Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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sei Dank haben wir ja liebe. Ihr habt nicht mal geschimpft wegen des Wagens.«

      Dazu gäbe es auch keinen Grund, meinte Inge Auerbach. Wer hätte mit so etwas rechnen können.

      Bambi, die Rickys Schlaf bewacht hatte, kam aus deren Zimmer geschlichen. »Ricky weint immer im Schlaf«, flüsterte sie. »Sie ruft immer nach Ulla und Fabian.«

      Wenn sie nur nicht auch noch krank wird, dachte Inge und brachte die Kleine zu Bett, die auch am ganzen Körper zitterte. Hannes bot sich an, Bambi Geschichten vorzulesen, damit die Mami sich um Ricky kümmern könnte.

      Wenn sie nun einen Arzt brauchten, wen sollten sie dann holen? Das war jetzt ihr Problem. Sie war froh, als Fabian Rückert kam, um sich nach Henrikes Befinden zu erkundigen. Er sah sehr angegriffen aus, und der Collie Charly, den er mitgebracht hatte, war auch unruhig und jaulte leise.

      »Ich weiß nicht, was mit ihm los ist«, sagte Fabian. »Er benimmt sich ganz merkwürdig.«

      »Er will raus«, ließ Hannes sich vernehmen, der Bambi zum Einschlafen gebracht hatte.

      Charly raste gleich hinaus in die Nacht, als ihm die Tür geöffnet wurde. Fabian konnte ihm kaum folgen, und Charly hörte diesmal auch nicht auf seinen Pfiff, der ihn zurückrief. Mit großen Sprüngen hetzte er zum See. Fa­bian ihm nach. Er war nun auch beunruhigt, denn so eigenartig hatte sich Charly noch nie benommen.

      Dann vernahm Fabian ein seltsames Geräusch. Es kam vom See her. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Charly heulte laut auf. Es klang gespenstisch in der Stille, und dann stürzte er sich in das kalte Wasser hinein. Augenblicklich war Fabian wie erstarrt, dann sah er einen Punkt, auf den der Hund zuschwamm. Er streifte seine Jacke ab, schleuderte die Schuhe von den Füßen und warf sich ebenfalls in das Wasser. Die Kälte raubte ihm fast den Atem, doch dann reagierte er schnell, als er bemerkte, dass Charly etwas zu fassen bekommen hatte. Es war ein Mensch. Es war Ulla, wie Fabian dann gleich feststellen konnte. Er reagierte mechanisch, griff unter ihr Kinn und schwamm mit ihr zum Ufer zurück. Sie war völlig regungslos.

      Währenddessen war wieder ein Auto im Sonnenwinkel angekommen. Inge Auerbach eilte zur Tür, als es läutete. Sie meinte, dass Fabian zurückkommen würde, aber vor der Tür stand ein Mann, den sie nicht kannte.

      Werner Auerbach trat in die Diele. Seine Augen weiteten sich staunend. »Herr Lamprecht«, sagte er bestürzt, als er in das erregte Gesicht des Mannes blickte.

      »Ist Ulla bei Ihnen?«, stieß der heiser hervor. »Ein Junge hat uns einen Brief gebracht. Wir finden keinen Sinn darin.«

      Er reichte ihn Werner Auerbach. Die Schrift war flüchtig und kaum leserlich, in höchster Erregung geschrieben oder in tiefster Verzweiflung.

      Diesmal gehe ich für immer, und ihr werdet mich nicht zurückholen können. Alles was mir etwas bedeutet hat, habt ihr mir genommen. Hier wäre ich glücklich gewesen. Lebt wohl. Ulla.

      Werner Auerbach fühlte sich leer und ausgehöhlt. Er ahnte, was das zu bedeuten hatte. Alles Blut war aus seinem Gesicht gewichen.

      Hannes hatte sich hinausgeschlichen. Er hatte Charlys lautes Bellen vernommen, und wie ein Pfeil schoss der ­patschnasse Hund auf ihn zu, zerrte an seiner Hose und bellte wieder.

      »Papi, Papi, komm schnell!«, schrie Hannes. »Charly ist ganz nass und ganz wild.« Was darauf folgte, war wie ein böser Spuk. Keuchend kam Fabian mit Ulla auf den Armen.

      Während Auerbach sie dem erschöpften Fabian abnahm, stand Herr Lamprecht zur Salzsäule erstarrt da. Inge hatte keinen Blick für ihn. In Windeseile holte sie warme Decken, und mit vereinten Kräften bemühten sie sich um das reglose Mädchen.

      Grimmig sah Hannes den Mann an. »Nun haben Sie es«, stieß er erbittert hervor.

      Diese vier anklagenden Worte rüttelten den Mann auf. »Das habe ich nicht gewollt«, murmelte er.

      *

      Dass Ulla lebte, hatte sie nur Charly zu verdanken. Welche Seelenqualen sie ausgestanden hatte, bis sie diesen unheilvollen Schritt tat, konnte man nur ahnen. Werner Auerbach und Fabian Rückert hatten sie in das Krankenhaus gebracht, in dasselbe, in dem auch Harald Herwig um sein Leben kämpfte.

      Fabians geistesgegenwärtige Wiederbelebungsversuche hatten das Schlimmste verhütet, aber noch war zu fürchten, dass sie keinen Lebenswillen mehr hatte. Nur einmal hatte sie kurz die Augen geöffnet, und in entsetzter Abwehr hoben sich ihre Hände, als ihr Vater sich über sie beugte.

      Während Hannes sich rührend um Charly bemühte, sein Fell trocknete und bürstete und ihm warme Milch gab, umsorgte Frau Rückert daheim ihren Sohn, der auch in Werner Auerbachs trockenen Sachen noch nicht warm geworden war.

      Zur Ruhe kamen sie alle nicht in dieser Nacht. Nicht in der Stadt und auch nicht im Sonnenwinkel. Natürlich auch die Riedings und Felix Münster im Herrenhaus nicht.

      Mitternacht war längst vorbei, als Sandra noch immer am Fenster stand und in die Nacht hinausblickte, aber auch auf die Fenster in der Dependance des Herrenhauses, die noch hell erleuchtet waren. Ihr Herz hämmerte schmerzhaft.

      Ein unerklärlicher Zwang trieb sie hinaus. Undurchdringliche Dunkelheit umfing sie. Der Wind rauschte in den Bäumen, und es war wie ein geheimnisvolles Raunen.

      Wie aus dem Boden gewachsen stand Felix plötzlich vor ihr. Beide hielten sie den Atem an, dann umfingen sie seine Arme, und mit einem leisen Aufstöhnen presste er sie an sich.

      »Mir war es, als würdest du mich rufen, Sandra«, flüsterte er.

      Ihr Herz hatte ihn gerufen, und ihre Sinne hatten sie zueinander getrieben. Immer wieder suchte er ihren Mund, und sie erwiderte seine Küsse mit überströmender Zärtlichkeit.

      In all dem Schmerz, der sie bewegte, war nun das Glück, einander nahe zu sein. Ein Glück, das so grenzenlos war, das alle Zweifel zum Schweigen brachte.

      »Es ist kalt«, murmelte er, »und dein Haar ist ganz feucht. Komm, Sandra, machen wir uns einen Grog.«

      Sie folgte ihm in sein Haus. Um nichts in der Welt hätte sie jetzt auf seine Nähe verzichten wollen. Zärtlich strich sie ihm mit der Hand über sein müdes Gesicht.

      »Es war ein schlimmer Tag«, murmelte sie.

      »Aber jetzt bist du bei mir«, gab er mit erstickter Stimme zurück. »Ich habe mich so sehr nach dir gesehnt.«

      Sie brauchte eigentlich keinen Grog mehr. Ihr wurde es ganz heiß unter seinen zärtlichen Blicken, in seiner Umarmung, die endlos war.

      »Willst du meine Frau werden, Sandra?«, fragte er verhalten.

      »Deine Frau …«, es war keine Frage, alles Glück, das in ihr war, schwang in ihrer Stimme, als sie diese beiden Worte aussprach.

      »Meine Frau und Manuels Mutter«, murmelte er. »Oder ist es zu viel, was ich erhoffe?«

      Ihre Hände legten sich um sein Gesicht. »Es umschließt alles Glück der Welt für mich«, erwiderte sie. »Ich liebe dich, ich liebe euch beide, und ich glaube sogar, dass Manuel es sich auch wünscht.«

      »Er hat es mir gesagt«, nickte er. »Er fürchtet sehr, dass ich in Carlo Heimberg einen Konkurrenten hätte.«

      »Aber du fürchtest das doch wohl nicht«, meinte sie lächelnd.

      »Na, ich weiß nicht.«

      Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »So wenig kennst du mich, Felix?«

      »So sehr liebe ich dich, dass ich niemandem auch nur einen Blick von dir gönne«, entgegnete er.

      *

      Auch Georgia Minetti war von dem tragischen Geschehen nicht unbeeindruckt geblieben. Auch sie hatte eine schlechte Nacht gehabt. Nonna hatte die Zwillinge mit Mühe und Not aus den Betten gebracht, aber sie zeigten keine Neigung, zur Schule zu gehen.

      »Wenn Hannes nicht geht, gehen wir auch nicht«, erklärte Dirk unverblümt. »Und der geht bestimmt nicht, wo so viel los


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