Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth

Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth - Ödön von Horváth


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      Am Meer? Am richtigen Meer?

      SCHULZ

      lächelt: Am richtigen.

       Stille.

      VERONIKA

      San Sie schon mal durch Berlin kommen?

      SCHULZ

      Oft!

      VERONIKA

      I, wenn i Sie war, i war nie fort von dort!

      SCHULZ

      Es gibt dort zu viele ohne Arbeit.

      VERONIKA

      I glaub allweil, Sie habn no nit viel garbeitet.

      SCHULZ

      Wieso?

      VERONIKA

      Die feinen Hand! Wie ane Hebamm. Da, schauns meine an: kochn, waschn, scheuern – da platzns und werdn rot, wie der Krebs.

      SCHULZ

      Die müssen Sie einfetten und fleißig baden. In heißem Wasser. Dann wird die Haut wieder sammetweich und elfenbeinern. Am besten: Sie nehmen die Salbe von Meyer et Vogel in der blauen Tube.

      VERONIKA

      Woher wissens denn all das?

      SCHULZ

      Eigentlich bin ich Friseur.

      VERONIKA

      Drum diese Hände!

      SCHULZ

      Ich habe schon viele hundert Frauenhände behandelt.

      VERONIKA

      Geh hörens auf!

      SCHULZ

      Jawohl! Dazumal, als ich in Warnemünde über die Sommersaison arbeitete: im ersten Haus am Platze! Tipptopp! – Fräulein, das war mein goldenes Zeitalter! Ich war, sozusagen, Intimus der Damenwelt. Da war eine Frau Major, die vertraute mir – alles an!

      VERONIKA

      Da habens freili viel ghört und gsehn. Danebn is unserans a neugeborens Kalb.

      SCHULZ

      Ich schätze naive Frauen. Nur zu rasch übersättigen einen die Raffinierten.

      VERONIKA

      Wir habn hier auch an, der scho weit in der Welt rumkommen is. Der alt Oberle, der war kriegsgfangen, in der Mongolei, ganz hint. Bei den Gelbn, Schlitzäugigen und Juden. In Asien. – Waren Sie scho in Asien?

      SCHULZ

      Nein, noch nicht.

      VERONIKA

      So sieht halt jeder was andres.

      SCHULZ

      Durch unseren Beruf bekommt man automatisch Einblick in manche Geheimnisse des weiblichen Wesens. Man enträtselt allmählich die Sphinx. Er hustet stark.

      VERONIKA

      klopft ihm auf den Rücken: Hoppla! Sie solltn nit so viel redn. Die Bergluft –

      SCHULZ

      Ich bin Ihnen dankbar, sehr dankbar, daß Sie mit mir reden. Ich habe nun fünf Tage lang kaum geredet. Da verlernt man selbst die Muttersprache. Man ist überrascht von der eigenen Stimme, wie der Dichter sagt. Er hustet wieder.

      VERONIKA

      ließ ihre Hand auf seinem Rücken; befühlt nun seine Schultern, Arme: Hörens: i glaub kaum, daß Sie hier mitarbeitn werdn; Sie san zu schwach.

      SCHULZ

      Meinen Sie?

      VERONIKA

      Wie der guckn kann! Direkt spaßig!

      SCHULZ

      Sie lachen so schön –

      VERONIKA

      Sie san a komischer Mensch!

      SCHULZ

      Gestatten: mein Name ist Schulz. – Max Schulz. – Und Sie?

      VERONIKA

      Vroni.

      SCHULZ

      Das soll wohl Veronika sein?

      VERONIKA

      Ja.

       Stille.

      Habens scho viele rasiert?

      SCHULZ

      Rasiert, frisiert, onduliert –

      VERONIKA

      »Onduliert«?

      SCHULZ

      Das läßt sich nicht so einfach erklären. –

       Moser erscheint in der Türe. Die Sonne ist untergegangen. Rasch wird es Nacht.

      VERONIKA

      Die Friseur san alle gscheite Leut. Friseur und Dokter. Die kennst kaum ausanand. – Sans verruckt?!

      SCHULZ

      riß sie an sich: Was bin ich? – Schwach?

      VERONIKA

      Lassens! Nit! Ni –

       Schulz küßt sie.

      VERONIKA

      entdeckt Moser: Jesus Maria!!

      MOSER

      I habs gsehn! Lüg net! Du Fetzn!

      VERONIKA

      I lüg nit, Moser!

      MOSER

      I habs scho gsehn, wie Ihr beieinanderhockt! Und jetzt!

      VERONIKA

      Der hat mi überfalln! Meuchlerisch, heimtückisch! I hab bloß gredt, und da hat er mi packt!

       Moser fixiert Schulz.

       Schulz weicht zurück.

       Xaver, Sliwinski sind von den Matratzen aufgeschnellt.

       Oberle, Maurer, Hannes, Simon traten hinter Moser ein.

      MOSER

      drängt Schulz an die Wand; breitspurig: Wer bist denn du, ha?

      SCHULZ

      Ich habe gehört, hier würden noch Leute eingestellt werden.

       Moser gibt ihm eine schallende Ohrfeige.

       Einzelne lachen halblaut.

      OBERLE

      Moser!

      MOSER

      Schweig! So a Krüppl ghört zu Mus gtretn! Er schlägt ihm mit der Faust ins Antlitz. Spürst was, Bürscherl? – Der lacht! Wart! Da!

      OBERLE

      Schlag do kan Krüppl!

      MOSER

      Halts Maul, damischer Wanderapostl! Predig in der Höll! I glaub an d'Faust! Da, du Lump! Und da!

      SCHULZ

      brüllt plötzlich los: Au! Au! Ich habe ja nichts – Au!!

      MOSER

      Nix?! So is des a nix! Spürst des »Nix«?! Er schlägt tobend auf ihn ein; immer ins Gesicht.

       Alle außer Oberle, haben sich zurückgezogen.

       Schulz wimmert blutüberströmt und bricht bewußtlos an der Wand zusammen.

      So.


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