagte er. „Bleibt hier. Aber wenn ich Eure Anwesenheit geheim halten soll, müsst Ihr ab sofort die meiste Zeit im Haus verbringen. Mit meinem Knecht spreche ich. Er ist ein zuverlässiger Bursche, der tun wird, was ich ihm sage. Und bisher ist Eure Anwesenheit


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