Gesammelte Werke. Джек Лондон

Gesammelte Werke - Джек Лондон


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und sah auf. Zwei­hun­dert Fuß über ihr ein der wei­ßen Wand, dicht un­ter dem Gip­fel stand er und hielt sich an ei­nem Baum fest. Der Ab­grund war nur we­ni­ge Schritt von ihm ent­fernt.

      »Ich kann die klei­ne Wie­se hin­ter dei­nem Feld se­hen«, rief er ihr zu. »Kein Wun­der, dass dies nie je­mand auf­ge­stö­bert hat. Die ein­zi­ge Stel­le, von wo man es se­hen kann, ist das biss­chen Wie­se. Und du warst es, die es zu­erst sah. War­te, bis ich her­un­ter­kom­me – dann will ich dir al­les er­zäh­len. Ich habe es nicht frü­her ge­wagt.«

      Man brauch­te nicht be­son­ders klug zu sein, um die Wahr­heit zu er­ra­ten, und Sa­xon war sich denn auch gleich klar dar­über, dass es der kost­ba­re Lehm war, den die Zie­ge­lei brauch­te. Bil­ly ging in ei­nem großen Bo­gen um den Erd­rutsch her­um und ar­bei­te­te sich lang­sam an der Sei­te des Ca­ny­ons von Baum zu Baum, als klet­ter­te er eine Lei­ter her­ab.

      »Ist das nicht groß­ar­tig?« sag­te er tri­um­phie­rend, als er sich ne­ben ihr her­ab­glei­ten ließ. »Sieh nur – so hat es da­ge­le­gen, un­ter vier Fuß Erde ver­bor­gen, wo nie­mand es se­hen konn­te, ja, da hat es ge­le­gen und ge­war­tet, bis wir ins Mond­tal kämen. Und da – bit­te, da wird ein großes Stück hübsch ab­ge­schält, so­dass wir es se­hen kön­nen.«

      »Ist es denn der rich­ti­ge Lehm?«

      »Ja, dar­auf kannst du dei­nen Kopf wet­ten! Ich habe zu viel da­von in den Hän­den ge­habt, dass ich es nicht im Dun­keln er­ken­nen soll­te! Du brauchst nur ein klei­nes Stück zwi­schen den Fin­gern zu zer­rei­ben – so! Ja, ich könn­te es schon am Ge­schmack mer­ken. Ich habe ge­nug von dem Staub ge­schluckt, wenn ich mit den Ar­bei­tern im Wa­gen fuhr. Aber jetzt sollst du nur se­hen! Weißt du, dass wir, seit­dem wir in die­ses Tal ka­men, nichts ge­tan ha­ben, als uns die Köp­fe zu zer­bre­chen. Aber jetzt ha­ben wir aus­ge­sorgt.«

      »Aber es ge­hört dir ja nicht«, wand­te Sa­xon ein.

      »Nun ja, aber dir wird kein grau­es Haar wach­sen, bis es das tut. Von hier geht es di­rekt zu Pay­ne, und dann schlie­ße ich mit ihm ab. Vor­kaufs­recht, ver­stehst du. Und un­ter­des­sen be­schaf­fe ich das Geld. Wir müs­sen die vier­hun­dert von Gow Yum lei­hen, und ich neh­me, so­viel ich krie­gen kann, auf mei­ne Pfer­de und Wa­gen und auf Ha­zel und Hat­tie und al­les, was sonst ein biss­chen Wert hat, auf. Und dann gebe ich Hi­lyard auf den Rest eine Hy­po­thek, und es ge­hört mir. Ja, und üb­ri­gens – es ist, als näh­me man ei­nem klei­nen Kind sei­nen Schnul­ler! Ich schlie­ße mit der Zie­ge­lei um zwan­zig Cent das Me­ter ab – viel­leicht mehr. Sie wer­den ganz toll vor Freu­de, wenn sie es se­hen. Sie brau­chen gar nicht zu boh­ren. Zu bei­den Sei­ten lie­gen fast zwei­hun­dert Fuß, die frei­ge­legt sind. Der gan­ze Hü­gel be­steht aus Lehm, mit ei­ner dün­nen Erd­schicht dar­über.«

      »Aber verdirbst du denn nicht den herr­li­chen Ca­ny­on, wenn du al­len Lehm hin und her fährst?« rief Sa­xon er­schro­cken.

      »Nein, nichts als den Hü­gel. Der Weg kommt von der an­de­ren Sei­te her­ab. Es sind nur zehn Mi­nu­ten bis zu Cha­v­ons Lehm­gru­be. Ich will ent­we­der den Weg selbst an­le­gen und mehr für die Fuhr­manns­ar­beit ver­lan­gen, oder die Zie­ge­lei kann ihn an­le­gen, und dann be­sor­ge ich die Fuhr­manns­ar­beit zum sel­ben Prei­se wie bis­her. Ich muss si­cher mehr Pfer­de kau­fen, um die Ar­beit leis­ten zu kön­nen.«

      Sie sa­ßen Hand in Hand an dem klei­nen Wald­weg, um alle Ein­zel­hei­ten zu be­re­den.

      »Und weißt du, Sa­xon«, sag­te Bil­ly, als eine Pau­se ein­trat, »jetzt musst du sin­gen: ›Wenn die Tage des Herbs­tes vor­bei!‹ Du willst doch?«

      Und als sie ge­tan, um was er ge­be­ten, sag­te er: »Als du mir das Lied zum ers­ten Mal vor­sangst, sa­ßen wir in der Ei­sen­bahn –«

      »Es war das al­ler­ers­te Mal, dass wir ums ge­trof­fen hat­ten«, fiel sie ihm ins Wort. »Was dach­test du da­mals von mir?«

      »Das­sel­be, was ich seit­her im­mer ge­dacht habe – dass du wie für mich ge­schaf­fen warst. Das dach­te ich so­fort, als wir den ers­ten Wal­zer tanz­ten. Und was dach­test du von mir?«

      »Ach, ich muss­te dar­über nach­den­ken – und zwar gleich, als wir uns vor­ge­stellt wa­ren und uns die Hand ge­ge­ben hat­ten – ich muss­te dar­über nach­den­ken, ob du viel­leicht der Rech­te wärst. Ja, der Ge­dan­ke er­stand im sel­ben Au­gen­blick in mir: Ist das der Mann?«

      »Da fan­dest du also, dass ich nett aus­sah?« frag­te er.

      »Das fand ich, und mei­ne Au­gen sind im­mer gut ge­we­sen.«

      »Weißt du«, sag­te Bil­ly, plötz­lich zu ei­nem an­de­ren Ge­gen­stand über­ge­hend, »nächs­ten Win­ter, wenn al­les erst rich­tig im Gang ist – was meinst du dann dazu, eine Fahrt nach Car­mel zu ma­chen! Dann ist stil­le Zeit für dich und dein Ge­mü­se, und ich kann es mir wohl auch leis­ten, mir einen Vor­ar­bei­ter zu neh­men.«

      Zu sei­nem großen Er­stau­nen war Sa­xon nicht be­geis­tert.

      »Was ist los?« frag­te er eif­rig.

      Lang­sam und zö­gernd, mit ehr­bar nie­der­ge­schla­ge­nen Au­gen, sag­te Sa­xon:

      »Ich habe ges­tern et­was ge­tan, ohne mich mit dir zu be­ra­ten, Bil­ly.«

      Er war­te­te.

      »Ich schrieb an Tom«, sag­te sie mit furcht­sa­mer Mie­ne, als leg­te sie ein Be­kennt­nis ab.

      Er war­te­te im­mer noch – er wuss­te sel­ber nicht, wor­auf.

      »Ich bat ihn, mir die alte Kom­mo­de zu schi­cken – du weißt, die von mei­ner Mut­ter – die er für uns auf­be­wah­ren soll­te.«

      »Hm! Da­bei ist doch nichts Merk­wür­di­ges!« sag­te Bil­ly er­leich­tert. »Wir kön­nen die Kom­mo­de ja ge­brau­chen – nicht wahr? Wir kön­nen uns auch die Fracht leis­ten, nicht wahr?«

      »Du bist lieb, Bil­ly, aber du bist doch ein biss­chen dumm. Weißt du denn nicht, was in der Kom­mo­de ist?«

      Er schüt­tel­te den Kopf, und sie sag­te so lei­se, dass es fast wie ein Flüs­tern klang:

      »Das Kin­der­zeug.«

      »Aber nein!« rief er.

      »Ja, es ist wahr.«

      »Ganz si­cher?«

      Sie nick­te, und eine war­me Röte stieg ihr has­tig in die Wan­gen.

      »Das habe ich mir ge­wünscht, Sa­xon, mehr als al­les an­de­re auf der Welt. Ich habe, seit wir ins Tal ka­men, im­mer wie­der dar­an ge­dacht«, fuhr er mit hal­b­er­stick­ter Stim­me fort, und zum ers­ten Mal sah sie, dass er Trä­nen in den Au­gen hat­te. »Aber nach al­lem, was ich ge­tan hat­te, nach all dem Krach, den ich ge­macht hat­te – da – woll­te ich dich nicht quä­len, ich habe auch nie ein Wort da­von ge­sagt. Aber ich sehn­te mich da­nach – ich sehn­te mich da­nach, wie ich mich jetzt nach dir seh­ne.«

      Er brei­te­te die Arme aus, und sie schmieg­te sich an sei­ne Brust, und eine se­li­ge Stil­le senk­te sich auf den klei­nen Wild­see im Her­zen des Ca­ny­ons.

      Sa­xon fühl­te, wie Bil­ly ihr war­nend den Fin­ger auf die Lip­pen leg­te. Sie bog den Kopf zu­rück, und zu­sam­men sa­hen sie zu dem klei­nen Hü­gel auf, wo ein Reh mit sei­nen ge­spren­kel­ten Kitz­lein stand und sie durch eine win­zi­ge Lich­tung zwi­schen den Bäu­men be­trach­te­te.

      ENDE


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